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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Förderung der Verbreitung
auf das Tierreich zurück. Fauna und Flora der Erde
sind bestimmt, die gleichen Schicksale, wie sie das Erd-
bild schafft, zu teilen, aber sie unterliegen nicht in ganz
gleichem Grade denselben Einflüssen.

Die Geographie hat längst das Bedürfnis erkannt, an der
Einheit in der organischen Welt, insoweit als sie sich hinsicht-
lich bestimmter Verbreitungs- und Absonderungsverhältnisse nach-
weisen lässt und auf gleiche treibende Kräfte hinweist, festzuhalten
und über die Verschiedenheiten im Ausdruck bestimmter Floren-
und Faunenreiche hinwegsehend das Gemeinsame im Grundgedanken
ausgesprochen-eigenartiger Entwickelungen zu erfassen. Nirgends
finde ich dasselbe schärfer und richtiger betont, als bei Supan
(Grundz. d. phys. Erdk. Kap. X). Es war nur richtig, dass Zoo-
logie und Botanik zunächst selbständig ihre eigenen Gebiete ohne
gegenseitige Rücksicht durchmusterten und ihre Ableitungen in
bestimmter Form hinstellten. Die Geographie dagegen hat die
Aufgabe, aus diesen Ableitungen noch höher stehende Allgemein-
regeln zu schöpfen. Denn es kommt darauf an, im Sinne der
geographischen Wissenschaft die Wechselwirkungen zu erläutern,
in denen die Pflanzenwelt teils bedingt erscheint, teils selbst im
Einfluss auf die allgemeine physische Natur zurückwirkt. Und
die meisten der hier aufgeworfenen Fragen können sogleich be-
züglich der Tierwelt wiederholt werden. Solche allgemein gegebene
geographische Bedingungen sind aber die Lage, Form und das
geologische Alter der Kontinente samt der Geschichte ihrer oro-
graphischen Gliederung, der Einfluss von Höhen und Tiefen mit
dem Klima zusammen als Scheiden, der Einfluss bestimmt gerich-
teter Luft- und Wasserströmungen als Verbindungswege.

Biologische Wechselwirkungen. Auch die gegen-
seitigen Anpassungen eines Organismus an den anderen,
sowohl von verschiedenen Pflanzen unter sich als von
Pflanzen und Tieren untereinander, sind solche geo-
graphische Wechselwirkungen, welche mit der Grösse
der Areale, mit der Möglichkeit weiterer Verbreitung
und Ansiedelung in fremden Erdteilen bei zufälligen
Verschlagungen je nach Umständen innig zusammen-
hängen. Während oben die Vegetationslinien auf ihre
im Klima und Boden liegenden Grundursachen zurück-
geführt wurden, tritt hier also ein neues Moment hinzu,
organisch bedingte Verbreitungsmittel und Verbreitungs-
schranken. Von ersteren sind viele bekannt oder in ihrer
Wirkung leicht zu durchschauen. Im Schutze der Wäl-
der, oder in den Tropen auf ihren Aesten, gedeihen viele

Förderung der Verbreitung
auf das Tierreich zurück. Fauna und Flora der Erde
sind bestimmt, die gleichen Schicksale, wie sie das Erd-
bild schafft, zu teilen, aber sie unterliegen nicht in ganz
gleichem Grade denselben Einflüssen.

Die Geographie hat längst das Bedürfnis erkannt, an der
Einheit in der organischen Welt, insoweit als sie sich hinsicht-
lich bestimmter Verbreitungs- und Absonderungsverhältnisse nach-
weisen lässt und auf gleiche treibende Kräfte hinweist, festzuhalten
und über die Verschiedenheiten im Ausdruck bestimmter Floren-
und Faunenreiche hinwegsehend das Gemeinsame im Grundgedanken
ausgesprochen-eigenartiger Entwickelungen zu erfassen. Nirgends
finde ich dasselbe schärfer und richtiger betont, als bei Supan
(Grundz. d. phys. Erdk. Kap. X). Es war nur richtig, dass Zoo-
logie und Botanik zunächst selbständig ihre eigenen Gebiete ohne
gegenseitige Rücksicht durchmusterten und ihre Ableitungen in
bestimmter Form hinstellten. Die Geographie dagegen hat die
Aufgabe, aus diesen Ableitungen noch höher stehende Allgemein-
regeln zu schöpfen. Denn es kommt darauf an, im Sinne der
geographischen Wissenschaft die Wechselwirkungen zu erläutern,
in denen die Pflanzenwelt teils bedingt erscheint, teils selbst im
Einfluss auf die allgemeine physische Natur zurückwirkt. Und
die meisten der hier aufgeworfenen Fragen können sogleich be-
züglich der Tierwelt wiederholt werden. Solche allgemein gegebene
geographische Bedingungen sind aber die Lage, Form und das
geologische Alter der Kontinente samt der Geschichte ihrer oro-
graphischen Gliederung, der Einfluss von Höhen und Tiefen mit
dem Klima zusammen als Scheiden, der Einfluss bestimmt gerich-
teter Luft- und Wasserströmungen als Verbindungswege.

