Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

vom fürstlichen Park herübergekommen zu seyn schien;
wobey Goethe mir sagte, daß er in Sommertagen die
Pfauen durch ein beliebtes Futter herüberzulocken und
herzugewöhnen pflege.

An der anderen Seite den sich schlängelnden Weg
herabkommend, fand ich von Gebüsch umgeben einen
Stein mit den eingehauenen Versen des bekannten
Gedichtes:

"Hier im Stillen gedachte der Liebende seiner Geliebten"
und ich hatte das Gefühl, daß ich mich an einer classi¬
schen Stelle befinde.

Ganz nahe dabey kamen wir auf eine Baumgruppe
halbwüchsiger Eichen, Tannen, Birken und Buchen.
Unter den Tannen fand ich ein herabgeworfenes Gewölle
eines Raubvogels; ich zeigte es Goethen, der mir er¬
wiederte, daß er dergleichen an dieser Stelle häufig ge¬
funden, woraus ich schloß, daß diese Tannen ein be¬
liebter Aufenthalt einiger Eulen seyn mögen, die in
dieser Gegend häufig gefunden werden.

Wir traten um die Baumgruppe herum und befan¬
den uns wieder an dem Hauptwege in der Nähe des
Hauses. Die so eben umschrittenen Eichen, Tannen,
Birken und Buchen, wie sie untermischt stehen, bilden
hier einen Halbkreis, den innern Raum grottenartig
überwölbend, worin wir uns auf kleinen Stühlen setzten
die einen runden Tisch umgaben. Die Sonne war so
mächtig, daß der geringe Schatten dieser blätterlosen

vom fuͤrſtlichen Park heruͤbergekommen zu ſeyn ſchien;
wobey Goethe mir ſagte, daß er in Sommertagen die
Pfauen durch ein beliebtes Futter heruͤberzulocken und
herzugewoͤhnen pflege.

An der anderen Seite den ſich ſchlaͤngelnden Weg
herabkommend, fand ich von Gebuͤſch umgeben einen
Stein mit den eingehauenen Verſen des bekannten
Gedichtes:

„Hier im Stillen gedachte der Liebende ſeiner Geliebten“
und ich hatte das Gefuͤhl, daß ich mich an einer claſſi¬
ſchen Stelle befinde.

Ganz nahe dabey kamen wir auf eine Baumgruppe
halbwuͤchſiger Eichen, Tannen, Birken und Buchen.
Unter den Tannen fand ich ein herabgeworfenes Gewoͤlle
eines Raubvogels; ich zeigte es Goethen, der mir er¬
wiederte, daß er dergleichen an dieſer Stelle haͤufig ge¬
funden, woraus ich ſchloß, daß dieſe Tannen ein be¬
liebter Aufenthalt einiger Eulen ſeyn moͤgen, die in
dieſer Gegend haͤufig gefunden werden.

