Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

mit ihren reichen, leuchtenden Gewändern, wie in dem
Kelch einer wunderbaren Blume schwebte. Er hörte
auf zu singen, als er unten den Fremden gewahrte,
und wandte schnell ein munteres Gesicht zwischen um¬
wallenden braunen Locken aus seinem Himmel hinab. --
Glück auf! rief ihm Fortunat, überrascht von der gan¬
zen, unerwarteten Erscheinung, fröhlich zu, das ist
eine herrliche Werkstatt! -- Der Maler nickte lächelnd
und fuhr in seiner Arbeit fort, kehrte sich dann aber,
plötzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie
nicht gestern Abend mit den Schauspielern gekommen?
-- Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß
nicht wie, erwiederte Fortunat. -- O die sind gar
nicht weit, sagte der Maler. Und eigentlich ist auch
heut Aurora zu schön, um ihr hier in's Gesicht zu
klecksen, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬
den führen. -- Bei diesen Worten hatte er rasch Pin¬
sel und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab.
Es war ein kecker, vollwangiger Jüngling mit bloßem
Hals und knappem, sehr zierlichen deutschen Rock. Er
verschloß die Thür, da sie hinaustraten, und führte
Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem
gestern Nacht die Schauspielergesellschaft verschwunden
war. Das muß ein glückliches Leben sein, sagte er,
wie oft hab' ich mir schon gewünscht, so mit fröhlichen
Gesellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler sind
überall an Ort und irdisches Material gebunden. Da

mit ihren reichen, leuchtenden Gewaͤndern, wie in dem
Kelch einer wunderbaren Blume ſchwebte. Er hoͤrte
auf zu ſingen, als er unten den Fremden gewahrte,
und wandte ſchnell ein munteres Geſicht zwiſchen um¬
wallenden braunen Locken aus ſeinem Himmel hinab. —
Gluͤck auf! rief ihm Fortunat, uͤberraſcht von der gan¬
zen, unerwarteten Erſcheinung, froͤhlich zu, das iſt
eine herrliche Werkſtatt! — Der Maler nickte laͤchelnd
und fuhr in ſeiner Arbeit fort, kehrte ſich dann aber,
ploͤtzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie
nicht geſtern Abend mit den Schauſpielern gekommen?
— Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß
nicht wie, erwiederte Fortunat. — O die ſind gar
nicht weit, ſagte der Maler. Und eigentlich iſt auch
heut Aurora zu ſchoͤn, um ihr hier in's Geſicht zu
kleckſen, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬
den fuͤhren. — Bei dieſen Worten hatte er raſch Pin¬
ſel und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab.
Es war ein kecker, vollwangiger Juͤngling mit bloßem
Hals und knappem, ſehr zierlichen deutſchen Rock. Er
verſchloß die Thuͤr, da ſie hinaustraten, und fuͤhrte
Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem
geſtern Nacht die Schauſpielergeſellſchaft verſchwunden
war. Das muß ein gluͤckliches Leben ſein, ſagte er,
wie oft hab' ich mir ſchon gewuͤnſcht, ſo mit froͤhlichen
Geſellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler ſind
uͤberall an Ort und irdiſches Material gebunden. Da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="90"/>
mit ihren reichen, leuchtenden Gewa&#x0364;ndern, wie in dem<lb/>
Kelch einer wunderbaren Blume &#x017F;chwebte. Er ho&#x0364;rte<lb/>
auf zu &#x017F;ingen, als er unten den Fremden gewahrte,<lb/>
und wandte &#x017F;chnell ein munteres Ge&#x017F;icht zwi&#x017F;chen um¬<lb/>
