Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

wurde die Dame mit dem Schirm genannt -- schien
Fortunaten ausweichen zu wollen, und war daher mit
Herrn Sorti auf dem Packwagen vorausgefahren.
Die Andern hatten in dem Städtchen einen Bur¬
schen gedungen, der sie auf den Fußsteigen durch den
schönen Wald führen mußte, alle waren freudig auf¬
geregt, und sprachen viel von den Festen auf dem
fürstlichen Schlosse, und den schönen Tagen, den sie
entgegenwanderten. Ruprecht schritt Tabackrauchend
wieder voraus, und intonirte an den schönsten Wald¬
stellen zuweilen: "In diesen heiligen Hallen", oder eine
andere würdige Baßarie, während Fabitz unermüdlich
die mannigfaltigsten Vögelstimmen nachahmte. Lo¬
thario schweifte unterdeß, seine Flinte auf dem Rücken,
allein auf den Bergen umher, von Zeit zu Zeit hörte
man ihn fern im Walde schießen, was jedesmal von
der Gesellschaft mit einem lauten Hurrah erwiedert
wurde. -- Fortunaten aber war wunderlich zu Muthe
in der ungebundenen Freiheit. Er athmete fröhlich die
kühle Waldluft, sich oft zurückwendend und des mun¬
teren Zuges erfreuend, wie die heiteren Gestalten mit
ihren bunten Tüchern und phantastischen Reise-Trachten,
bald über ihm auf überhängenden Felsen erschienen,
bald tief im dunklen Grün wieder verschwanden.

Als die Sonne schon hoch stand, ruhte die Truppe
auf einer schönen Waldwiese aus. Da kam plötzlich
auch Lothario aus dem Walde zu ihnen. Wer ist der

wurde die Dame mit dem Schirm genannt — ſchien
Fortunaten ausweichen zu wollen, und war daher mit
Herrn Sorti auf dem Packwagen vorausgefahren.
Die Andern hatten in dem Staͤdtchen einen Bur¬
ſchen gedungen, der ſie auf den Fußſteigen durch den
ſchoͤnen Wald fuͤhren mußte, alle waren freudig auf¬
geregt, und ſprachen viel von den Feſten auf dem
fuͤrſtlichen Schloſſe, und den ſchoͤnen Tagen, den ſie
entgegenwanderten. Ruprecht ſchritt Tabackrauchend
wieder voraus, und intonirte an den ſchoͤnſten Wald¬
ſtellen zuweilen: „In dieſen heiligen Hallen“, oder eine
andere wuͤrdige Baßarie, waͤhrend Fabitz unermuͤdlich
die mannigfaltigſten Voͤgelſtimmen nachahmte. Lo¬
thario ſchweifte unterdeß, ſeine Flinte auf dem Ruͤcken,
allein auf den Bergen umher, von Zeit zu Zeit hoͤrte
man ihn fern im Walde ſchießen, was jedesmal von
der Geſellſchaft mit einem lauten Hurrah erwiedert
wurde. — Fortunaten aber war wunderlich zu Muthe
in der ungebundenen Freiheit. Er athmete froͤhlich die
kuͤhle Waldluft, ſich oft zuruͤckwendend und des mun¬
teren Zuges erfreuend, wie die heiteren Geſtalten mit
ihren bunten Tuͤchern und phantaſtiſchen Reiſe-Trachten,
bald uͤber ihm auf uͤberhaͤngenden Felſen erſchienen,
bald tief im dunklen Gruͤn wieder verſchwanden.

