Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Ach, von dem weichen Pfühle
Was treibt dich irr' umher?
Bey meinem Saitenspiele
Schlafe, was willst du mehr?
Bey meinem Saitenspiele
Heben dich allzusehr
Die ewigen Gefühle;
Schlafe, was willst du mehr?
Die ewigen Gefühle,
Schnupfen und Husten schwer,
Zieh'n durch die nächt'ge Kühle;
Schlafe, was willst du mehr?
Zieh'n durch die nächt'ge Kühle
Mir den Verliebten her
Hoch auf schwindliche Pfühle;
Schlafe, was willst du mehr?
Hoch auf schwindlichem Pfühle
Zähle der Sterne Heer;
Und so dir das mißfiele:
Schlafe, was willst du mehr?

Friedrich konnte die Stimme nicht erkennen;
sie schien ihm mit Fleiß verändert und verstellt.
Mit besonders komischem Ausdruck wurde jedesmal
das: Schlafe, was willst du mehr? wiederholt.
Er sprang auf und trat ans Fenster. Da sah er
einen dunkeln Schatten schnell über den mondhellen
Platz vor dem Hause vorüberlaufen und zwischen
den Bäumen verschwinden. Er horchte noch lange
Zeit dort hinaus, aber alles blieb still die ganze
Nacht hindurch.


Ach, von dem weichen Pfühle
Was treibt dich irr' umher?
Bey meinem Saitenſpiele
Schlafe, was willſt du mehr?
Bey meinem Saitenſpiele
Heben dich allzuſehr
Die ewigen Gefühle;
Schlafe, was willſt du mehr?
Die ewigen Gefühle,
Schnupfen und Huſten ſchwer,
Zieh'n durch die nächt'ge Kühle;
Schlafe, was willſt du mehr?
Zieh'n durch die nächt'ge Kühle
Mir den Verliebten her
Hoch auf ſchwindliche Pfühle;
Schlafe, was willſt du mehr?
Hoch auf ſchwindlichem Pfühle
Zähle der Sterne Heer;
Und ſo dir das mißfiele:
Schlafe, was willſt du mehr?

Friedrich konnte die Stimme nicht erkennen;
ſie ſchien ihm mit Fleiß verändert und verſtellt.
Mit beſonders komiſchem Ausdruck wurde jedesmal
das: Schlafe, was willſt du mehr? wiederholt.
Er ſprang auf und trat ans Fenſter. Da ſah er
einen dunkeln Schatten ſchnell über den mondhellen
Platz vor dem Hauſe vorüberlaufen und zwiſchen
den Bäumen verſchwinden. Er horchte noch lange
Zeit dort hinaus, aber alles blieb ſtill die ganze
Nacht hindurch.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0092" n="86"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l rendition="#et">Ach, von dem weichen Pfühle</l><lb/>
              <l>Was treibt dich irr' umher?</l><lb/>
              <l>Bey meinem Saiten&#x017F;piele</l><lb/>
              <l>Schlafe, was will&#x017F;t du mehr?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l rendition="#et">Bey meinem Saiten&#x017F;piele</l><lb/>
              <l>Heben dich allzu&#x017F;ehr</l><lb/>
              <l>Die ewigen Gefühle;</l><lb/>
              <l>Schlafe, was will&#x017F;t du mehr?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l rendition="#et">Die ewigen Gefühle,</l><lb/>
              <l>Schnupfen und Hu&#x017F;ten &#x017F;chwer,</l><lb/>
              <l>Zieh'n durch die nächt'ge Kühle;</l><lb/>
              <l>Schlafe, was will&#x017F;t du mehr?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l rendition="#et">Zieh'n durch die nächt'ge Kühle</l><lb/>
              <l>Mir den Verliebten her</l><lb/>
              <l>Hoch auf &#x017F;chwindliche Pfühle;</l><lb/>
              <l>Schlafe, was will&#x017F;t du mehr?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l rendition="#et">Hoch auf &#x017F;chwindlichem Pfühle</l><lb/>
              <l>Zähle der Sterne Heer;</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;o dir das mißfiele:</l><lb/>
              <l>Schlafe, was will&#x017F;t du mehr?</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <p><hi rendition="#g">Friedrich</hi> konnte die Stimme nicht erkennen;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chien ihm mit Fleiß verändert und ver&#x017F;tellt.<lb/>
Mit be&#x017F;onders komi&#x017F;chem Ausdruck wurde jedesmal<lb/>
das: Schlafe, was will&#x017F;t du mehr? wiederholt.<lb/>
Er &#x017F;prang auf und trat ans Fen&#x017F;ter. Da &#x017F;ah er<lb/>
einen dunkeln Schatten &#x017F;chnell über den mondhellen<lb/>
Platz vor dem Hau&#x017F;e vorüberlaufen und zwi&#x017F;chen<lb/>
den Bäumen ver&#x017F;chwinden. Er horchte noch lange<lb/>
Zeit dort hinaus, aber alles blieb &#x017F;till die ganze<lb/>
Nacht hindurch.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0092] Ach, von dem weichen Pfühle Was treibt dich irr' umher? Bey meinem Saitenſpiele Schlafe, was willſt du mehr? Bey meinem Saitenſpiele Heben dich allzuſehr Die ewigen Gefühle; Schlafe, was willſt du mehr? Die ewigen Gefühle, Schnupfen und Huſten ſchwer, Zieh'n durch die nächt'ge Kühle; Schlafe, was willſt du mehr? Zieh'n durch die nächt'ge Kühle Mir den Verliebten her Hoch auf ſchwindliche Pfühle; Schlafe, was willſt du mehr? Hoch auf ſchwindlichem Pfühle Zähle der Sterne Heer; Und ſo dir das mißfiele: Schlafe, was willſt du mehr? Friedrich konnte die Stimme nicht erkennen; ſie ſchien ihm mit Fleiß verändert und verſtellt. Mit beſonders komiſchem Ausdruck wurde jedesmal das: Schlafe, was willſt du mehr? wiederholt. Er ſprang auf und trat ans Fenſter. Da ſah er einen dunkeln Schatten ſchnell über den mondhellen Platz vor dem Hauſe vorüberlaufen und zwiſchen den Bäumen verſchwinden. Er horchte noch lange Zeit dort hinaus, aber alles blieb ſtill die ganze Nacht hindurch.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/92
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/92>, abgerufen am 01.05.2024.