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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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von bewegungs-gründen.
argumenta conciliantia. Sie sind von nicht
geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den-
cken, daß sie einem lebens-regeln fürschreiben,
wodurch man die gewogenheit der leute in sei-
ner aufführung an sich ziehe solle, sondern sie ge-
ben nur mittel an die hand, wie man im reden
den leuten gefallen könne, worauf bey der
kunst zu überreden alles ankommt.

Sie könten zwar von einem ieden, aus den regeln
der klugheit selbst, hergeholet werden, doch wird
auch niemand böse seyn, wann ich ihn der mühe
überhebe, zumahl da diese maximen, durch die
gantze beredsamkeit, ihren nutzen erstrecken.

§. 4. Wer also im reden gefallen will, muß
auf die beschaffenheit derer, die ihn hören, son-
derlich sein absehen richten, da fehlt es denen
zuhörern bald an liebe und vertrauen, wenn sie
zumahl geldgeitzig sind, bald an hochachtung
gegen ihm, wann sie ehrgeitzig, bald aber an
aufmercksamkeit, wann sie wollüstig und flatter-
haftig, und also muß er sich um ihre gewogen-
heit, hochachtung
und aufmercksamkeit,
möglichsten fleisses bewerben.

§. 5. Die gewogenheit des zuhörers ge-
winnet man, wenn man auf eine ungezwun-
gene und anständige art, dem zuhörer sagt,
was er gerne höret; ihn ohne verdächtige
complimente lobet; sich ohne niederträchtig-
keit ihm weit nachsetzet: sich allezeit so für-
stellet, daß sich der zuhörer einen begrif von uns
mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm
habe; sehr honnet sey; sich der wohlfarth des

gemei-

von bewegungs-gruͤnden.
argumenta conciliantia. Sie ſind von nicht
geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den-
cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben,
wodurch man die gewogenheit der leute in ſei-
ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge-
ben nur mittel an die hand, wie man im reden
den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der
kunſt zu uͤberreden alles ankommt.

Sie koͤnten zwar von einem ieden, aus den regeln
der klugheit ſelbſt, hergeholet werden, doch wird
auch niemand boͤſe ſeyn, wann ich ihn der muͤhe
uͤberhebe, zumahl da dieſe maximen, durch die
gantze beredſamkeit, ihren nutzen erſtrecken.

§. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß
auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon-
derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen
zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie
zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung
gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an
aufmerckſamkeit, wañ ſie wolluͤſtig und flatter-
haftig, und alſo muß er ſich um ihre gewogen-
heit, hochachtung
und aufmerckſamkeit,
moͤglichſten fleiſſes bewerben.

§. 5. Die gewogenheit des zuhoͤrers ge-
winnet man, wenn man auf eine ungezwun-
gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt,
was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige
complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig-
keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr-
ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns
mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm
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[122/0140] von bewegungs-gruͤnden. argumenta conciliantia. Sie ſind von nicht geringer wichtigkeit, doch darf man nicht den- cken, daß ſie einem lebens-regeln fuͤrſchreiben, wodurch man die gewogenheit der leute in ſei- ner auffuͤhrung an ſich ziehe ſolle, ſondern ſie ge- ben nur mittel an die hand, wie man im reden den leuten gefallen koͤnne, worauf bey der kunſt zu uͤberreden alles ankommt. Sie koͤnten zwar von einem ieden, aus den regeln der klugheit ſelbſt, hergeholet werden, doch wird auch niemand boͤſe ſeyn, wann ich ihn der muͤhe uͤberhebe, zumahl da dieſe maximen, durch die gantze beredſamkeit, ihren nutzen erſtrecken. §. 4. Wer alſo im reden gefallen will, muß auf die beſchaffenheit derer, die ihn hoͤren, ſon- derlich ſein abſehen richten, da fehlt es denen zuhoͤrern bald an liebe und vertrauen, wenn ſie zumahl geldgeitzig ſind, bald an hochachtung gegen ihm, wann ſie ehrgeitzig, bald aber an aufmerckſamkeit, wañ ſie wolluͤſtig und flatter- haftig, und alſo muß er ſich um ihre gewogen- heit, hochachtung und aufmerckſamkeit, moͤglichſten fleiſſes bewerben. §. 5. Die gewogenheit des zuhoͤrers ge- winnet man, wenn man auf eine ungezwun- gene und anſtaͤndige art, dem zuhoͤrer ſagt, was er gerne hoͤret; ihn ohne verdaͤchtige complimente lobet; ſich ohne niedertraͤchtig- keit ihm weit nachſetzet: ſich allezeit ſo fuͤr- ſtellet, daß ſich der zuhoͤrer einen begrif von uns mache, wie man eine aufrichtige liebe zu ihm habe; ſehr honnet ſey; ſich der wohlfarth des gemei-

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/140>, abgerufen am 30.04.2024.