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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Die selten blühende Aloe.
Mir deucht man kan daran dies zu der Lehre wäh-
len:

So gehts wenn im Gemüt, durch viele Müh und
Quälen

Sich in dem Stand begiebt, an einen Ort hin-
wagt,

Dazu man ungeschikt: Alda wird man geplagt:
So wie die Aloe die Blüten zu erzwingen,
Sie kommen endlich woll: Alleine Frucht zu brin-
gen,

Das geht gar selten an. Jn einem fremden Land,
Allwo ihr Boden ist, ist ihre Blüt bekandt.
Von Früchten weis man nicht in unsern kalten
Norden,

Wo sie mit Kunst und Fleis sind hin versezzet wor-
den,

Die bringt sie an dem Ort, wo sie ist hinbestimmt,
Jm Reiche der Natur. Wenn man dies Bildnis
nimmt,

So ist denselben gleich der sich so muß bequemen,
Jn einer fremden Luft, Bedienung anzunehmen,
Dazu er nicht geschikt, und von Natur geneigt:
Es währet lang genug, eh sich die Blüte zeigt,
Die gute Hofnung giebt. Der Aloe ihr Prangen,
Jst herrlich; ob daran gleich keine Früchte hangen.
Jhr gleicht ein solcher Mensch der in dem Christen-
thum,

Nach dem Erkenntnis schön: allein desselben Ruhm
Wenn man die Früchte sucht, in seinen ganzen Le-
ben,

Gewislich nicht verdient, ihn herrlich zu erheben.
Die Aloe die blüht, wenn sie des Gärtners Fleis,
Mit vieler Sorgfalt, Müh, bei seinem sauren
Schweis.

Be-
Die ſelten bluͤhende Aloe.
Mir deucht man kan daran dies zu der Lehre waͤh-
len:

So gehts wenn im Gemuͤt, durch viele Muͤh und
Quaͤlen

Sich in dem Stand begiebt, an einen Ort hin-
wagt,

Dazu man ungeſchikt: Alda wird man geplagt:
So wie die Aloe die Bluͤten zu erzwingen,
Sie kommen endlich woll: Alleine Frucht zu brin-
gen,

Das geht gar ſelten an. Jn einem fremden Land,
Allwo ihr Boden iſt, iſt ihre Bluͤt bekandt.
Von Fruͤchten weis man nicht in unſern kalten
Norden,

Wo ſie mit Kunſt und Fleis ſind hin verſezzet wor-
den,

Die bringt ſie an dem Ort, wo ſie iſt hinbeſtimmt,
Jm Reiche der Natur. Wenn man dies Bildnis
nimmt,

So iſt denſelben gleich der ſich ſo muß bequemen,
Jn einer fremden Luft, Bedienung anzunehmen,
Dazu er nicht geſchikt, und von Natur geneigt:
Es waͤhret lang genug, eh ſich die Bluͤte zeigt,
Die gute Hofnung giebt. Der Aloe ihr Prangen,
Jſt herrlich; ob daran gleich keine Fruͤchte hangen.
Jhr gleicht ein ſolcher Menſch der in dem Chriſten-
thum,

Nach dem Erkenntnis ſchoͤn: allein deſſelben Ruhm
Wenn man die Fruͤchte ſucht, in ſeinen ganzen Le-
ben,

Gewislich nicht verdient, ihn herrlich zu erheben.
Die Aloe die bluͤht, wenn ſie des Gaͤrtners Fleis,
Mit vieler Sorgfalt, Muͤh, bei ſeinem ſauren
Schweis.

Be-
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[280/0292] Die ſelten bluͤhende Aloe. Mir deucht man kan daran dies zu der Lehre waͤh- len: So gehts wenn im Gemuͤt, durch viele Muͤh und Quaͤlen Sich in dem Stand begiebt, an einen Ort hin- wagt, Dazu man ungeſchikt: Alda wird man geplagt: So wie die Aloe die Bluͤten zu erzwingen, Sie kommen endlich woll: Alleine Frucht zu brin- gen, Das geht gar ſelten an. Jn einem fremden Land, Allwo ihr Boden iſt, iſt ihre Bluͤt bekandt. Von Fruͤchten weis man nicht in unſern kalten Norden, Wo ſie mit Kunſt und Fleis ſind hin verſezzet wor- den, Die bringt ſie an dem Ort, wo ſie iſt hinbeſtimmt, Jm Reiche der Natur. Wenn man dies Bildnis nimmt, So iſt denſelben gleich der ſich ſo muß bequemen, Jn einer fremden Luft, Bedienung anzunehmen, Dazu er nicht geſchikt, und von Natur geneigt: Es waͤhret lang genug, eh ſich die Bluͤte zeigt, Die gute Hofnung giebt. Der Aloe ihr Prangen, Jſt herrlich; ob daran gleich keine Fruͤchte hangen. Jhr gleicht ein ſolcher Menſch der in dem Chriſten- thum, Nach dem Erkenntnis ſchoͤn: allein deſſelben Ruhm Wenn man die Fruͤchte ſucht, in ſeinen ganzen Le- ben, Gewislich nicht verdient, ihn herrlich zu erheben. Die Aloe die bluͤht, wenn ſie des Gaͤrtners Fleis, Mit vieler Sorgfalt, Muͤh, bei ſeinem ſauren Schweis. Be-

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/292>, abgerufen am 29.04.2024.