Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

blick stutzte schnaubend und stürzte sich seitwärts in den
Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin
nicht folgen. Da hielt Juanna plötzlich über Fortu¬
naten in der wilden Einsamkeit, die Hunde streckten
sich lechzend zu ihren Füßen. Seht, der ist frei --
sagte sie, die schwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬
sicht schüttelnd -- und eher fangt Ihr mit verliebten
Blicken einen Hirsch im Walde, als mich! Was wollt
Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir ist
wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fürstin für
Anschläge hat, ich werde nie die Eurige und keines
Mannes Weib -- hütet Euch, es wäre unser beider
Tod! -- Hierauf wandte sie ihr Roß, die alten Bäume
schüttelten sich und streuten ihre gelben Blätter wie
einen Goldregen über die schöne Gestalt. Fortunat
stand ganz verwirrt, ihm war, als sprächen ringsum
die Quellen irre den Wald entlang, Unerhörteres
konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende
selbst der Bräutigam seyn sollte! -- Unterdeß hatte
sich Juanna wieder höher in das Gebirge gewendet,
ein plötzlicher Anschlag schien ihre ganze Seele zu be¬
wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬
nenkloster, das jenseits des Gebirges lag und dessen
Aebtissin ihr verwandt war. Dort wollte sie noch
heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge,
Freier und Verliebte verschüttet. Aber mitten in die¬

blick ſtutzte ſchnaubend und ſtuͤrzte ſich ſeitwaͤrts in den
Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin
nicht folgen. Da hielt Juanna ploͤtzlich uͤber Fortu¬
naten in der wilden Einſamkeit, die Hunde ſtreckten
ſich lechzend zu ihren Fuͤßen. Seht, der iſt frei —
ſagte ſie, die ſchwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬
ſicht ſchuͤttelnd — und eher fangt Ihr mit verliebten
Blicken einen Hirſch im Walde, als mich! Was wollt
Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir iſt
wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fuͤrſtin fuͤr
Anſchlaͤge hat, ich werde nie die Eurige und keines
Mannes Weib — huͤtet Euch, es waͤre unſer beider
Tod! — Hierauf wandte ſie ihr Roß, die alten Baͤume
ſchuͤttelten ſich und ſtreuten ihre gelben Blaͤtter wie
einen Goldregen uͤber die ſchoͤne Geſtalt. Fortunat
ſtand ganz verwirrt, ihm war, als ſpraͤchen ringsum
die Quellen irre den Wald entlang, Unerhoͤrteres
konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende
ſelbſt der Braͤutigam ſeyn ſollte! — Unterdeß hatte
ſich Juanna wieder hoͤher in das Gebirge gewendet,
ein ploͤtzlicher Anſchlag ſchien ihre ganze Seele zu be¬
wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬
nenkloſter, das jenſeits des Gebirges lag und deſſen
Aebtiſſin ihr verwandt war. Dort wollte ſie noch
heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge,
Freier und Verliebte verſchuͤttet. Aber mitten in die¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0179" n="172"/>
blick &#x017F;tutzte &#x017F;chnaubend und &#x017F;tu&#x0364;rzte &#x017F;ich &#x017F;eitwa&#x0364;rts in den<lb/>
Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin<lb/>
nicht folgen. Da hielt Juanna plo&#x0364;tzlich u&#x0364;ber Fortu¬<lb/>
naten in der wilden Ein&#x017F;amkeit, die Hunde &#x017F;treckten<lb/>
&#x017F;ich lechzend zu ihren Fu&#x0364;ßen. Seht, der i&#x017F;t frei &#x2014;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, die &#x017F;chwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬<lb/>
&#x017F;icht &#x017F;chu&#x0364;ttelnd &#x2014; und eher fangt Ihr mit verliebten<lb/>
Blicken einen Hir&#x017F;ch im Walde, als mich! Was wollt<lb/>
Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir i&#x017F;t<lb/>
wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fu&#x0364;r&#x017F;tin fu&#x0364;r<lb/>
An&#x017F;chla&#x0364;ge hat, ich werde nie die Eurige und keines<lb/>
Mannes Weib &#x2014; hu&#x0364;tet Euch, es wa&#x0364;re un&#x017F;er beider<lb/>
Tod! &#x2014; Hierauf wandte &#x017F;ie ihr Roß, die alten Ba&#x0364;ume<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;ttelten &#x017F;ich und &#x017F;treuten ihre gelben Bla&#x0364;tter wie<lb/>
einen Goldregen u&#x0364;ber die &#x017F;cho&#x0364;ne Ge&#x017F;talt. Fortunat<lb/>
&#x017F;tand ganz verwirrt, ihm war, als &#x017F;pra&#x0364;chen ringsum<lb/>
die Quellen irre den Wald entlang, Unerho&#x0364;rteres<lb/>
konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t der Bra&#x0364;utigam &#x017F;eyn &#x017F;ollte! &#x2014; Unterdeß hatte<lb/>
&#x017F;ich Juanna wieder ho&#x0364;her in das Gebirge gewendet,<lb/>
ein plo&#x0364;tzlicher An&#x017F;chlag &#x017F;chien ihre ganze Seele zu be¬<lb/>
wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬<lb/>
nenklo&#x017F;ter, das jen&#x017F;eits des Gebirges lag und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Aebti&#x017F;&#x017F;in ihr verwandt war. Dort wollte &#x017F;ie noch<lb/>
heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge,<lb/>
Freier und Verliebte ver&#x017F;chu&#x0364;ttet. Aber mitten in die¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0179] blick ſtutzte ſchnaubend und ſtuͤrzte ſich ſeitwaͤrts in den Abgrund, Hunde und Reiterin konnten ihm dorthin nicht folgen. Da hielt Juanna ploͤtzlich uͤber Fortu¬ naten in der wilden Einſamkeit, die Hunde ſtreckten ſich lechzend zu ihren Fuͤßen. Seht, der iſt frei — ſagte ſie, die ſchwarzen Locken aus dem erhitzten Ge¬ ſicht ſchuͤttelnd — und eher fangt Ihr mit verliebten Blicken einen Hirſch im Walde, als mich! Was wollt Ihr von mir? Laßt das Werben um mich, mir iſt wohl in meiner Freiheit. Was auch die Fuͤrſtin fuͤr Anſchlaͤge hat, ich werde nie die Eurige und keines Mannes Weib — huͤtet Euch, es waͤre unſer beider Tod! — Hierauf wandte ſie ihr Roß, die alten Baͤume ſchuͤttelten ſich und ſtreuten ihre gelben Blaͤtter wie einen Goldregen uͤber die ſchoͤne Geſtalt. Fortunat ſtand ganz verwirrt, ihm war, als ſpraͤchen ringsum die Quellen irre den Wald entlang, Unerhoͤrteres konnte ihm nicht begegnen als daß er nun am Ende ſelbſt der Braͤutigam ſeyn ſollte! — Unterdeß hatte ſich Juanna wieder hoͤher in das Gebirge gewendet, ein ploͤtzlicher Anſchlag ſchien ihre ganze Seele zu be¬ wegen. Sie kannte den Waldweg nach einem Non¬ nenkloſter, das jenſeits des Gebirges lag und deſſen Aebtiſſin ihr verwandt war. Dort wollte ſie noch heute hin und abwarten, bis der Winter Gebirge, Freier und Verliebte verſchuͤttet. Aber mitten in die¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/179
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/179>, abgerufen am 28.04.2024.