ich auf einmal wieder die Donau so recht vor mir sah; wir sprangen geschwind auf das Schiff hinauf, der Schiffer gab das Zeichen, und so flogen wir nun im schönsten Morgenglanze zwischen den Bergen und Wiesen hinunter.
Da schlugen die Vögel im Walde, und von beiden Seiten klangen die Morgenglocken von fern aus den Dörfern, hoch in der Luft hörte man manchmal die Lerchen dazwischen. Von dem Schiffe aber jubilirte und schmetterte ein Kanarienvogel mit darein, daß es eine rechte Lust war.
Der gehörte einem hübschen jungen Mädchen, die auch mit auf dem Schiffe war. Sie hatte den Käfig dicht neben sich stehen, von der andern Seite hielt sie ein feines Bündel Wäsche unterm Arm, so saß sie ganz still für sich und sah recht zufrieden bald auf ihre neue Reiseschuhe, die unter dem Röckchen hervorkamen, bald wieder in das Wasser vor sich hinunter, und die Morgensonne glänzte ihr dabei auf der weißen Stirn, über der sie die Haare sehr sauber gescheitelt hatte. Ich merkte wohl, daß die Studenten gern einen höflichen Diskurs mit ihr angesponnen hätten, denn sie gingen immer an ihr vorüber, und der Waldhornist räusperte sich dabei und rückte bald an seiner Halsbinde, bald an dem Drei¬ stutzer. Aber sie hatten keine rechte Kourage, und das Mädchen schlug auch jedesmal die Augen nieder, sobald sie ihr näher kamen.
Besonders aber genirten sie sich vor dem ältlichen Herrn, mit dem grauen Ueberrock, der nun auf der
ich auf einmal wieder die Donau ſo recht vor mir ſah; wir ſprangen geſchwind auf das Schiff hinauf, der Schiffer gab das Zeichen, und ſo flogen wir nun im ſchoͤnſten Morgenglanze zwiſchen den Bergen und Wieſen hinunter.
Da ſchlugen die Voͤgel im Walde, und von beiden Seiten klangen die Morgenglocken von fern aus den Doͤrfern, hoch in der Luft hoͤrte man manchmal die Lerchen dazwiſchen. Von dem Schiffe aber jubilirte und ſchmetterte ein Kanarienvogel mit darein, daß es eine rechte Luſt war.
Der gehoͤrte einem huͤbſchen jungen Maͤdchen, die auch mit auf dem Schiffe war. Sie hatte den Kaͤfig dicht neben ſich ſtehen, von der andern Seite hielt ſie ein feines Buͤndel Waͤſche unterm Arm, ſo ſaß ſie ganz ſtill fuͤr ſich und ſah recht zufrieden bald auf ihre neue Reiſeſchuhe, die unter dem Roͤckchen hervorkamen, bald wieder in das Waſſer vor ſich hinunter, und die Morgenſonne glaͤnzte ihr dabei auf der weißen Stirn, uͤber der ſie die Haare ſehr ſauber geſcheitelt hatte. Ich merkte wohl, daß die Studenten gern einen hoͤflichen Diskurs mit ihr angeſponnen haͤtten, denn ſie gingen immer an ihr voruͤber, und der Waldhorniſt raͤuſperte ſich dabei und ruͤckte bald an ſeiner Halsbinde, bald an dem Drei¬ ſtutzer. Aber ſie hatten keine rechte Kourage, und das Maͤdchen ſchlug auch jedesmal die Augen nieder, ſobald ſie ihr naͤher kamen.
Beſonders aber genirten ſie ſich vor dem aͤltlichen Herrn, mit dem grauen Ueberrock, der nun auf der
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ich auf einmal wieder die Donau ſo recht vor mir ſah;
wir ſprangen geſchwind auf das Schiff hinauf, der
Schiffer gab das Zeichen, und ſo flogen wir nun im
ſchoͤnſten Morgenglanze zwiſchen den Bergen und
Wieſen hinunter.
Da ſchlugen die Voͤgel im Walde, und von beiden
Seiten klangen die Morgenglocken von fern aus den
Doͤrfern, hoch in der Luft hoͤrte man manchmal die
Lerchen dazwiſchen. Von dem Schiffe aber jubilirte
und ſchmetterte ein Kanarienvogel mit darein, daß es
eine rechte Luſt war.
Der gehoͤrte einem huͤbſchen jungen Maͤdchen, die auch
mit auf dem Schiffe war. Sie hatte den Kaͤfig dicht neben
ſich ſtehen, von der andern Seite hielt ſie ein feines
Buͤndel Waͤſche unterm Arm, ſo ſaß ſie ganz ſtill fuͤr ſich
und ſah recht zufrieden bald auf ihre neue Reiſeſchuhe,
die unter dem Roͤckchen hervorkamen, bald wieder in das
Waſſer vor ſich hinunter, und die Morgenſonne glaͤnzte
ihr dabei auf der weißen Stirn, uͤber der ſie die Haare
ſehr ſauber geſcheitelt hatte. Ich merkte wohl, daß
die Studenten gern einen hoͤflichen Diskurs mit ihr
angeſponnen haͤtten, denn ſie gingen immer an ihr
voruͤber, und der Waldhorniſt raͤuſperte ſich dabei und
ruͤckte bald an ſeiner Halsbinde, bald an dem Drei¬
ſtutzer. Aber ſie hatten keine rechte Kourage, und das
Maͤdchen ſchlug auch jedesmal die Augen nieder, ſobald
ſie ihr naͤher kamen.
Beſonders aber genirten ſie ſich vor dem aͤltlichen
Herrn, mit dem grauen Ueberrock, der nun auf der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/127>, abgerufen am 16.06.2024.
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