grosse Licht der Lutherischen Kirche, so bald ihn der Wein nur ein wenig erhi- tzet hatte, an, allerhand seltsame Discurse zu führen. Vornemlich redete er starck wieder die Römisch-Catholischen, fragte auch endlich den Hertzog, ob er wohl wisse, wann die Rosen-Cräntze derer Römisch-Catholischen am wohlfeilsten wären? Der Hertzog sagte nein, das wisse er nicht. Dar- auf ließ sich der grosse Theologus also heraus: Ew. Durchl. geruhen zu ver- nehmen, daß die Rosen-Cräntze derer Catholicken in der Kirchen-Zeit am wohlfeilsten, weil sie alsdann am häuffigsten verhanden. Denn es lässet zu der Zeit ein jeder Bauer, welcher nur die Hosen aufmachet, und seinen Bauch ausleeret, deren einen hinter sich liegen. Der Her- tzog lächelte zwar hierüber ein wenig, erröthete aber zu gleicher Zeit in seinem Angesichte, und sprach weiter kein Wort bey der Tafel. Nachdem er aber auf gestanden war, und sich in seinem Cabinet befande, sagte er zu denen Umstehen- den: War das nicht ein grober und häßlicher Streich, den dieser geist- liche Herr begieng? Bewahre mich doch GOtt vor solchen Leuten!
Der geneigte Leser urtheile nunmehro aus diesem und dem übrigen, was er bißhieher gelesen, ob es nicht stoltze und aufgeblasene, tumme und einfältige, grobe und ungehobelte, Narren unter denen Gelehrten geben müsse, sie mögen seyn wes Standes sie wollen, geistlich oder weltlich? Und hiermit mag sich die erste Abhandlung dieses Tractats endigen.
Andere Abhandlung.
EIn sehr gelehrter Italiäner, Trajanus Bocalinus genannt, hat ein Buch heraus gegeben, betitelt: Relationesaus demParnasso, wor- aus ich, bereits in der ersten Abhandlung, eine Passage mit angezogen. Dieses Buch ist in Italiänischer Sprache geschrieben, auch nachhero in die Hochteutsche übersetzet worden, und man findet darinnen die Thorheit, welche sich mit der Gelehrsamkeit vermischet, mit sehr lebendigen und natürlichen Farben abgemahlet; wie dann auch herrliche Lehren dabey gegeben werden. Weil nun nicht zu glauben stehet, daß dieses Buch in so gar vielen Händen
sich
groſſe Licht der Lutheriſchen Kirche, ſo bald ihn der Wein nur ein wenig erhi- tzet hatte, an, allerhand ſeltſame Diſcurſe zu fuͤhren. Vornemlich redete er ſtarck wieder die Roͤmiſch-Catholiſchen, fragte auch endlich den Hertzog, ob er wohl wiſſe, wann die Roſen-Craͤntze derer Roͤmiſch-Catholiſchen am wohlfeilſten waͤren? Der Hertzog ſagte nein, das wiſſe er nicht. Dar- auf ließ ſich der groſſe Theologus alſo heraus: Ew. Durchl. geruhen zu ver- nehmen, daß die Roſen-Craͤntze derer Catholicken in der Kirchen-Zeit am wohlfeilſten, weil ſie alsdann am haͤuffigſten verhanden. Denn es laͤſſet zu der Zeit ein jeder Bauer, welcher nur die Hoſen aufmachet, und ſeinen Bauch ausleeret, deren einen hinter ſich liegen. Der Her- tzog laͤchelte zwar hieruͤber ein wenig, erroͤthete aber zu gleicher Zeit in ſeinem Angeſichte, und ſprach weiter kein Wort bey der Tafel. Nachdem er aber auf geſtanden war, und ſich in ſeinem Cabinet befande, ſagte er zu denen Umſtehen- den: War das nicht ein grober und haͤßlicher Streich, den dieſer geiſt- liche Herr begieng? Bewahre mich doch GOtt vor ſolchen Leuten!
