Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

genommen; auch die geringeren Zerstreuungen, die durch An-
stellung der Versuche in verschiedener Umgebung herbei-
geführt werden, wurden thunlichst vermieden.

6. Es wurde niemals versucht, die sinnlosen Silben durch
irgendwelche hineingedachte Beziehungen, z. B. nach den
Regeln der Mnemotechniker, zu verbinden; das Lernen er-
folgte rein durch die Einwirkung der blossen Wiederholungen
auf das natürliche Gedächtnis. Da ich nicht die mindeste prak-
tische Kenntnis der mnemotechnischen Künste besitze, hatte die
Erfüllung dieser Bedingung für mich keine Schwierigkeit.

7. Endlich und hauptsächlich wurde darauf geachtet, dass
die äusseren Lebensumstände, während der Perioden der Ver-
suche, wenigstens vor allzu grossen Veränderungen und Un-
regelmässigkeiten bewahrt blieben. Natürlich ist dies im Ver-
lauf vieler Monate nur mit erheblichen Einschränkungen mög-
lich. Allein es wurde dann wenigstens Sorge getragen, dass
diejenigen Versuche, deren Resultate direkt mit einander ver-
glichen werden sollten, unter möglichst gleichen Bedingungen
der Lebensweise angestellt wurden. Namentlich war die den
Versuchen unmittelbar vorausgehende Beschäftigung immer
möglichst gleichartig. Da das geistige Leben des Menschen,
nicht minder wie das körperliche, einer deutlich hervortreten-
den 24 stündigen Periodicität unterworfen ist, so wurde be-
stimmt, dass gleiche Versuchsumstände nur zu gleichen Tages-
zeiten vorausgesetzt werden sollten. Indes wurden, um einen
Tag zu mehr als einem Versuche auszunutzen, gelegentlich
verschiedene Untersuchungen zu verschiedenen Tageszeiten
gleichzeitig betrieben. Bei allzu grossen Änderungen des
äusseren oder inneren Lebens wurden die Versuche vorüber-
gehend ausgesetzt. Ihrer Wiederaufnahme gingen dann, ver-
schieden je nach der Dauer der Unterbrechungen, einige
Tage erneuter Einübung voraus.


3*

genommen; auch die geringeren Zerstreuungen, die durch An-
stellung der Versuche in verschiedener Umgebung herbei-
geführt werden, wurden thunlichst vermieden.

6. Es wurde niemals versucht, die sinnlosen Silben durch
irgendwelche hineingedachte Beziehungen, z. B. nach den
Regeln der Mnemotechniker, zu verbinden; das Lernen er-
folgte rein durch die Einwirkung der blossen Wiederholungen
auf das natürliche Gedächtnis. Da ich nicht die mindeste prak-
tische Kenntnis der mnemotechnischen Künste besitze, hatte die
Erfüllung dieser Bedingung für mich keine Schwierigkeit.

7. Endlich und hauptsächlich wurde darauf geachtet, daſs
die äuſseren Lebensumstände, während der Perioden der Ver-
suche, wenigstens vor allzu groſsen Veränderungen und Un-
regelmäſsigkeiten bewahrt blieben. Natürlich ist dies im Ver-
lauf vieler Monate nur mit erheblichen Einschränkungen mög-
lich. Allein es wurde dann wenigstens Sorge getragen, daſs
diejenigen Versuche, deren Resultate direkt mit einander ver-
glichen werden sollten, unter möglichst gleichen Bedingungen
der Lebensweise angestellt wurden. Namentlich war die den
Versuchen unmittelbar vorausgehende Beschäftigung immer
möglichst gleichartig. Da das geistige Leben des Menschen,
nicht minder wie das körperliche, einer deutlich hervortreten-
den 24 stündigen Periodicität unterworfen ist, so wurde be-
stimmt, daſs gleiche Versuchsumstände nur zu gleichen Tages-
zeiten vorausgesetzt werden sollten. Indes wurden, um einen
Tag zu mehr als einem Versuche auszunutzen, gelegentlich
verschiedene Untersuchungen zu verschiedenen Tageszeiten
gleichzeitig betrieben. Bei allzu groſsen Änderungen des
äuſseren oder inneren Lebens wurden die Versuche vorüber-
gehend ausgesetzt. Ihrer Wiederaufnahme gingen dann, ver-
schieden je nach der Dauer der Unterbrechungen, einige
Tage erneuter Einübung voraus.