Als die Sonne ſchon hoch ſtand, ruhte die Truppe
auf einer ſchoͤnen Waldwieſe aus. Da kam ploͤtzlich
auch Lothario aus dem Walde zu ihnen. Wer iſt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0084" n="77"/>
wurde die Dame mit dem Schirm genannt &#x2014; &#x017F;chien<lb/>
Fortunaten ausweichen zu wollen, und war daher mit<lb/>
Herrn Sorti auf dem Packwagen vorausgefahren.<lb/>
Die Andern hatten in dem Sta&#x0364;dtchen einen Bur¬<lb/>
&#x017F;chen gedungen, der &#x017F;ie auf den Fuß&#x017F;teigen durch den<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Wald fu&#x0364;hren mußte, alle waren freudig auf¬<lb/>
geregt, und &#x017F;prachen viel von den Fe&#x017F;ten auf dem<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Schlo&#x017F;&#x017F;e, und den &#x017F;cho&#x0364;nen Tagen, den &#x017F;ie<lb/>
entgegenwanderten. Ruprecht &#x017F;chritt Tabackrauchend<lb/>
wieder voraus, und intonirte an den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Wald¬<lb/>
&#x017F;tellen zuweilen: &#x201E;In die&#x017F;en heiligen Hallen&#x201C;, oder eine<lb/>
andere wu&#x0364;rdige Baßarie, wa&#x0364;hrend Fabitz unermu&#x0364;dlich<lb/>
die mannigfaltig&#x017F;ten Vo&#x0364;gel&#x017F;timmen nachahmte. Lo¬<lb/>
thario &#x017F;chweifte unterdeß, &#x017F;eine Flinte auf dem Ru&#x0364;cken,<lb/>
allein auf den Bergen umher, von Zeit zu Zeit ho&#x0364;rte<lb/>
man ihn fern im Walde &#x017F;chießen, was jedesmal von<lb/>
der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit einem lauten Hurrah erwiedert<lb/>
wurde. &#x2014; Fortunaten aber war wunderlich zu Muthe<lb/>
in der ungebundenen Freiheit. Er athmete fro&#x0364;hlich die<lb/>
ku&#x0364;hle Waldluft, &#x017F;ich oft zuru&#x0364;ckwendend und des mun¬<lb/>
teren Zuges erfreuend, wie die heiteren Ge&#x017F;talten mit<lb/>
ihren bunten Tu&#x0364;chern und phanta&#x017F;ti&#x017F;chen Rei&#x017F;e-Trachten,<lb/>
bald u&#x0364;ber ihm auf u&#x0364;berha&#x0364;ngenden Fel&#x017F;en er&#x017F;chienen,<lb/>
bald tief im dunklen Gru&#x0364;n wieder ver&#x017F;chwanden.</p><lb/>
          <p>Als die Sonne &#x017F;chon hoch &#x017F;tand, ruhte die Truppe<lb/>
auf einer &#x017F;cho&#x0364;nen Waldwie&#x017F;e aus. Da kam plo&#x0364;tzlich<lb/>
auch Lothario aus dem Walde zu ihnen. Wer i&#x017F;t der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0084] wurde die Dame mit dem Schirm genannt — ſchien Fortunaten ausweichen zu wollen, und war daher mit Herrn Sorti auf dem Packwagen vorausgefahren. Die Andern hatten in dem Staͤdtchen einen Bur¬ ſchen gedungen, der ſie auf den Fußſteigen durch den ſchoͤnen Wald fuͤhren mußte, alle waren freudig auf¬ geregt, und ſprachen viel von den Feſten auf dem fuͤrſtlichen Schloſſe, und den ſchoͤnen Tagen, den ſie entgegenwanderten. Ruprecht ſchritt Tabackrauchend wieder voraus, und intonirte an den ſchoͤnſten Wald¬ ſtellen zuweilen: „In dieſen heiligen Hallen“, oder eine andere wuͤrdige Baßarie, waͤhrend Fabitz unermuͤdlich die mannigfaltigſten Voͤgelſtimmen nachahmte. Lo¬ thario ſchweifte unterdeß, ſeine Flinte auf dem Ruͤcken, allein auf den Bergen umher, von Zeit zu Zeit hoͤrte man ihn fern im Walde ſchießen, was jedesmal von der Geſellſchaft mit einem lauten Hurrah erwiedert wurde. — Fortunaten aber war wunderlich zu Muthe in der ungebundenen Freiheit. Er athmete froͤhlich die kuͤhle Waldluft, ſich oft zuruͤckwendend und des mun¬ teren Zuges erfreuend, wie die heiteren Geſtalten mit ihren bunten Tuͤchern und phantaſtiſchen Reiſe-Trachten, bald uͤber ihm auf uͤberhaͤngenden Felſen erſchienen, bald tief im dunklen Gruͤn wieder verſchwanden. Als die Sonne ſchon hoch ſtand, ruhte die Truppe auf einer ſchoͤnen Waldwieſe aus. Da kam ploͤtzlich auch Lothario aus dem Walde zu ihnen. Wer iſt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/84
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/84>, abgerufen am 30.04.2024.