Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Viel' Hochzeitleute drehen
Da oben laut und bunt,
Sie bleibet einsam stehen,
Und lauschet in den Grund.
Und wie sie tanzten munter,
Und Schiff und Schiffer schwand,
Stieg sie vom Schloß hinunter,
Bis sie im Garten stand.
Die Spielleut' musizirten,
Sie sann gar mancherley,
Die Töne sie so rührten,
Als müßt' das Herz entzwey.
Da trat ihr Bräut'gam süsse
Zu ihr aus stiller Nacht,
So freundlich er sie grüßte,
Daß ihr das Herze lacht.
Er sprach: "Was willst Du weinen,
Weil alle fröhlich sey'n?
Die Stern' so helle scheinen,
So lustig geht der Rhein.
Das Kränzlein in den Haaren,
Steht Dir so wunderfein,
Wir wollen etwas fahren,
Hinunter auf dem Rhein."
Zum Kahn' folgt' sie behende,
Setzt' sich ganz vorne hin,
Er setzt' sich an das Ende
Und ließ das Schifflein zieh'n.
Sie sprach: "Die Töne kommen
Verworren durch den Wind,
Die Fenster sind verglommen,
Wir fahren so geschwind.
Viel' Hochzeitleute drehen
Da oben laut und bunt,
Sie bleibet einſam ſtehen,
Und lauſchet in den Grund.
Und wie ſie tanzten munter,
Und Schiff und Schiffer ſchwand,
Stieg ſie vom Schloß hinunter,
Bis ſie im Garten ſtand.
Die Spielleut' muſizirten,
Sie ſann gar mancherley,
Die Töne ſie ſo rührten,
Als müßt' das Herz entzwey.
Da trat ihr Bräut'gam ſüſſe
Zu ihr aus ſtiller Nacht,
So freundlich er ſie grüßte,
Daß ihr das Herze lacht.
Er ſprach: „Was willſt Du weinen,
Weil alle fröhlich ſey'n?
Die Stern' ſo helle ſcheinen,
So luſtig geht der Rhein.
Das Kränzlein in den Haaren,
Steht Dir ſo wunderfein,
Wir wollen etwas fahren,
Hinunter auf dem Rhein.“
Zum Kahn' folgt' ſie behende,
Setzt' ſich ganz vorne hin,
Er ſetzt' ſich an das Ende
Und ließ das Schifflein zieh'n.
Sie ſprach: „Die Töne kommen
Verworren durch den Wind,
Die Fenſter ſind verglommen,
Wir fahren ſo geſchwind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0447" n="441"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l rendition="#et">Viel' Hochzeitleute drehen</l><lb/>
              <l>Da oben laut und bunt,</l><lb/>
              <l>Sie bleibet ein&#x017F;am &#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>Und lau&#x017F;chet in den Grund.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l rendition="#et">Und wie &#x017F;ie tanzten munter,</l><lb/>
              <l>Und Schiff und Schiffer &#x017F;chwand,</l><lb/>
              <l>Stieg &#x017F;ie vom Schloß hinunter,</l><lb/>
              <l>Bis &#x017F;ie im Garten &#x017F;tand.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l rendition="#et">Die Spielleut' mu&#x017F;izirten,</l><lb/>
              <l>Sie &#x017F;ann gar mancherley,</l><lb/>
              <l>Die Töne &#x017F;ie &#x017F;o rührten,</l><lb/>
              <l>Als müßt' das Herz entzwey.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l rendition="#et">Da trat ihr Bräut'gam &#x017F;ü&#x017F;&#x017F;e</l><lb/>
              <l>Zu ihr aus &#x017F;tiller Nacht,</l><lb/>
              <l>So freundlich er &#x017F;ie grüßte,</l><lb/>
              <l>Daß ihr das Herze lacht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l rendition="#et">Er &#x017F;prach: &#x201E;Was will&#x017F;t Du weinen,</l><lb/>
              <l>Weil alle fröhlich &#x017F;ey'n?</l><lb/>
              <l>Die Stern' &#x017F;o helle &#x017F;cheinen,</l><lb/>
              <l>So lu&#x017F;tig geht der Rhein.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="6">
              <l rendition="#et">Das Kränzlein in den Haaren,</l><lb/>
              <l>Steht Dir &#x017F;o wunderfein,</l><lb/>
              <l>Wir wollen etwas fahren,</l><lb/>
              <l>Hinunter auf dem Rhein.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="7">
              <l rendition="#et">Zum Kahn' folgt' &#x017F;ie behende,</l><lb/>
              <l>Setzt' &#x017F;ich ganz vorne hin,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;etzt' &#x017F;ich an das Ende</l><lb/>
              <l>Und ließ das Schifflein zieh'n.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="8">
              <l rendition="#et">Sie &#x017F;prach: &#x201E;Die Töne kommen</l><lb/>
              <l>Verworren durch den Wind,</l><lb/>
              <l>Die Fen&#x017F;ter &#x017F;ind verglommen,</l><lb/>
              <l>Wir fahren &#x017F;o ge&#x017F;chwind.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[441/0447] Viel' Hochzeitleute drehen Da oben laut und bunt, Sie bleibet einſam ſtehen, Und lauſchet in den Grund. Und wie ſie tanzten munter, Und Schiff und Schiffer ſchwand, Stieg ſie vom Schloß hinunter, Bis ſie im Garten ſtand. Die Spielleut' muſizirten, Sie ſann gar mancherley, Die Töne ſie ſo rührten, Als müßt' das Herz entzwey. Da trat ihr Bräut'gam ſüſſe Zu ihr aus ſtiller Nacht, So freundlich er ſie grüßte, Daß ihr das Herze lacht. Er ſprach: „Was willſt Du weinen, Weil alle fröhlich ſey'n? Die Stern' ſo helle ſcheinen, So luſtig geht der Rhein. Das Kränzlein in den Haaren, Steht Dir ſo wunderfein, Wir wollen etwas fahren, Hinunter auf dem Rhein.“ Zum Kahn' folgt' ſie behende, Setzt' ſich ganz vorne hin, Er ſetzt' ſich an das Ende Und ließ das Schifflein zieh'n. Sie ſprach: „Die Töne kommen Verworren durch den Wind, Die Fenſter ſind verglommen, Wir fahren ſo geſchwind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/447
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/447>, abgerufen am 14.05.2024.