Der geneigte Leſer urtheile nunmehro aus dieſem und dem uͤbrigen, was er bißhieher geleſen, ob es nicht ſtoltze und aufgeblaſene, tumme und einfaͤltige, grobe und ungehobelte, Narren unter denen Gelehrten geben muͤſſe, ſie moͤgen ſeyn wes Standes ſie wollen, geiſtlich oder weltlich? Und hiermit mag ſich die erſte Abhandlung dieſes Tractats endigen.
Andere Abhandlung.
EIn ſehr gelehrter Italiaͤner, Trajanus Bocalinus genannt, hat ein Buch heraus gegeben, betitelt: Relationesaus demParnaſſo, wor- aus ich, bereits in der erſten Abhandlung, eine Paſſage mit angezogen. Dieſes Buch iſt in Italiaͤniſcher Sprache geſchrieben, auch nachhero in die Hochteutſche uͤberſetzet worden, und man findet darinnen die Thorheit, welche ſich mit der Gelehrſamkeit vermiſchet, mit ſehr lebendigen und natuͤrlichen Farben abgemahlet; wie dann auch herrliche Lehren dabey gegeben werden. Weil nun nicht zu glauben ſtehet, daß dieſes Buch in ſo gar vielen Haͤnden
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ſtarck wieder die Roͤmiſch-Catholiſchen, fragte auch endlich den Hertzog, ob
er wohl wiſſe, wann die Roſen-Craͤntze derer Roͤmiſch-Catholiſchen
am wohlfeilſten waͤren? Der Hertzog ſagte nein, das wiſſe er nicht. Dar-
auf ließ ſich der groſſe Theologus alſo heraus: Ew. Durchl. geruhen zu ver-
nehmen, daß die Roſen-Craͤntze derer Catholicken in der Kirchen-Zeit
am wohlfeilſten, weil ſie alsdann am haͤuffigſten verhanden. Denn es
laͤſſet zu der Zeit ein jeder Bauer, welcher nur die Hoſen aufmachet,
und ſeinen Bauch ausleeret, deren einen hinter ſich liegen. Der Her-
tzog laͤchelte zwar hieruͤber ein wenig, erroͤthete aber zu gleicher Zeit in ſeinem
Angeſichte, und ſprach weiter kein Wort bey der Tafel. Nachdem er aber auf
geſtanden war, und ſich in ſeinem Cabinet befande, ſagte er zu denen Umſtehen-
den: War das nicht ein grober und haͤßlicher Streich, den dieſer geiſt-
liche Herr begieng? Bewahre mich doch GOtt vor ſolchen Leuten!
Der geneigte Leſer urtheile nunmehro aus dieſem und dem uͤbrigen, was er
bißhieher geleſen, ob es nicht ſtoltze und aufgeblaſene, tumme und einfaͤltige,
grobe und ungehobelte, Narren unter denen Gelehrten geben muͤſſe, ſie moͤgen
ſeyn wes Standes ſie wollen, geiſtlich oder weltlich? Und hiermit mag ſich die
erſte Abhandlung dieſes Tractats endigen.
Andere Abhandlung.
EIn ſehr gelehrter Italiaͤner, Trajanus Bocalinus genannt, hat ein
Buch heraus gegeben, betitelt: Relationes aus dem Parnaſſo, wor-
aus ich, bereits in der erſten Abhandlung, eine Paſſage mit angezogen.
Dieſes Buch iſt in Italiaͤniſcher Sprache geſchrieben, auch nachhero in die
Hochteutſche uͤberſetzet worden, und man findet darinnen die Thorheit, welche
ſich mit der Gelehrſamkeit vermiſchet, mit ſehr lebendigen und natuͤrlichen
Farben abgemahlet; wie dann auch herrliche Lehren dabey gegeben werden.
Weil nun nicht zu glauben ſtehet, daß dieſes Buch in ſo gar vielen Haͤnden
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/134>, abgerufen am 10.12.2023.
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