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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Das war eine gesunde Motion -- sagte Lothario
lachend -- als sie draußen waren -- aber Mensch,
sehen Sie nicht so trübe aus! Schreiben Sie noch
heut nach Hohenstein um Geld, treu, klar und auf¬
richtig; Sie kriegen des Plunders genug; wer ehrlich
will, was er soll, der kann auch, was er will! --
Mit diesen Worten wandte er sich wieder in den Gar¬
ten. Otto stand noch lange zweifelnd still, dann aber
eilte er auf sein einsames Stübchen, um sogleich den
guten Rath zu befolgen. -- Als er oben am offenen
Fenster saß, tanzte schon das Abendgold durch das
Weinlaub so lustig über das reine Blatt vor ihm. Er
stand oft im Schreiben auf und lehnte sich zum Fen¬
ster hinaus. Die Abendsonne beschien draußen die
herbstliche Gegend, die Wandervögel zogen über das
Haus fort, seine ganze Seele war voll fröhlicher Ver¬
heißung und zog mit ihnen in die schöne, wunderbare
Ferne hinaus.

Währenddeß kehrte unten der Fürst mit mehreren
Begleitern von einem Ausfluge heim. Sie ritten zwi¬
schen den einsamen Felsenwänden den kühlen Strom
entlang, die Wälder glühten im buntfarbigen Herbst¬
schmuck. Da erblickten sie hoch über sich auf einem
überhangenden Felsen die Gräfin Juanna, unter wil¬
den Waldblumen nach dem Strome hinabgebeugt, daß
die dunklen Locken Stirn und Wangen bedeckten. --

Das war eine geſunde Motion — ſagte Lothario
lachend — als ſie draußen waren — aber Menſch,
ſehen Sie nicht ſo truͤbe aus! Schreiben Sie noch
heut nach Hohenſtein um Geld, treu, klar und auf¬
richtig; Sie kriegen des Plunders genug; wer ehrlich
will, was er ſoll, der kann auch, was er will! —
Mit dieſen Worten wandte er ſich wieder in den Gar¬
ten. Otto ſtand noch lange zweifelnd ſtill, dann aber
eilte er auf ſein einſames Stuͤbchen, um ſogleich den
guten Rath zu befolgen. — Als er oben am offenen
Fenſter ſaß, tanzte ſchon das Abendgold durch das
Weinlaub ſo luſtig uͤber das reine Blatt vor ihm. Er
ſtand oft im Schreiben auf und lehnte ſich zum Fen¬
ſter hinaus. Die Abendſonne beſchien draußen die
herbſtliche Gegend, die Wandervoͤgel zogen uͤber das
Haus fort, ſeine ganze Seele war voll froͤhlicher Ver¬
heißung und zog mit ihnen in die ſchoͤne, wunderbare
Ferne hinaus.

Waͤhrenddeß kehrte unten der Fuͤrſt mit mehreren
Begleitern von einem Ausfluge heim. Sie ritten zwi¬
ſchen den einſamen Felſenwaͤnden den kuͤhlen Strom
entlang, die Waͤlder gluͤhten im buntfarbigen Herbſt¬
ſchmuck. Da erblickten ſie hoch uͤber ſich auf einem
uͤberhangenden Felſen die Graͤfin Juanna, unter wil¬
den Waldblumen nach dem Strome hinabgebeugt, daß
die dunklen Locken Stirn und Wangen bedeckten. —

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[152/0159] Das war eine geſunde Motion — ſagte Lothario lachend — als ſie draußen waren — aber Menſch, ſehen Sie nicht ſo truͤbe aus! Schreiben Sie noch heut nach Hohenſtein um Geld, treu, klar und auf¬ richtig; Sie kriegen des Plunders genug; wer ehrlich will, was er ſoll, der kann auch, was er will! — Mit dieſen Worten wandte er ſich wieder in den Gar¬ ten. Otto ſtand noch lange zweifelnd ſtill, dann aber eilte er auf ſein einſames Stuͤbchen, um ſogleich den guten Rath zu befolgen. — Als er oben am offenen Fenſter ſaß, tanzte ſchon das Abendgold durch das Weinlaub ſo luſtig uͤber das reine Blatt vor ihm. Er ſtand oft im Schreiben auf und lehnte ſich zum Fen¬ ſter hinaus. Die Abendſonne beſchien draußen die herbſtliche Gegend, die Wandervoͤgel zogen uͤber das Haus fort, ſeine ganze Seele war voll froͤhlicher Ver¬ heißung und zog mit ihnen in die ſchoͤne, wunderbare Ferne hinaus. Waͤhrenddeß kehrte unten der Fuͤrſt mit mehreren Begleitern von einem Ausfluge heim. Sie ritten zwi¬ ſchen den einſamen Felſenwaͤnden den kuͤhlen Strom entlang, die Waͤlder gluͤhten im buntfarbigen Herbſt¬ ſchmuck. Da erblickten ſie hoch uͤber ſich auf einem uͤberhangenden Felſen die Graͤfin Juanna, unter wil¬ den Waldblumen nach dem Strome hinabgebeugt, daß die dunklen Locken Stirn und Wangen bedeckten. —

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/159>, abgerufen am 28.04.2024.