wallenden braunen Locken aus &#x017F;einem Himmel hinab. &#x2014;<lb/>
Glu&#x0364;ck auf! rief ihm Fortunat, u&#x0364;berra&#x017F;cht von der gan¬<lb/>
zen, unerwarteten Er&#x017F;cheinung, fro&#x0364;hlich zu, das i&#x017F;t<lb/>
eine herrliche Werk&#x017F;tatt! &#x2014; Der Maler nickte la&#x0364;chelnd<lb/>
und fuhr in &#x017F;einer Arbeit fort, kehrte &#x017F;ich dann aber,<lb/>
plo&#x0364;tzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie<lb/>
nicht ge&#x017F;tern Abend mit den Schau&#x017F;pielern gekommen?<lb/>
&#x2014; Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß<lb/>
nicht wie, erwiederte Fortunat. &#x2014; O die &#x017F;ind gar<lb/>
nicht weit, &#x017F;agte der Maler. Und eigentlich i&#x017F;t auch<lb/>
heut Aurora zu &#x017F;cho&#x0364;n, um ihr hier in's Ge&#x017F;icht zu<lb/>
kleck&#x017F;en, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬<lb/>
den fu&#x0364;hren. &#x2014; Bei die&#x017F;en Worten hatte er ra&#x017F;ch Pin¬<lb/>
&#x017F;el und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab.<lb/>
Es war ein kecker, vollwangiger Ju&#x0364;ngling mit bloßem<lb/>
Hals und knappem, &#x017F;ehr zierlichen deut&#x017F;chen Rock. Er<lb/>
ver&#x017F;chloß die Thu&#x0364;r, da &#x017F;ie hinaustraten, und fu&#x0364;hrte<lb/>
Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem<lb/>
ge&#x017F;tern Nacht die Schau&#x017F;pielerge&#x017F;ell&#x017F;chaft ver&#x017F;chwunden<lb/>
war. Das muß ein glu&#x0364;ckliches Leben &#x017F;ein, &#x017F;agte er,<lb/>
wie oft hab' ich mir &#x017F;chon gewu&#x0364;n&#x017F;cht, &#x017F;o mit fro&#x0364;hlichen<lb/>
Ge&#x017F;ellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler &#x017F;ind<lb/>
u&#x0364;berall an Ort und irdi&#x017F;ches Material gebunden. Da<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0097] mit ihren reichen, leuchtenden Gewaͤndern, wie in dem Kelch einer wunderbaren Blume ſchwebte. Er hoͤrte auf zu ſingen, als er unten den Fremden gewahrte, und wandte ſchnell ein munteres Geſicht zwiſchen um¬ wallenden braunen Locken aus ſeinem Himmel hinab. — Gluͤck auf! rief ihm Fortunat, uͤberraſcht von der gan¬ zen, unerwarteten Erſcheinung, froͤhlich zu, das iſt eine herrliche Werkſtatt! — Der Maler nickte laͤchelnd und fuhr in ſeiner Arbeit fort, kehrte ſich dann aber, ploͤtzlich abbrechend, wieder zu Fortunat: Sind Sie nicht geſtern Abend mit den Schauſpielern gekommen? — Ja, und zugleich von ihnen abgekommen, ich weiß nicht wie, erwiederte Fortunat. — O die ſind gar nicht weit, ſagte der Maler. Und eigentlich iſt auch heut Aurora zu ſchoͤn, um ihr hier in's Geſicht zu kleckſen, ich will Sie lieber gleich zu Ihren Kamera¬ den fuͤhren. — Bei dieſen Worten hatte er raſch Pin¬ ſel und Palette weggelegt, und kam die Leiter herab. Es war ein kecker, vollwangiger Juͤngling mit bloßem Hals und knappem, ſehr zierlichen deutſchen Rock. Er verſchloß die Thuͤr, da ſie hinaustraten, und fuͤhrte Fortunaten eilig durch den Baumgang, in welchem geſtern Nacht die Schauſpielergeſellſchaft verſchwunden war. Das muß ein gluͤckliches Leben ſein, ſagte er, wie oft hab' ich mir ſchon gewuͤnſcht, ſo mit froͤhlichen Geſellen in's Blaue hineinzuziehen! Wir Maler ſind uͤberall an Ort und irdiſches Material gebunden. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/97
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/97>, abgerufen am 30.04.2024.