3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="35"/>
genommen; auch die geringeren Zerstreuungen, die durch An-<lb/>
stellung der Versuche in verschiedener Umgebung herbei-<lb/>
geführt werden, wurden thunlichst vermieden.</p><lb/>
          <p>6. Es wurde niemals versucht, die sinnlosen Silben durch<lb/>
irgendwelche hineingedachte Beziehungen, z. B. nach den<lb/>
Regeln der Mnemotechniker, zu verbinden; das Lernen er-<lb/>
folgte rein durch die Einwirkung der blossen Wiederholungen<lb/>
auf das natürliche Gedächtnis. Da ich nicht die mindeste prak-<lb/>
tische Kenntnis der mnemotechnischen Künste besitze, hatte die<lb/>
Erfüllung dieser Bedingung für mich keine Schwierigkeit.</p><lb/>
          <p>7. Endlich und hauptsächlich wurde darauf geachtet, da&#x017F;s<lb/>
die äu&#x017F;seren Lebensumstände, während der Perioden der Ver-<lb/>
suche, wenigstens vor allzu gro&#x017F;sen Veränderungen und Un-<lb/>
regelmä&#x017F;sigkeiten bewahrt blieben. Natürlich ist dies im Ver-<lb/>
lauf vieler Monate nur mit erheblichen Einschränkungen mög-<lb/>
lich. Allein es wurde dann wenigstens Sorge getragen, da&#x017F;s<lb/>
diejenigen Versuche, deren Resultate direkt mit einander ver-<lb/>
glichen werden sollten, unter möglichst gleichen Bedingungen<lb/>
der Lebensweise angestellt wurden. Namentlich war die den<lb/>
Versuchen unmittelbar vorausgehende Beschäftigung immer<lb/>
möglichst gleichartig. Da das geistige Leben des Menschen,<lb/>
nicht minder wie das körperliche, einer deutlich hervortreten-<lb/>
den 24 stündigen Periodicität unterworfen ist, so wurde be-<lb/>
stimmt, da&#x017F;s gleiche Versuchsumstände nur zu gleichen Tages-<lb/>
zeiten vorausgesetzt werden sollten. Indes wurden, um einen<lb/>
Tag zu mehr als <hi rendition="#g">einem</hi> Versuche auszunutzen, gelegentlich<lb/>
verschiedene Untersuchungen zu verschiedenen Tageszeiten<lb/>
gleichzeitig betrieben. Bei allzu gro&#x017F;sen Änderungen des<lb/>
äu&#x017F;seren oder inneren Lebens wurden die Versuche vorüber-<lb/>
gehend ausgesetzt. Ihrer Wiederaufnahme gingen dann, ver-<lb/>
schieden je nach der Dauer der Unterbrechungen, einige<lb/>
Tage erneuter Einübung voraus.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0051] genommen; auch die geringeren Zerstreuungen, die durch An- stellung der Versuche in verschiedener Umgebung herbei- geführt werden, wurden thunlichst vermieden. 6. Es wurde niemals versucht, die sinnlosen Silben durch irgendwelche hineingedachte Beziehungen, z. B. nach den Regeln der Mnemotechniker, zu verbinden; das Lernen er- folgte rein durch die Einwirkung der blossen Wiederholungen auf das natürliche Gedächtnis. Da ich nicht die mindeste prak- tische Kenntnis der mnemotechnischen Künste besitze, hatte die Erfüllung dieser Bedingung für mich keine Schwierigkeit. 7. Endlich und hauptsächlich wurde darauf geachtet, daſs die äuſseren Lebensumstände, während der Perioden der Ver- suche, wenigstens vor allzu groſsen Veränderungen und Un- regelmäſsigkeiten bewahrt blieben. Natürlich ist dies im Ver- lauf vieler Monate nur mit erheblichen Einschränkungen mög- lich. Allein es wurde dann wenigstens Sorge getragen, daſs diejenigen Versuche, deren Resultate direkt mit einander ver- glichen werden sollten, unter möglichst gleichen Bedingungen der Lebensweise angestellt wurden. Namentlich war die den Versuchen unmittelbar vorausgehende Beschäftigung immer möglichst gleichartig. Da das geistige Leben des Menschen, nicht minder wie das körperliche, einer deutlich hervortreten- den 24 stündigen Periodicität unterworfen ist, so wurde be- stimmt, daſs gleiche Versuchsumstände nur zu gleichen Tages- zeiten vorausgesetzt werden sollten. Indes wurden, um einen Tag zu mehr als einem Versuche auszunutzen, gelegentlich verschiedene Untersuchungen zu verschiedenen Tageszeiten gleichzeitig betrieben. Bei allzu groſsen Änderungen des äuſseren oder inneren Lebens wurden die Versuche vorüber- gehend ausgesetzt. Ihrer Wiederaufnahme gingen dann, ver- schieden je nach der Dauer der Unterbrechungen, einige Tage erneuter Einübung voraus. 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/51
Zitationshilfe: Ebbinghaus, Hermann: Über das Gedächtnis. Leipzig, 1885, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebbinghaus_gedaechtnis_1885/51>, abgerufen am 26.04.2024.