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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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In Summa, jedermann erstaunte über mich;
Nichts kam mir saurer an, als nur --- ich sags nicht gerne,
Die erste Musterung, da setzt es manchen Stich,
Da hieß es: Knacke mir doch einmahl diese Kerne.
Sub rosa, ich bestund wie Butter an der Hitze,
Und kam nicht unbefleckt durch diese Marter-Pfitze.
Da solt ich, dencke nur, und zwar ex tempore,
Ein Quart-Blatt voll Latein und ohne Bücher schreiben,
Gleich als wenn alle Kunst in dem Latein besteh,
Da doch dergleichen Qvarck muß vor die Füchse bleiben;
Ist schon die Chrie nicht recht nach dem Donat gerathen,
Quid tum? der Stilus bringt uns keine Wildpret-Braten.
Rach diesem fragte man aus der Philosophie,
Und zwar, wie Du schon weiß't, fein nach der alten mode;
Allein, was scheren mich die grauen Termini?
Der Aristoteles ist lange schon marode:
Die Neuen lernen uns viel besser raisoniren,
Daß man die Wahrheit kan recht aus dem Kothe führen.
Dergleichen hab ich auch mein Tage nicht gehört,
Wie man uus dazumahl so scharff herum genommen.
Ja hätte man die Uhr nicht zeitig umgekehrt,
Ich wäre gantz gewiß um den Magister kommen;
Wir wurden ausgehuntzt, als wie die Bettel-Jungen,
Die um das liebe Brodt beym Bürger-Meister sungen.
Der, so mir dazumahl nechst in den Rücken stand,
Gab gleich wie Nachbar Hanß bey guten Zeiten Feuer,
Ja, dieser Weißheits-Bach floß in mein dürres Land,
Sonst war der gute Rath auf allen Seiten theuer;
Der Himmel wird dafür ihm eine Pfarre geben,
Darauf er, als ein Fürst, nebst Weib und Kind kan leben.
Man fragte auf die letzt: Was ein Sophisma sey,
Und die Figur, in der man solches müste machen?
Die Fünffte sagte ich, die ist des Zweiffels frey,
Darein gehören ja dergleichen sieben Sachen;
Und kurtz: man qvälte uns, als wie die armen Hunde;
Ach GOtt bewahre mich doch für dergleichen Stunde;
Je-
B 2
In Summa, jedermann erſtaunte uͤber mich;
Nichts kam mir ſaurer an, als nur --- ich ſags nicht gerne,
Die erſte Muſterung, da ſetzt es manchen Stich,
Da hieß es: Knacke mir doch einmahl dieſe Kerne.
Sub roſa, ich beſtund wie Butter an der Hitze,
Und kam nicht unbefleckt durch dieſe Marter-Pfitze.
Da ſolt ich, dencke nur, und zwar ex tempore,
Ein Quart-Blatt voll Latein und ohne Buͤcher ſchreiben,
Gleich als wenn alle Kunſt in dem Latein beſteh,
Da doch dergleichen Qvarck muß vor die Fuͤchſe bleiben;
Iſt ſchon die Chrie nicht recht nach dem Donat gerathen,
Quid tum? der Stilus bringt uns keine Wildpret-Braten.
Rach dieſem fragte man aus der Philoſophie,
Und zwar, wie Du ſchon weiß’t, fein nach der alten mode;
Allein, was ſcheren mich die grauen Termini?
Der Ariſtoteles iſt lange ſchon marode:
Die Neuen lernen uns viel beſſer raiſoniren,
Daß man die Wahrheit kan recht aus dem Kothe fuͤhren.
Dergleichen hab ich auch mein Tage nicht gehoͤrt,
Wie man uus dazumahl ſo ſcharff herum genommen.
Ja haͤtte man die Uhr nicht zeitig umgekehrt,
Ich waͤre gantz gewiß um den Magiſter kommen;
Wir wurden ausgehuntzt, als wie die Bettel-Jungen,
Die um das liebe Brodt beym Buͤrger-Meiſter ſungen.
Der, ſo mir dazumahl nechſt in den Ruͤcken ſtand,
Gab gleich wie Nachbar Hanß bey guten Zeiten Feuer,
Ja, dieſer Weißheits-Bach floß in mein duͤrres Land,
Sonſt war der gute Rath auf allen Seiten theuer;
Der Himmel wird dafuͤr ihm eine Pfarre geben,
Darauf er, als ein Fuͤrſt, nebſt Weib und Kind kan leben.
Man fragte auf die letzt: Was ein Sophiſma ſey,
Und die Figur, in der man ſolches muͤſte machen?
Die Fuͤnffte ſagte ich, die iſt des Zweiffels frey,
Darein gehoͤren ja dergleichen ſieben Sachen;
Und kurtz: man qvaͤlte uns, als wie die armen Hunde;
Ach GOtt bewahre mich doch fuͤr dergleichen Stunde;
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[11/0055] In Summa, jedermann erſtaunte uͤber mich; Nichts kam mir ſaurer an, als nur --- ich ſags nicht gerne, Die erſte Muſterung, da ſetzt es manchen Stich, Da hieß es: Knacke mir doch einmahl dieſe Kerne. Sub roſa, ich beſtund wie Butter an der Hitze, Und kam nicht unbefleckt durch dieſe Marter-Pfitze. Da ſolt ich, dencke nur, und zwar ex tempore, Ein Quart-Blatt voll Latein und ohne Buͤcher ſchreiben, Gleich als wenn alle Kunſt in dem Latein beſteh, Da doch dergleichen Qvarck muß vor die Fuͤchſe bleiben; Iſt ſchon die Chrie nicht recht nach dem Donat gerathen, Quid tum? der Stilus bringt uns keine Wildpret-Braten. Rach dieſem fragte man aus der Philoſophie, Und zwar, wie Du ſchon weiß’t, fein nach der alten mode; Allein, was ſcheren mich die grauen Termini? Der Ariſtoteles iſt lange ſchon marode: Die Neuen lernen uns viel beſſer raiſoniren, Daß man die Wahrheit kan recht aus dem Kothe fuͤhren. Dergleichen hab ich auch mein Tage nicht gehoͤrt, Wie man uus dazumahl ſo ſcharff herum genommen. Ja haͤtte man die Uhr nicht zeitig umgekehrt, Ich waͤre gantz gewiß um den Magiſter kommen; Wir wurden ausgehuntzt, als wie die Bettel-Jungen, Die um das liebe Brodt beym Buͤrger-Meiſter ſungen. Der, ſo mir dazumahl nechſt in den Ruͤcken ſtand, Gab gleich wie Nachbar Hanß bey guten Zeiten Feuer, Ja, dieſer Weißheits-Bach floß in mein duͤrres Land, Sonſt war der gute Rath auf allen Seiten theuer; Der Himmel wird dafuͤr ihm eine Pfarre geben, Darauf er, als ein Fuͤrſt, nebſt Weib und Kind kan leben. Man fragte auf die letzt: Was ein Sophiſma ſey, Und die Figur, in der man ſolches muͤſte machen? Die Fuͤnffte ſagte ich, die iſt des Zweiffels frey, Darein gehoͤren ja dergleichen ſieben Sachen; Und kurtz: man qvaͤlte uns, als wie die armen Hunde; Ach GOtt bewahre mich doch fuͤr dergleichen Stunde; Je- B 2

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/55>, abgerufen am 27.04.2024.