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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

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Die wunderbahre Bienenstaat.

Womit sich ein jeder nährt,
Wird ihm williglich gewährt:
Und das Theil das ihm beschieden
Nimmt man, ist damit zufrieden;
Jn der Bienen Königreich,
Sind die Unterthanen gleich.

Sie sind alle reich zu schäzzen,
Weil sie sich gar nicht ergözzen,
Am besondern Eigenthum:
Das bringt ihren Staate Ruhm
Daß sie nichts vor sich begehren,
Und sich reichlich doch ernähren;
Jhr bescheidener Genus
Bringet allen Ueberflus.
Wenn wir dies vor Augen nehmen,
Müssen wir uns warlich schämen,
Daß die Menschen leider blind,
Schlimmer als die Thiere sind.
Jeder sucht vor sich zu handeln,
Was gemein heist zu verwandeln,
Jn das was man eigen heist,
Ob es gleich den Staat zerreist.
Was gemeinschaftlich erworben
Wird durch Eigennuz verdorben,
Da ein jeder gierig frißt,
Was doch eines andern ist:
Dadurch werden alle Bänder,
Die die Städte, Völker, Länder
Jn Vereinigung gebracht,
Theilbar und zunicht gemacht.
Wenn
O 3

Die wunderbahre Bienenſtaat.

Womit ſich ein jeder naͤhrt,
Wird ihm williglich gewaͤhrt:
Und das Theil das ihm beſchieden
Nimmt man, iſt damit zufrieden;
Jn der Bienen Koͤnigreich,
Sind die Unterthanen gleich.

Sie ſind alle reich zu ſchaͤzzen,
Weil ſie ſich gar nicht ergoͤzzen,
Am beſondern Eigenthum:
Das bringt ihren Staate Ruhm
Daß ſie nichts vor ſich begehren,
Und ſich reichlich doch ernaͤhren;
Jhr beſcheidener Genus
Bringet allen Ueberflus.
Wenn wir dies vor Augen nehmen,
Muͤſſen wir uns warlich ſchaͤmen,
Daß die Menſchen leider blind,
Schlimmer als die Thiere ſind.
Jeder ſucht vor ſich zu handeln,
Was gemein heiſt zu verwandeln,
Jn das was man eigen heiſt,
Ob es gleich den Staat zerreiſt.
Was gemeinſchaftlich erworben
Wird durch Eigennuz verdorben,
Da ein jeder gierig frißt,
Was doch eines andern iſt:
Dadurch werden alle Baͤnder,
Die die Staͤdte, Voͤlker, Laͤnder
Jn Vereinigung gebracht,
Theilbar und zunicht gemacht.
Wenn
O 3
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[213/0225] Die wunderbahre Bienenſtaat. Womit ſich ein jeder naͤhrt, Wird ihm williglich gewaͤhrt: Und das Theil das ihm beſchieden Nimmt man, iſt damit zufrieden; Jn der Bienen Koͤnigreich, Sind die Unterthanen gleich. Sie ſind alle reich zu ſchaͤzzen, Weil ſie ſich gar nicht ergoͤzzen, Am beſondern Eigenthum: Das bringt ihren Staate Ruhm Daß ſie nichts vor ſich begehren, Und ſich reichlich doch ernaͤhren; Jhr beſcheidener Genus Bringet allen Ueberflus. Wenn wir dies vor Augen nehmen, Muͤſſen wir uns warlich ſchaͤmen, Daß die Menſchen leider blind, Schlimmer als die Thiere ſind. Jeder ſucht vor ſich zu handeln, Was gemein heiſt zu verwandeln, Jn das was man eigen heiſt, Ob es gleich den Staat zerreiſt. Was gemeinſchaftlich erworben Wird durch Eigennuz verdorben, Da ein jeder gierig frißt, Was doch eines andern iſt: Dadurch werden alle Baͤnder, Die die Staͤdte, Voͤlker, Laͤnder Jn Vereinigung gebracht, Theilbar und zunicht gemacht. Wenn O 3

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/225>, abgerufen am 26.04.2024.