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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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mit dem dünnen, vom Regen knapp anliegenden Kleide,
mit den langherabhängenden, tröpfelnden Locken sah
sie wie ein Nixchen aus, das eben den Wellen ent¬
stiegen. Sie hielt beide Hände vor das Gesicht, um
sich vor dem, plötzlich aus dem Hause dringenden
Lichte zu schützen, aber zwischen den kleinen Fingern
funkelten zwei schwarze Augen hindurch, die Fortuna¬
ten im Vorüberfluge durchdringend anblickten.

Dieser konnte nur mit Mühe ein besonderes Stüb¬
chen gewinnen, wo er schnell seine Kleider wechselte,
während draußen nach und nach ein gewaltiges Thür¬
zuwerfen, Streiten und Lachen, von einzelnen Opern-
Trillern und Laufern durchschwirrt, das ganze Haus
erfüllte. Unterdeß hatte auch das Wetter sich wieder
verzogen, und der Mond trat klar zwischen dem zer¬
rissenen Gewölk hervor. Er verließ daher gar bald
seine enge schwüle Kammer wieder, und eilte zwischen
den Reifröcken, Rüstungen, Fahnen und Miedern, die
über dem Treppengeländer zum Trocknen ausgehängt
waren, in den Garten hinab. Ein einsames Frauen¬
zimmer saß dort vor der Hausthür auf der Bank, an
dem etwas verbrauchten Federhut, dem hohen Kragen
und der ganzen Haltung erkannte er die Dame mit dem
Schirme wieder. -- Ich bin mir selbst noch Genugthu¬
ung schuldig, hub sie sogleich an, als sie Fortunaten
bemerkte. Sie werden vielleicht eine ungünstige Mei¬
nung von mir gefaßt haben; aber sie glauben nicht,

mit dem duͤnnen, vom Regen knapp anliegenden Kleide,
mit den langherabhaͤngenden, troͤpfelnden Locken ſah
ſie wie ein Nixchen aus, das eben den Wellen ent¬
ſtiegen. Sie hielt beide Haͤnde vor das Geſicht, um
ſich vor dem, ploͤtzlich aus dem Hauſe dringenden
Lichte zu ſchuͤtzen, aber zwiſchen den kleinen Fingern
funkelten zwei ſchwarze Augen hindurch, die Fortuna¬
ten im Voruͤberfluge durchdringend anblickten.

Dieſer konnte nur mit Muͤhe ein beſonderes Stuͤb¬
chen gewinnen, wo er ſchnell ſeine Kleider wechſelte,
waͤhrend draußen nach und nach ein gewaltiges Thuͤr¬
zuwerfen, Streiten und Lachen, von einzelnen Opern-
Trillern und Laufern durchſchwirrt, das ganze Haus
erfuͤllte. Unterdeß hatte auch das Wetter ſich wieder
verzogen, und der Mond trat klar zwiſchen dem zer¬
riſſenen Gewoͤlk hervor. Er verließ daher gar bald
ſeine enge ſchwuͤle Kammer wieder, und eilte zwiſchen
den Reifroͤcken, Ruͤſtungen, Fahnen und Miedern, die
uͤber dem Treppengelaͤnder zum Trocknen ausgehaͤngt
waren, in den Garten hinab. Ein einſames Frauen¬
zimmer ſaß dort vor der Hausthuͤr auf der Bank, an
dem etwas verbrauchten Federhut, dem hohen Kragen
und der ganzen Haltung erkannte er die Dame mit dem
Schirme wieder. — Ich bin mir ſelbſt noch Genugthu¬
ung ſchuldig, hub ſie ſogleich an, als ſie Fortunaten
bemerkte. Sie werden vielleicht eine unguͤnſtige Mei¬
nung von mir gefaßt haben; aber ſie glauben nicht,

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[64/0071] mit dem duͤnnen, vom Regen knapp anliegenden Kleide, mit den langherabhaͤngenden, troͤpfelnden Locken ſah ſie wie ein Nixchen aus, das eben den Wellen ent¬ ſtiegen. Sie hielt beide Haͤnde vor das Geſicht, um ſich vor dem, ploͤtzlich aus dem Hauſe dringenden Lichte zu ſchuͤtzen, aber zwiſchen den kleinen Fingern funkelten zwei ſchwarze Augen hindurch, die Fortuna¬ ten im Voruͤberfluge durchdringend anblickten. Dieſer konnte nur mit Muͤhe ein beſonderes Stuͤb¬ chen gewinnen, wo er ſchnell ſeine Kleider wechſelte, waͤhrend draußen nach und nach ein gewaltiges Thuͤr¬ zuwerfen, Streiten und Lachen, von einzelnen Opern- Trillern und Laufern durchſchwirrt, das ganze Haus erfuͤllte. Unterdeß hatte auch das Wetter ſich wieder verzogen, und der Mond trat klar zwiſchen dem zer¬ riſſenen Gewoͤlk hervor. Er verließ daher gar bald ſeine enge ſchwuͤle Kammer wieder, und eilte zwiſchen den Reifroͤcken, Ruͤſtungen, Fahnen und Miedern, die uͤber dem Treppengelaͤnder zum Trocknen ausgehaͤngt waren, in den Garten hinab. Ein einſames Frauen¬ zimmer ſaß dort vor der Hausthuͤr auf der Bank, an dem etwas verbrauchten Federhut, dem hohen Kragen und der ganzen Haltung erkannte er die Dame mit dem Schirme wieder. — Ich bin mir ſelbſt noch Genugthu¬ ung ſchuldig, hub ſie ſogleich an, als ſie Fortunaten bemerkte. Sie werden vielleicht eine unguͤnſtige Mei¬ nung von mir gefaßt haben; aber ſie glauben nicht,

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/71>, abgerufen am 30.04.2024.