Wir traten um die Baumgruppe herum und befan¬
den uns wieder an dem Hauptwege in der Naͤhe des
Hauſes. Die ſo eben umſchrittenen Eichen, Tannen,
Birken und Buchen, wie ſie untermiſcht ſtehen, bilden
hier einen Halbkreis, den innern Raum grottenartig
uͤberwoͤlbend, worin wir uns auf kleinen Stuͤhlen ſetzten
die einen runden Tiſch umgaben. Die Sonne war ſo
maͤchtig, daß der geringe Schatten dieſer blaͤtterloſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0158" n="138"/>
vom fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Park heru&#x0364;bergekommen zu &#x017F;eyn &#x017F;chien;<lb/>
wobey Goethe mir &#x017F;agte, daß er in Sommertagen die<lb/>
Pfauen durch ein beliebtes Futter heru&#x0364;berzulocken und<lb/>
herzugewo&#x0364;hnen pflege.</p><lb/>
          <p>An der anderen Seite den &#x017F;ich &#x017F;chla&#x0364;ngelnden Weg<lb/>
herabkommend, fand ich von Gebu&#x0364;&#x017F;ch umgeben einen<lb/>
Stein mit den eingehauenen Ver&#x017F;en des bekannten<lb/>
Gedichtes:<lb/><lg type="poem"><l>&#x201E;Hier im Stillen gedachte der Liebende &#x017F;einer Geliebten&#x201C;</l></lg><lb/>
und ich hatte das Gefu&#x0364;hl, daß ich mich an einer cla&#x017F;&#x017F;<lb/>
&#x017F;chen Stelle befinde.</p><lb/>
          <p>Ganz nahe dabey kamen wir auf eine Baumgruppe<lb/>
halbwu&#x0364;ch&#x017F;iger Eichen, Tannen, Birken und Buchen.<lb/>
Unter den Tannen fand ich ein herabgeworfenes Gewo&#x0364;lle<lb/>
eines Raubvogels; ich zeigte es Goethen, der mir er¬<lb/>
wiederte, daß er dergleichen an die&#x017F;er Stelle ha&#x0364;ufig ge¬<lb/>
funden, woraus ich &#x017F;chloß, daß die&#x017F;e Tannen ein be¬<lb/>
liebter Aufenthalt einiger Eulen &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, die in<lb/>
die&#x017F;er Gegend ha&#x0364;ufig gefunden werden.</p><lb/>
          <p>Wir traten um die Baumgruppe herum und befan¬<lb/>
den uns wieder an dem Hauptwege in der Na&#x0364;he des<lb/>
Hau&#x017F;es. Die &#x017F;o eben um&#x017F;chrittenen Eichen, Tannen,<lb/>
Birken und Buchen, wie &#x017F;ie untermi&#x017F;cht &#x017F;tehen, bilden<lb/>
hier einen Halbkreis, den innern Raum grottenartig<lb/>
u&#x0364;berwo&#x0364;lbend, worin wir uns auf kleinen Stu&#x0364;hlen &#x017F;etzten<lb/>
die einen runden Ti&#x017F;ch umgaben. Die Sonne war &#x017F;o<lb/>
ma&#x0364;chtig, daß der geringe Schatten die&#x017F;er bla&#x0364;tterlo&#x017F;en<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0158] vom fuͤrſtlichen Park heruͤbergekommen zu ſeyn ſchien; wobey Goethe mir ſagte, daß er in Sommertagen die Pfauen durch ein beliebtes Futter heruͤberzulocken und herzugewoͤhnen pflege. An der anderen Seite den ſich ſchlaͤngelnden Weg herabkommend, fand ich von Gebuͤſch umgeben einen Stein mit den eingehauenen Verſen des bekannten Gedichtes: „Hier im Stillen gedachte der Liebende ſeiner Geliebten“ und ich hatte das Gefuͤhl, daß ich mich an einer claſſi¬ ſchen Stelle befinde. Ganz nahe dabey kamen wir auf eine Baumgruppe halbwuͤchſiger Eichen, Tannen, Birken und Buchen. Unter den Tannen fand ich ein herabgeworfenes Gewoͤlle eines Raubvogels; ich zeigte es Goethen, der mir er¬ wiederte, daß er dergleichen an dieſer Stelle haͤufig ge¬ funden, woraus ich ſchloß, daß dieſe Tannen ein be¬ liebter Aufenthalt einiger Eulen ſeyn moͤgen, die in dieſer Gegend haͤufig gefunden werden. Wir traten um die Baumgruppe herum und befan¬ den uns wieder an dem Hauptwege in der Naͤhe des Hauſes. Die ſo eben umſchrittenen Eichen, Tannen, Birken und Buchen, wie ſie untermiſcht ſtehen, bilden hier einen Halbkreis, den innern Raum grottenartig uͤberwoͤlbend, worin wir uns auf kleinen Stuͤhlen ſetzten die einen runden Tiſch umgaben. Die Sonne war ſo maͤchtig, daß der geringe Schatten dieſer blaͤtterloſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/158
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe01_1836/158>, abgerufen am 27.04.2024.