Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

grillenhafter, flüchtiger Neigung zu Kordelchen, uner¬
kannt unter dem Namen Lothario mit der Schauspie¬
lerbande ausgezogen, wo wir ihn in jener regnerischen
Nacht zum erstenmale trafen. -- Hier hörte er plötz¬
lich, daß die verlorengeglaubte Gräfin Juanna noch
lebe und zu der ihr verwandten fürstlichen Familie ge¬
flüchtet, mit der sie auf dem nahen Jagdschlosse sich
aufhalte. Da gab's auf einmal frischen Klang! Sein
Plan war gleich gemacht. Durch seine geheime Ver¬
mittelung erfolgte die Einladung der Schauspielergesell¬
schaft nach dem Jagdschloß, er begleitete sie in seiner
Verkleidung, denn es schien ihm lächerlich, ja sinnlos,
um diese mährchenhafte Diana auf dem gewöhnlichen
Paradepferde gräflicher Galanterie zu freien. -- Bei
seiner eignen, sorglosen Unvorsichtigkeit konnte indeß die
Sache nicht ganz verborgen bleiben, der Fürst und
seine Gemahlin wenigstens hatten unbestimmte Kunde
von seinem Vorhaben, noch ehe die Truppe bei ihnen
ankam. Insbesondere hatte die Fürstin, mit dem den
Frauen in solchen Dingen eigenthümlichen Scharfsinn,
die eigentliche Absicht gar wohl errathen. Zwar er¬
warteten sie täglich den Baron Manfred auf dem
Schloß, den sie insgeheim zu Juanna's Bräutigam
ausersehen. Dennoch konnten sie's nicht lassen, die
interessante Genialität einer so romantischen Maske¬
rade um so leichtsinniger zu begünstigen, da im schlimm¬
sten Falle Victor noch immer als eine bessere Partie

grillenhafter, fluͤchtiger Neigung zu Kordelchen, uner¬
kannt unter dem Namen Lothario mit der Schauſpie¬
lerbande ausgezogen, wo wir ihn in jener regneriſchen
Nacht zum erſtenmale trafen. — Hier hoͤrte er ploͤtz¬
lich, daß die verlorengeglaubte Graͤfin Juanna noch
lebe und zu der ihr verwandten fuͤrſtlichen Familie ge¬
fluͤchtet, mit der ſie auf dem nahen Jagdſchloſſe ſich
aufhalte. Da gab's auf einmal friſchen Klang! Sein
Plan war gleich gemacht. Durch ſeine geheime Ver¬
mittelung erfolgte die Einladung der Schauſpielergeſell¬
ſchaft nach dem Jagdſchloß, er begleitete ſie in ſeiner
Verkleidung, denn es ſchien ihm laͤcherlich, ja ſinnlos,
um dieſe maͤhrchenhafte Diana auf dem gewoͤhnlichen
Paradepferde graͤflicher Galanterie zu freien. — Bei
ſeiner eignen, ſorgloſen Unvorſichtigkeit konnte indeß die
Sache nicht ganz verborgen bleiben, der Fuͤrſt und
ſeine Gemahlin wenigſtens hatten unbeſtimmte Kunde
von ſeinem Vorhaben, noch ehe die Truppe bei ihnen
ankam. Insbeſondere hatte die Fuͤrſtin, mit dem den
Frauen in ſolchen Dingen eigenthuͤmlichen Scharfſinn,
die eigentliche Abſicht gar wohl errathen. Zwar er¬
warteten ſie taͤglich den Baron Manfred auf dem
Schloß, den ſie insgeheim zu Juanna's Braͤutigam
auserſehen. Dennoch konnten ſie's nicht laſſen, die
intereſſante Genialitaͤt einer ſo romantiſchen Maske¬
rade um ſo leichtſinniger zu beguͤnſtigen, da im ſchlimm¬
ſten Falle Victor noch immer als eine beſſere Partie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="255"/>
grillenhafter, flu&#x0364;chtiger Neigung zu Kordelchen, uner¬<lb/>
kannt unter dem Namen Lothario mit der Schau&#x017F;pie¬<lb/>
lerbande ausgezogen, wo wir ihn in jener regneri&#x017F;chen<lb/>
Nacht zum er&#x017F;tenmale trafen. &#x2014; Hier ho&#x0364;rte er plo&#x0364;tz¬<lb/>
lich, daß die verlorengeglaubte Gra&#x0364;fin Juanna noch<lb/>
lebe und zu der ihr verwandten fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Familie ge¬<lb/>
