Postschiffe auf der Donau nach dem Schloß der schö¬ nen Gräfin hinunter zu fahren.
Als wir an das Ufer kamen, war schon alles zur Abfahrt bereit. Der dicke Gastwirth, bei dem das Schiff über Nacht angelegt hatte, stand breit und behaglich in seiner Hausthür, die er ganz ausfüllte, und ließ zum Abschied allerlei Witze und Redensarten erschallen, während in jedem Fenster ein Mädchenkopf herausfuhr und den Schiffern noch freundlich zunickte, die so eben die letzten Pakete nach dem Schiffe schafften. Ein ält¬ licher Herr mit einem grauen Ueberrock und schwarzen Halstuch, der auch mitfahren wollte, stand am Ufer, und sprach sehr eifrig mit einem jungen schlanken Bürschchen, das mit langen ledernen Beinkleidern und knapper, scharlachrother Jacke vor ihm auf einem präch¬ tigen Engländer saß. Es schien mir zu meiner großen Verwunderung, als wenn sie beide zuweilen nach mir hinblickten und von mir sprächen. -- Zuletzt lachte der alte Herr, das schlanke Bürschchen schnallzte mit der Reitgerte, und sprengte, mit den Lerchen über ihm um die Wette, durch die Morgenluft in die blitzende Landschaft hinein.
Unterdeß hatten die Studenten und ich unsere Kasse zusammengeschossen. Der Schiffer lachte und schüttelte den Kopf, als ihm der Waldhornist damit unser Fährgeld in lauter Kupferstücken aufzählte, die wir mit großer Noth aus allen unsern Taschen zusam¬ men gebracht hatten. Ich aber jauchzte laut auf, als
Poſtſchiffe auf der Donau nach dem Schloß der ſchoͤ¬ nen Graͤfin hinunter zu fahren.
Als wir an das Ufer kamen, war ſchon alles zur Abfahrt bereit. Der dicke Gaſtwirth, bei dem das Schiff uͤber Nacht angelegt hatte, ſtand breit und behaglich in ſeiner Hausthuͤr, die er ganz ausfuͤllte, und ließ zum Abſchied allerlei Witze und Redensarten erſchallen, waͤhrend in jedem Fenſter ein Maͤdchenkopf herausfuhr und den Schiffern noch freundlich zunickte, die ſo eben die letzten Pakete nach dem Schiffe ſchafften. Ein aͤlt¬ licher Herr mit einem grauen Ueberrock und ſchwarzen Halstuch, der auch mitfahren wollte, ſtand am Ufer, und ſprach ſehr eifrig mit einem jungen ſchlanken Buͤrſchchen, das mit langen ledernen Beinkleidern und knapper, ſcharlachrother Jacke vor ihm auf einem praͤch¬ tigen Englaͤnder ſaß. Es ſchien mir zu meiner großen Verwunderung, als wenn ſie beide zuweilen nach mir hinblickten und von mir ſpraͤchen. — Zuletzt lachte der alte Herr, das ſchlanke Buͤrſchchen ſchnallzte mit der Reitgerte, und ſprengte, mit den Lerchen uͤber ihm um die Wette, durch die Morgenluft in die blitzende Landſchaft hinein.
Unterdeß hatten die Studenten und ich unſere Kaſſe zuſammengeſchoſſen. Der Schiffer lachte und ſchuͤttelte den Kopf, als ihm der Waldhorniſt damit unſer Faͤhrgeld in lauter Kupferſtuͤcken aufzaͤhlte, die wir mit großer Noth aus allen unſern Taſchen zuſam¬ men gebracht hatten. Ich aber jauchzte laut auf, als
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Poſtſchiffe auf der Donau nach dem Schloß der ſchoͤ¬
nen Graͤfin hinunter zu fahren.
Als wir an das Ufer kamen, war ſchon alles zur
Abfahrt bereit. Der dicke Gaſtwirth, bei dem das Schiff
uͤber Nacht angelegt hatte, ſtand breit und behaglich
in ſeiner Hausthuͤr, die er ganz ausfuͤllte, und ließ
zum Abſchied allerlei Witze und Redensarten erſchallen,
waͤhrend in jedem Fenſter ein Maͤdchenkopf herausfuhr
und den Schiffern noch freundlich zunickte, die ſo eben
die letzten Pakete nach dem Schiffe ſchafften. Ein aͤlt¬
licher Herr mit einem grauen Ueberrock und ſchwarzen
Halstuch, der auch mitfahren wollte, ſtand am Ufer,
und ſprach ſehr eifrig mit einem jungen ſchlanken
Buͤrſchchen, das mit langen ledernen Beinkleidern und
knapper, ſcharlachrother Jacke vor ihm auf einem praͤch¬
tigen Englaͤnder ſaß. Es ſchien mir zu meiner großen
Verwunderung, als wenn ſie beide zuweilen nach mir
hinblickten und von mir ſpraͤchen. — Zuletzt lachte
der alte Herr, das ſchlanke Buͤrſchchen ſchnallzte mit
der Reitgerte, und ſprengte, mit den Lerchen uͤber ihm
um die Wette, durch die Morgenluft in die blitzende
Landſchaft hinein.
Unterdeß hatten die Studenten und ich unſere
Kaſſe zuſammengeſchoſſen. Der Schiffer lachte und
ſchuͤttelte den Kopf, als ihm der Waldhorniſt damit
unſer Faͤhrgeld in lauter Kupferſtuͤcken aufzaͤhlte, die
wir mit großer Noth aus allen unſern Taſchen zuſam¬
men gebracht hatten. Ich aber jauchzte laut auf, als
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/126>, abgerufen am 16.06.2024.
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