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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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durch organische Wechselwirkung.
Pflanzen, welche ohne dieselben kaum geeignete Wohn-
plätze finden würden; nicht wenige derselben sind direkt
von der Verbreitung gewisser Waldbaumformationen ab-
hängig, zumal die Schmarotzer und Humuspflanzen. Die
Sumpfmoose gewähren mit ihrer eigentümlichen Organi-
sation in ihrer zusammenhängenden Decke manchen Arten
Wohnstätten, welche ohne sie häufig genug im Sommer
durch periodische Dürre Schaden erleiden würden; ihre
massenhafte Vegetation sorgt also auch für die Verbrei-
tung der beigemischten Arten. Weidende Tiere ver-
schleppen die in ihrem Fell hängenbleibenden Stachel-
früchte; beerenfressende Vögel streuen die Samen ihrer
Futterpflanzen auf weite Entfernungen aus, und in den
Floren ozeanischer Inseln gehören daher die beerentragen-
den Arten, welche oft nicht gering an Zahl sind, zu den
am leichtesten auf weitere Wanderzüge zurückzuführenden
Formen, ohne dass sie selbständig und ohne Mitwirkung
wandernder Tiere diese Verbreitung hätten erreichen
können.

Nach den organischen Verbreitungsmitteln der Samen kann
man überhaupt 6 Kategorien unter diesen unterscheiden, nämlich
1. die Einbettung in eine süsse Fruchtmasse, welche Tiere zum
Fressen anlockt; 2. der Besitz von Haken und Stacheln, mittels
derer sie sich an wandernde Tiere anheften können; 3. Flugapparate
an Samen oder Früchten, welche auch schwerere Körper auf weite
Strecken hin transportfähig gestalten; 4. Kleinheit der Samen,
welche wie bei Orchideen und Pyrolaceen, Rhododendron, Nepen-
thes etc. eine Verschlagung mit Stürmen ebenso leicht gestattet;
5. elastisches Aufspringen und Fortschnellen der Früchte, was
zumal bei Berührungen durch ein Tier wirken kann; 6. Erhaltung
der Keimkraft im Meereswasser verbunden mit Schwimmfähigkeit.
Die beiden ersten Kategorien rechnen absolut mit der Verbreitungs-
weise durch Tiere. -- Beccari setzt auseinander (Malesia III), dass
ein Vogel, welcher auf einem Berge im Innern der Insel Ceram
eine Mahlzeit von Vaccinium-Früchten eingenommen hätte, nach
3 oder 4 Stunden deren Samen auf einem Berge Neuguineas ab-
setzen könnte. -- Auf dieselbe Verbreitungsweise nimmt Hemsley
in seinen Untersuchungen über die Floren der Inseln ausgedehnte
Rücksicht und man handelt richtig, jede einzelne Flora auf die
Verbreitungsorganisation hin zu prüfen.

Am interessantesten werden diejenigen Wechselbe-
ziehungen, in denen ein bestimmter, abgeschlossener or-
ganischer Formenkreis mit einem anderen bestimmt abge-

durch organische Wechselwirkung.
Pflanzen, welche ohne dieselben kaum geeignete Wohn-
plätze finden würden; nicht wenige derselben sind direkt
von der Verbreitung gewisser Waldbaumformationen ab-
hängig, zumal die Schmarotzer und Humuspflanzen. Die
Sumpfmoose gewähren mit ihrer eigentümlichen Organi-
sation in ihrer zusammenhängenden Decke manchen Arten
Wohnstätten, welche ohne sie häufig genug im Sommer
durch periodische Dürre Schaden erleiden würden; ihre
massenhafte Vegetation sorgt also auch für die Verbrei-
tung der beigemischten Arten. Weidende Tiere ver-
schleppen die in ihrem Fell hängenbleibenden Stachel-
früchte; beerenfressende Vögel streuen die Samen ihrer
Futterpflanzen auf weite Entfernungen aus, und in den
Floren ozeanischer Inseln gehören daher die beerentragen-
den Arten, welche oft nicht gering an Zahl sind, zu den
am leichtesten auf weitere Wanderzüge zurückzuführenden
Formen, ohne dass sie selbständig und ohne Mitwirkung
wandernder Tiere diese Verbreitung hätten erreichen
können.

