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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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lachen und heiteres Gespräch führen. Dann an¬
deren Tages bei schönem Wetter war er im Wa¬
gen neben mir, im braunen Oberrock und blauer
Tuchmütze, den hellgrauen Mantel über seine
Kniee gelegt. Seine Gesichtsfarbe braun-gesund,
wie die frische Luft; sein Gespräch geistreich in
die freie Welt hinein, das Geräusch des Wagens
übertönend. Oder ich sah mich Abends bei stil¬
lem Kerzenlicht wieder in sein Studierzimmer
versetzt, wo er im weißen flanellenen Schlafrock
am Tische mir gegenüber saß, milde, wie die
Stimmung eines gut verlebten Tages. Wir spra¬
chen über große und gute Dinge, er kehrte das
Edelste, was in seiner Natur lag, mir entgegen;
mein Geist entzündete sich an dem seinigen. Es
war zwischen uns die innigste Harmonie; er
reichte mir über den Tisch herüber seine Hand,
die ich drückte. Dann ergriff ich wohl ein neben
mir stehendes gefülltes Glas, das ich, ohne etwas
zu sagen, ihm zutrank, indem meine Blicke über
den Wein hin in seinen Augen ruhten.

So war ich ihm in voller Lebendigkeit wieder
zugesellt und seine Worte klangen wieder wie ehemals.

lachen und heiteres Geſpräch führen. Dann an¬
deren Tages bei ſchönem Wetter war er im Wa¬
gen neben mir, im braunen Oberrock und blauer
Tuchmütze, den hellgrauen Mantel über ſeine
Kniee gelegt. Seine Geſichtsfarbe braun-geſund,
wie die friſche Luft; ſein Geſpräch geiſtreich in
die freie Welt hinein, das Geräuſch des Wagens
übertönend. Oder ich ſah mich Abends bei ſtil¬
lem Kerzenlicht wieder in ſein Studierzimmer
verſetzt, wo er im weißen flanellenen Schlafrock
am Tiſche mir gegenüber ſaß, milde, wie die
Stimmung eines gut verlebten Tages. Wir ſpra¬
chen über große und gute Dinge, er kehrte das
Edelſte, was in ſeiner Natur lag, mir entgegen;
mein Geiſt entzündete ſich an dem ſeinigen. Es
war zwiſchen uns die innigſte Harmonie; er
reichte mir über den Tiſch herüber ſeine Hand,
die ich drückte. Dann ergriff ich wohl ein neben
mir ſtehendes gefülltes Glas, das ich, ohne etwas
zu ſagen, ihm zutrank, indem meine Blicke über
den Wein hin in ſeinen Augen ruhten.

So war ich ihm in voller Lebendigkeit wieder
zugeſellt und ſeine Worte klangen wieder wie ehemals.

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[lX/0015] lachen und heiteres Geſpräch führen. Dann an¬ deren Tages bei ſchönem Wetter war er im Wa¬ gen neben mir, im braunen Oberrock und blauer Tuchmütze, den hellgrauen Mantel über ſeine Kniee gelegt. Seine Geſichtsfarbe braun-geſund, wie die friſche Luft; ſein Geſpräch geiſtreich in die freie Welt hinein, das Geräuſch des Wagens übertönend. Oder ich ſah mich Abends bei ſtil¬ lem Kerzenlicht wieder in ſein Studierzimmer verſetzt, wo er im weißen flanellenen Schlafrock am Tiſche mir gegenüber ſaß, milde, wie die Stimmung eines gut verlebten Tages. Wir ſpra¬ chen über große und gute Dinge, er kehrte das Edelſte, was in ſeiner Natur lag, mir entgegen; mein Geiſt entzündete ſich an dem ſeinigen. Es war zwiſchen uns die innigſte Harmonie; er reichte mir über den Tiſch herüber ſeine Hand, die ich drückte. Dann ergriff ich wohl ein neben mir ſtehendes gefülltes Glas, das ich, ohne etwas zu ſagen, ihm zutrank, indem meine Blicke über den Wein hin in ſeinen Augen ruhten. So war ich ihm in voller Lebendigkeit wieder zugeſellt und ſeine Worte klangen wieder wie ehemals.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. lX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/15>, abgerufen am 29.04.2024.