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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Denn eine Zeit wird kommen,
Da macht der Herr ein End',
Da wird den Falschen genommen
Ihr unächtes Regiment.
Denn, wie die Erze vom Hammer,
So wird das lock're Geschlecht,
Gehau'n seyn von Noth und Jammer,
Zu festem Eisen recht.
Da wird Aurora tagen,
Hoch über den Wald hinauf,
Da giebt's was zu siegen und schlagen,
Da wacht, ihr Getreuen, auf!

Und so, sagte er, will ich denn in dem noch
unberührten Waldesgrün eines anderen Welttheils
Herz und Augen stärken, und mir die Ehre und
die Erinnerung an die vergangene große Zeit, so
wie den tiefen Schmerz über die gegenwärtige hei¬
lig bewahren, damit ich der künftigen besseren, die
wir alle hoffen, würdig bleibe, und sie mich wach
und rüstig finde. Und Du, fuhr er zu Julien ge¬
wendet fort, wirst Du ganz ein Weib seyn, und,
wie Shakespear sagt, dich dem Triebe hingeben,
der dich zügellos ergreift und dahin oder dorthin
reißt, oder wirst du immer Muth genug haben,
dein Leben etwas Höherem unterzuordnen? Und
dämmert endlich die Zeit heran, die mich Gott er¬
leben lasse! wirst du fröhlich sagen können: Ziehe
hin! denn was du willst und sollst, ist mehr werth,
als dein und mein Leben? -- Julie nahm ihm fröh¬
lich die Guitarre aus der Hand und antwortete mit
folgender Romanze:

Denn eine Zeit wird kommen,
Da macht der Herr ein End',
Da wird den Falſchen genommen
Ihr unächtes Regiment.
Denn, wie die Erze vom Hammer,
So wird das lock're Geſchlecht,
Gehau'n ſeyn von Noth und Jammer,
Zu feſtem Eiſen recht.
Da wird Aurora tagen,
Hoch über den Wald hinauf,
Da giebt's was zu ſiegen und ſchlagen,
Da wacht, ihr Getreuen, auf!

Und ſo, ſagte er, will ich denn in dem noch
unberührten Waldesgrün eines anderen Welttheils
Herz und Augen ſtärken, und mir die Ehre und
die Erinnerung an die vergangene große Zeit, ſo
wie den tiefen Schmerz über die gegenwärtige hei¬
lig bewahren, damit ich der künftigen beſſeren, die
wir alle hoffen, würdig bleibe, und ſie mich wach
und rüſtig finde. Und Du, fuhr er zu Julien ge¬
wendet fort, wirſt Du ganz ein Weib ſeyn, und,
wie Shakeſpear ſagt, dich dem Triebe hingeben,
der dich zügellos ergreift und dahin oder dorthin
reißt, oder wirſt du immer Muth genug haben,
dein Leben etwas Höherem unterzuordnen? Und
dämmert endlich die Zeit heran, die mich Gott er¬
leben laſſe! wirſt du fröhlich ſagen können: Ziehe
hin! denn was du willſt und ſollſt, iſt mehr werth,
als dein und mein Leben? — Julie nahm ihm fröh¬
lich die Guitarre aus der Hand und antwortete mit
folgender Romanze:

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[462/0468] Denn eine Zeit wird kommen, Da macht der Herr ein End', Da wird den Falſchen genommen Ihr unächtes Regiment. Denn, wie die Erze vom Hammer, So wird das lock're Geſchlecht, Gehau'n ſeyn von Noth und Jammer, Zu feſtem Eiſen recht. Da wird Aurora tagen, Hoch über den Wald hinauf, Da giebt's was zu ſiegen und ſchlagen, Da wacht, ihr Getreuen, auf! Und ſo, ſagte er, will ich denn in dem noch unberührten Waldesgrün eines anderen Welttheils Herz und Augen ſtärken, und mir die Ehre und die Erinnerung an die vergangene große Zeit, ſo wie den tiefen Schmerz über die gegenwärtige hei¬ lig bewahren, damit ich der künftigen beſſeren, die wir alle hoffen, würdig bleibe, und ſie mich wach und rüſtig finde. Und Du, fuhr er zu Julien ge¬ wendet fort, wirſt Du ganz ein Weib ſeyn, und, wie Shakeſpear ſagt, dich dem Triebe hingeben, der dich zügellos ergreift und dahin oder dorthin reißt, oder wirſt du immer Muth genug haben, dein Leben etwas Höherem unterzuordnen? Und dämmert endlich die Zeit heran, die mich Gott er¬ leben laſſe! wirſt du fröhlich ſagen können: Ziehe hin! denn was du willſt und ſollſt, iſt mehr werth, als dein und mein Leben? — Julie nahm ihm fröh¬ lich die Guitarre aus der Hand und antwortete mit folgender Romanze:

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/468>, abgerufen am 29.04.2024.