Nach den organischen Verbreitungsmitteln der Samen kann
man überhaupt 6 Kategorien unter diesen unterscheiden, nämlich
1. die Einbettung in eine süsse Fruchtmasse, welche Tiere zum
Fressen anlockt; 2. der Besitz von Haken und Stacheln, mittels
derer sie sich an wandernde Tiere anheften können; 3. Flugapparate
an Samen oder Früchten, welche auch schwerere Körper auf weite
Strecken hin transportfähig gestalten; 4. Kleinheit der Samen,
welche wie bei Orchideen und Pyrolaceen, Rhododendron, Nepen-
thes etc. eine Verschlagung mit Stürmen ebenso leicht gestattet;
5. elastisches Aufspringen und Fortschnellen der Früchte, was
zumal bei Berührungen durch ein Tier wirken kann; 6. Erhaltung
der Keimkraft im Meereswasser verbunden mit Schwimmfähigkeit.
Die beiden ersten Kategorien rechnen absolut mit der Verbreitungs-
weise durch Tiere. — Beccari setzt auseinander (Malesia III), dass
ein Vogel, welcher auf einem Berge im Innern der Insel Ceram
eine Mahlzeit von Vaccinium-Früchten eingenommen hätte, nach
3 oder 4 Stunden deren Samen auf einem Berge Neuguineas ab-
setzen könnte. — Auf dieselbe Verbreitungsweise nimmt Hemsley
in seinen Untersuchungen über die Floren der Inseln ausgedehnte
Rücksicht und man handelt richtig, jede einzelne Flora auf die
Verbreitungsorganisation hin zu prüfen.

Am interessantesten werden diejenigen Wechselbe-
ziehungen, in denen ein bestimmter, abgeschlossener or-
ganischer Formenkreis mit einem anderen bestimmt abge-

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[121/0143] durch organische Wechselwirkung. Pflanzen, welche ohne dieselben kaum geeignete Wohn- plätze finden würden; nicht wenige derselben sind direkt von der Verbreitung gewisser Waldbaumformationen ab- hängig, zumal die Schmarotzer und Humuspflanzen. Die Sumpfmoose gewähren mit ihrer eigentümlichen Organi- sation in ihrer zusammenhängenden Decke manchen Arten Wohnstätten, welche ohne sie häufig genug im Sommer durch periodische Dürre Schaden erleiden würden; ihre massenhafte Vegetation sorgt also auch für die Verbrei- tung der beigemischten Arten. Weidende Tiere ver- schleppen die in ihrem Fell hängenbleibenden Stachel- früchte; beerenfressende Vögel streuen die Samen ihrer Futterpflanzen auf weite Entfernungen aus, und in den Floren ozeanischer Inseln gehören daher die beerentragen- den Arten, welche oft nicht gering an Zahl sind, zu den am leichtesten auf weitere Wanderzüge zurückzuführenden Formen, ohne dass sie selbständig und ohne Mitwirkung wandernder Tiere diese Verbreitung hätten erreichen können. Nach den organischen Verbreitungsmitteln der Samen kann man überhaupt 6 Kategorien unter diesen unterscheiden, nämlich 1. die Einbettung in eine süsse Fruchtmasse, welche Tiere zum Fressen anlockt; 2. der Besitz von Haken und Stacheln, mittels derer sie sich an wandernde Tiere anheften können; 3. Flugapparate an Samen oder Früchten, welche auch schwerere Körper auf weite Strecken hin transportfähig gestalten; 4. Kleinheit der Samen, welche wie bei Orchideen und Pyrolaceen, Rhododendron, Nepen- thes etc. eine Verschlagung mit Stürmen ebenso leicht gestattet; 5. elastisches Aufspringen und Fortschnellen der Früchte, was zumal bei Berührungen durch ein Tier wirken kann; 6. Erhaltung der Keimkraft im Meereswasser verbunden mit Schwimmfähigkeit. Die beiden ersten Kategorien rechnen absolut mit der Verbreitungs- weise durch Tiere. — Beccari setzt auseinander (Malesia III), dass ein Vogel, welcher auf einem Berge im Innern der Insel Ceram eine Mahlzeit von Vaccinium-Früchten eingenommen hätte, nach 3 oder 4 Stunden deren Samen auf einem Berge Neuguineas ab- setzen könnte. — Auf dieselbe Verbreitungsweise nimmt Hemsley in seinen Untersuchungen über die Floren der Inseln ausgedehnte Rücksicht und man handelt richtig, jede einzelne Flora auf die Verbreitungsorganisation hin zu prüfen. Am interessantesten werden diejenigen Wechselbe- ziehungen, in denen ein bestimmter, abgeschlossener or- ganischer Formenkreis mit einem anderen bestimmt abge-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/143>, abgerufen am 28.04.2024.