Biologische Wechselwirkungen. Auch die gegen-
seitigen Anpassungen eines Organismus an den anderen,
sowohl von verschiedenen Pflanzen unter sich als von
Pflanzen und Tieren untereinander, sind solche geo-
graphische Wechselwirkungen, welche mit der Grösse
der Areale, mit der Möglichkeit weiterer Verbreitung
und Ansiedelung in fremden Erdteilen bei zufälligen
Verschlagungen je nach Umständen innig zusammen-
hängen. Während oben die Vegetationslinien auf ihre
im Klima und Boden liegenden Grundursachen zurück-
geführt wurden, tritt hier also ein neues Moment hinzu,
organisch bedingte Verbreitungsmittel und Verbreitungs-
schranken. Von ersteren sind viele bekannt oder in ihrer
Wirkung leicht zu durchschauen. Im Schutze der Wäl-
der, oder in den Tropen auf ihren Aesten, gedeihen viele

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[120/0142] Förderung der Verbreitung auf das Tierreich zurück. Fauna und Flora der Erde sind bestimmt, die gleichen Schicksale, wie sie das Erd- bild schafft, zu teilen, aber sie unterliegen nicht in ganz gleichem Grade denselben Einflüssen. Die Geographie hat längst das Bedürfnis erkannt, an der Einheit in der organischen Welt, insoweit als sie sich hinsicht- lich bestimmter Verbreitungs- und Absonderungsverhältnisse nach- weisen lässt und auf gleiche treibende Kräfte hinweist, festzuhalten und über die Verschiedenheiten im Ausdruck bestimmter Floren- und Faunenreiche hinwegsehend das Gemeinsame im Grundgedanken ausgesprochen-eigenartiger Entwickelungen zu erfassen. Nirgends finde ich dasselbe schärfer und richtiger betont, als bei Supan (Grundz. d. phys. Erdk. Kap. X). Es war nur richtig, dass Zoo- logie und Botanik zunächst selbständig ihre eigenen Gebiete ohne gegenseitige Rücksicht durchmusterten und ihre Ableitungen in bestimmter Form hinstellten. Die Geographie dagegen hat die Aufgabe, aus diesen Ableitungen noch höher stehende Allgemein- regeln zu schöpfen. Denn es kommt darauf an, im Sinne der geographischen Wissenschaft die Wechselwirkungen zu erläutern, in denen die Pflanzenwelt teils bedingt erscheint, teils selbst im Einfluss auf die allgemeine physische Natur zurückwirkt. Und die meisten der hier aufgeworfenen Fragen können sogleich be- züglich der Tierwelt wiederholt werden. Solche allgemein gegebene geographische Bedingungen sind aber die Lage, Form und das geologische Alter der Kontinente samt der Geschichte ihrer oro- graphischen Gliederung, der Einfluss von Höhen und Tiefen mit dem Klima zusammen als Scheiden, der Einfluss bestimmt gerich- teter Luft- und Wasserströmungen als Verbindungswege. Biologische Wechselwirkungen. Auch die gegen- seitigen Anpassungen eines Organismus an den anderen, sowohl von verschiedenen Pflanzen unter sich als von Pflanzen und Tieren untereinander, sind solche geo- graphische Wechselwirkungen, welche mit der Grösse der Areale, mit der Möglichkeit weiterer Verbreitung und Ansiedelung in fremden Erdteilen bei zufälligen Verschlagungen je nach Umständen innig zusammen- hängen. Während oben die Vegetationslinien auf ihre im Klima und Boden liegenden Grundursachen zurück- geführt wurden, tritt hier also ein neues Moment hinzu, organisch bedingte Verbreitungsmittel und Verbreitungs- schranken. Von ersteren sind viele bekannt oder in ihrer Wirkung leicht zu durchschauen. Im Schutze der Wäl- der, oder in den Tropen auf ihren Aesten, gedeihen viele

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/142>, abgerufen am 27.04.2024.