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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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bald vor Seraphinische, bald wieder vor Höchst-spitzfindige, Hocherleuch-
tete; Wunderbare, Allgemeine, Tief-gegründeste, Allzeit-fertige Mei-
ster
und Doctores ausgeschrien hat. So ist auch dieses wohl vor andern merck-
würdig, was der vortreffliche Rath und Professor zu Leipzig, Herr Johann
Burckhart Mencke,
in seiner gelehrten Charlatanerie, woraus ich verschiede-
ne Dinge gezogen, die allhier in dieser fünfften Abhandlung mit vorkommen,
von Magist. Hanns Segern, einem gecrönten Poeten und Rector bey der
Stad-Schule zu Wittenberg erzehlet. Dieser hatte, solcher Erzehlung zu Fol-
ge, den gecrentzigten Heyland, auf einem Kupffer abbilden lassen, welchen
er (nemlich der unterm Creutze stehende Seger mit folgenden, aus seinem
Munde gehenden, Worten kurtz und gut anredete: Mein HErr JEsu!
Liebest du mich?
worauf der Heyland, mit einem weitläufftigen Compliment,
vom Creutz herunter antwortete: Ja, Hochberühmter vortrefflicher und
wohlgelahrter Herr
Magister Seger, gecrönter Kayserlicher Poet, und
Hochwohlverdienter
Rector der Wittenbergischen Schule, ich liebe dich.

Aus einem gantz greulichen gelehrten Stoltz und Ubermuth, hat man
auch den hochtrabenden Namen eines Pansophi, das ist, Allwissenden Gelehrten
aufgebracht, dessen sich diejenigen bedienen, welche, um ihres Nutzens willen,
denen Zuhörern alle Geheimnisse und Schwierigkeiten in der Philosophi aufzulö-
sen versprechen; da sie doch kaum ein mager und ausgeriptes Stücke der Welt-
Weißheit recht durchzugehen vermögend seynd. Dannenhero klaget der Herr
Lilienthal in seinem Werckgen von der Machiavellisterey derer Gelehrten,
pag. 96. mit folgenden Worten darüber: Unter diejenigen Narren spricht
er, welche die unverdiente Ehre durch viele Versprechungen zu erlan-
gen trachten, gehören auch diejenigen, die auf
Universitaeten Collegia
Pansophica
anschlagen, worinnen sie die Weißheit alle auf einmahl
lehren wollen. Denn es sind viele gewohnt, durch solche prahlerische
Titel, die unvorsichtige Jugend zu betrügen, und um das Geld zu brin-
gen; aber das ist in Wahrheit eine grosse Raserey. Denn was könte
wohl boßhaffter seyn, als sich GOtt, der allein alles weiß, gleich stel-
len wollen; und wie thöricht ist es nicht sich dessen zu rühmen, das
auf der gantzen Welt nicht zu finden ist? Wie elend ist doch diese All-
wissenheit bestellet, welche in der That aufs höchste kaum sechs Wis-
senschafften in sich hält? Es müssen wohl, wo ich mich nicht sehr irre,
so wohl die alten als neuen
Philosophi sehr einfältige und langsame

Köpffe

bald vor Seraphiniſche, bald wieder vor Hoͤchſt-ſpitzfindige, Hocherleuch-
tete; Wunderbare, Allgemeine, Tief-gegruͤndeſte, Allzeit-fertige Mei-
ſter
und Doctores ausgeſchrien hat. So iſt auch dieſes wohl vor andern merck-
wuͤrdig, was der vortreffliche Rath und Profeſſor zu Leipzig, Herr Johann
Burckhart Mencke,
in ſeiner gelehrten Charlatanerie, woraus ich verſchiede-
ne Dinge gezogen, die allhier in dieſer fuͤnfften Abhandlung mit vorkommen,
von Magiſt. Hanns Segern, einem gecroͤnten Poëten und Rector bey der
Stad-Schule zu Wittenberg erzehlet. Dieſer hatte, ſolcher Erzehlung zu Fol-
ge, den gecrentzigten Heyland, auf einem Kupffer abbilden laſſen, welchen
er (nemlich der unterm Creutze ſtehende Seger mit folgenden, aus ſeinem
Munde gehenden, Worten kurtz und gut anredete: Mein HErr JEſu!
Liebeſt du mich?
worauf der Heyland, mit einem weitlaͤufftigen Compliment,
vom Creutz herunter antwortete: Ja, Hochberuͤhmter vortrefflicher und
wohlgelahrter Herr
Magiſter Seger, gecroͤnter Kayſerlicher Poët, und
Hochwohlverdienter
Rector der Wittenbergiſchen Schule, ich liebe dich.

Aus einem gantz greulichen gelehrten Stoltz und Ubermuth, hat man
auch den hochtrabenden Namen eines Panſophi, das iſt, Allwiſſenden Gelehrten
aufgebracht, deſſen ſich diejenigen bedienen, welche, um ihres Nutzens willen,
denen Zuhoͤrern alle Geheimniſſe und Schwierigkeiten in der Philoſophi aufzuloͤ-
ſen verſprechen; da ſie doch kaum ein mager und ausgeriptes Stuͤcke der Welt-
Weißheit recht durchzugehen vermoͤgend ſeynd. Dannenhero klaget der Herr
Lilienthal in ſeinem Werckgen von der Machiavelliſterey derer Gelehrten,
pag. 96. mit folgenden Worten daruͤber: Unter diejenigen Narren ſpricht
er, welche die unverdiente Ehre durch viele Verſprechungen zu erlan-
gen trachten, gehoͤren auch diejenigen, die auf
Univerſitæten Collegia
Panſophica
anſchlagen, worinnen ſie die Weißheit alle auf einmahl
lehren wollen. Denn es ſind viele gewohnt, durch ſolche prahleriſche
Titel, die unvorſichtige Jugend zu betruͤgen, und um das Geld zu brin-
gen; aber das iſt in Wahrheit eine groſſe Raſerey. Denn was koͤnte
wohl boßhaffter ſeyn, als ſich GOtt, der allein alles weiß, gleich ſtel-
len wollen; und wie thoͤricht iſt es nicht ſich deſſen zu ruͤhmen, das
auf der gantzen Welt nicht zu finden iſt? Wie elend iſt doch dieſe All-
wiſſenheit beſtellet, welche in der That aufs hoͤchſte kaum ſechs Wiſ-
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Philoſophi ſehr einfaͤltige und langſame

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/238>, abgerufen am 27.04.2024.