flu&#x0364;chtet, mit der &#x017F;ie auf dem nahen Jagd&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich<lb/>
aufhalte. Da gab's auf einmal fri&#x017F;chen Klang! Sein<lb/>
Plan war gleich gemacht. Durch &#x017F;eine geheime Ver¬<lb/>
mittelung erfolgte die Einladung der Schau&#x017F;pielerge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft nach dem Jagd&#x017F;chloß, er begleitete &#x017F;ie in &#x017F;einer<lb/>
Verkleidung, denn es &#x017F;chien ihm la&#x0364;cherlich, ja &#x017F;innlos,<lb/>
um die&#x017F;e ma&#x0364;hrchenhafte Diana auf dem gewo&#x0364;hnlichen<lb/>
Paradepferde gra&#x0364;flicher Galanterie zu freien. &#x2014; Bei<lb/>
&#x017F;einer eignen, &#x017F;orglo&#x017F;en Unvor&#x017F;ichtigkeit konnte indeß die<lb/>
Sache nicht ganz verborgen bleiben, der Fu&#x0364;r&#x017F;t und<lb/>
&#x017F;eine Gemahlin wenig&#x017F;tens hatten unbe&#x017F;timmte Kunde<lb/>
von &#x017F;einem Vorhaben, noch ehe die Truppe bei ihnen<lb/>
ankam. Insbe&#x017F;ondere hatte die Fu&#x0364;r&#x017F;tin, mit dem den<lb/>
Frauen in &#x017F;olchen Dingen eigenthu&#x0364;mlichen Scharf&#x017F;inn,<lb/>
die eigentliche Ab&#x017F;icht gar wohl errathen. Zwar er¬<lb/>
warteten &#x017F;ie ta&#x0364;glich den Baron Manfred auf dem<lb/>
Schloß, den &#x017F;ie insgeheim zu Juanna's Bra&#x0364;utigam<lb/>
auser&#x017F;ehen. Dennoch konnten &#x017F;ie's nicht la&#x017F;&#x017F;en, die<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;ante Genialita&#x0364;t einer &#x017F;o romanti&#x017F;chen Maske¬<lb/>
rade um &#x017F;o leicht&#x017F;inniger zu begu&#x0364;n&#x017F;tigen, da im &#x017F;chlimm¬<lb/>
&#x017F;ten Falle Victor noch immer als eine be&#x017F;&#x017F;ere Partie<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0262] grillenhafter, fluͤchtiger Neigung zu Kordelchen, uner¬ kannt unter dem Namen Lothario mit der Schauſpie¬ lerbande ausgezogen, wo wir ihn in jener regneriſchen Nacht zum erſtenmale trafen. — Hier hoͤrte er ploͤtz¬ lich, daß die verlorengeglaubte Graͤfin Juanna noch lebe und zu der ihr verwandten fuͤrſtlichen Familie ge¬ fluͤchtet, mit der ſie auf dem nahen Jagdſchloſſe ſich aufhalte. Da gab's auf einmal friſchen Klang! Sein Plan war gleich gemacht. Durch ſeine geheime Ver¬ mittelung erfolgte die Einladung der Schauſpielergeſell¬ ſchaft nach dem Jagdſchloß, er begleitete ſie in ſeiner Verkleidung, denn es ſchien ihm laͤcherlich, ja ſinnlos, um dieſe maͤhrchenhafte Diana auf dem gewoͤhnlichen Paradepferde graͤflicher Galanterie zu freien. — Bei ſeiner eignen, ſorgloſen Unvorſichtigkeit konnte indeß die Sache nicht ganz verborgen bleiben, der Fuͤrſt und ſeine Gemahlin wenigſtens hatten unbeſtimmte Kunde von ſeinem Vorhaben, noch ehe die Truppe bei ihnen ankam. Insbeſondere hatte die Fuͤrſtin, mit dem den Frauen in ſolchen Dingen eigenthuͤmlichen Scharfſinn, die eigentliche Abſicht gar wohl errathen. Zwar er¬ warteten ſie taͤglich den Baron Manfred auf dem Schloß, den ſie insgeheim zu Juanna's Braͤutigam auserſehen. Dennoch konnten ſie's nicht laſſen, die intereſſante Genialitaͤt einer ſo romantiſchen Maske¬ rade um ſo leichtſinniger zu beguͤnſtigen, da im ſchlimm¬ ſten Falle Victor noch immer als eine beſſere Partie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/262
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/262>, abgerufen am 13.05.2024.