Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich
noch eine Weile sehr streng und ernsthaft mit ihr
gesprochen, wovon sie aber nur wenig verstanden,
und wäre dann ohne Abschied fortgegangen. --

Ich erschrack nicht wenig über diese Rede, denn
ich war jenen Abend nicht von meinem Schlosse
weggekommen. Während sie noch so erzählte, be¬
merkte ich, daß sie plötzlich blaß wurde und starr
auf einen Fleck im Walde hinsah. Ich konnte nir¬
gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal
für todt auf die Erde. --

Als sie sich zu Hause, wohin ich sie gebracht,
nach einiger Zeit wieder erholt hatte, schien sie sich
ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬
ner sonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr
wieder kommen. Ich mußt' es ihr versprechen, um
sie einigermassen zu beruhigen. Demohngeachtet
trieb mich die Besorgniß um das Mädchen und die
Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um
wenigstens von der Mutter etwas zu erfahren.

Es war schon ziemlich spät, der Mond schien
wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich
hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen,
mondhellen Platz herumbeuge, steigt auf einmal
mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in
die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und
unbeweglich an einem Baume, stehe Ich selber leib¬
haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬
stern sagte; mir grauste durch Mark und Bein bey

Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich
noch eine Weile ſehr ſtreng und ernſthaft mit ihr
geſprochen, wovon ſie aber nur wenig verſtanden,
und wäre dann ohne Abſchied fortgegangen. —

Ich erſchrack nicht wenig über dieſe Rede, denn
ich war jenen Abend nicht von meinem Schloſſe
weggekommen. Während ſie noch ſo erzählte, be¬
merkte ich, daß ſie plötzlich blaß wurde und ſtarr
auf einen Fleck im Walde hinſah. Ich konnte nir¬
gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal
für todt auf die Erde. —

Als ſie ſich zu Hauſe, wohin ich ſie gebracht,
nach einiger Zeit wieder erholt hatte, ſchien ſie ſich
ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬
ner ſonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr
wieder kommen. Ich mußt' es ihr verſprechen, um
ſie einigermaſſen zu beruhigen. Demohngeachtet
trieb mich die Beſorgniß um das Mädchen und die
Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um
wenigſtens von der Mutter etwas zu erfahren.

Es war ſchon ziemlich ſpät, der Mond ſchien
wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich
hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen,
mondhellen Platz herumbeuge, ſteigt auf einmal
mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in
die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und
unbeweglich an einem Baume, ſtehe Ich ſelber leib¬
haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬
ſtern ſagte; mir grauſte durch Mark und Bein bey

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0408" n="402"/>
Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich<lb/>
noch eine Weile &#x017F;ehr &#x017F;treng und ern&#x017F;thaft mit ihr<lb/>
ge&#x017F;prochen, wovon &#x017F;ie aber nur wenig ver&#x017F;tanden,<lb/>
und wäre dann ohne Ab&#x017F;chied fortgegangen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich er&#x017F;chrack nicht wenig über die&#x017F;e Rede, denn<lb/>
ich war jenen Abend nicht von meinem Schlo&#x017F;&#x017F;e<lb/>
weggekommen. Während &#x017F;ie noch &#x017F;o erzählte, be¬<lb/>
merkte ich, daß &#x017F;ie plötzlich blaß wurde und &#x017F;tarr<lb/>
auf einen Fleck im Walde hin&#x017F;ah. Ich konnte nir¬<lb/>
gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal<lb/>
für todt auf die Erde. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Als &#x017F;ie &#x017F;ich zu Hau&#x017F;e, wohin ich &#x017F;ie gebracht,<lb/>
nach einiger Zeit wieder erholt hatte, &#x017F;chien &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬<lb/>
ner &#x017F;onderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr<lb/>
wieder kommen. Ich mußt' es ihr ver&#x017F;prechen, um<lb/>
&#x017F;ie einigerma&#x017F;&#x017F;en zu beruhigen. Demohngeachtet<lb/>
trieb mich die Be&#x017F;orgniß um das Mädchen und die<lb/>
Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um<lb/>
wenig&#x017F;tens von der Mutter etwas zu erfahren.</p><lb/>
          <p>Es war &#x017F;chon ziemlich &#x017F;pät, der Mond &#x017F;chien<lb/>
wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich<lb/>
hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen,<lb/>
mondhellen Platz herumbeuge, &#x017F;teigt auf einmal<lb/>
mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in<lb/>
die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und<lb/>
unbeweglich an einem Baume, &#x017F;tehe Ich &#x017F;elber leib¬<lb/>
haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬<lb/>
&#x017F;tern &#x017F;agte; mir grau&#x017F;te durch Mark und Bein bey<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0408] Gott als die Männer zu lieben, darauf hätte ich noch eine Weile ſehr ſtreng und ernſthaft mit ihr geſprochen, wovon ſie aber nur wenig verſtanden, und wäre dann ohne Abſchied fortgegangen. — Ich erſchrack nicht wenig über dieſe Rede, denn ich war jenen Abend nicht von meinem Schloſſe weggekommen. Während ſie noch ſo erzählte, be¬ merkte ich, daß ſie plötzlich blaß wurde und ſtarr auf einen Fleck im Walde hinſah. Ich konnte nir¬ gends etwas erblicken, aber Sie fiel auf einmal für todt auf die Erde. — Als ſie ſich zu Hauſe, wohin ich ſie gebracht, nach einiger Zeit wieder erholt hatte, ſchien ſie ſich ordentlich vor mir zu fürchten und bat mich in ei¬ ner ſonderbaren Gemüthsbewegung, niemals mehr wieder kommen. Ich mußt' es ihr verſprechen, um ſie einigermaſſen zu beruhigen. Demohngeachtet trieb mich die Beſorgniß um das Mädchen und die Neugierde den folgenden Abend wieder hinaus, um wenigſtens von der Mutter etwas zu erfahren. Es war ſchon ziemlich ſpät, der Mond ſchien wie heute. Als ich in dem Walde, durch den ich hindurch mußte, eben auf einem etwas freyen, mondhellen Platz herumbeuge, ſteigt auf einmal mein Pferd und mein eignes Haar vom Kopf in die Höh'. Denn einige Schritt' vor mir, lang und unbeweglich an einem Baume, ſtehe Ich ſelber leib¬ haftig. Mir fiel dabey ein, was das Mädchen ge¬ ſtern ſagte; mir grauſte durch Mark und Bein bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/408
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/408>, abgerufen am 14.05.2024.