Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

theismus -- sondern nur Einer, Unus. Die Unität, Einheit
hat hier nicht die Bedeutung des Wesens nur, sondern zugleich
der Existenz; die Einheit ist die Existenzialform Gottes.
Drei ist Eins: der Plural ein Singular. Gott ist ein aus
drei Personen bestehendes persönliches Wesen *).

Die drei Personen sind also nur Phantome in den Augen
der Vernunft, denn die Bedingungen oder Bestimmungen,
durch welche sich ihre Persönlichkeit realisiren müßte, sind durch
das Gebot des Monotheismus aufgehoben. Die Einheit
läugnet die Persönlichkeit; die Selbstständigkeit der Personen
geht unter in der Selbstständigkeit der Einheit; sie sind bloße
Relationen
. Der Sohn ist nicht ohne den Vater, der Vater
nicht ohne den Sohn, der heilige Geist, der überhaupt die
Symmetrie stört, drückt nichts aus als die Beziehung beider
auf einander, die aber hier im offenbarsten, auch dem Blind-
gläubigen augenfälligen Widerspruch mit der Bestimmung,
eine bloße Beziehung zu sein, selbst wieder zu einer selbststän-
digen Person gemacht wird. Die göttlichen Personen unter-
scheiden sich aber nur dadurch von einander, wodurch sie sich
gegenseitig auf einander beziehen. Das Wesentliche des Va-
ters als Person ist, daß er Vater, des Sohnes, daß er Sohn
ist. Was der Vater noch außer seiner Vaterschaft ist, das
betrifft nicht seine Persönlichkeit; darin ist er Gott, und als
Gott identisch mit dem Sohne als Gott. Darum heißt es:

*) Die Einheit hat nicht die Bedeutung des Genus, nicht des Unum
sondern des Unus. (S. Augustin. und Petrus Lomb. l. I. dist. 19. c. 7. 8. 9.)
Hi ergo tres, qui unum sunt propter ineffabilem conjunctionem
deitatis, qua ineffabiliter copulantur, unus Deus est. (Petrus L.
l. c. c
. 6.)

theismus — ſondern nur Einer, Unus. Die Unität, Einheit
hat hier nicht die Bedeutung des Weſens nur, ſondern zugleich
der Exiſtenz; die Einheit iſt die Exiſtenzialform Gottes.
Drei iſt Eins: der Plural ein Singular. Gott iſt ein aus
drei Perſonen beſtehendes perſönliches Weſen *).

Die drei Perſonen ſind alſo nur Phantome in den Augen
der Vernunft, denn die Bedingungen oder Beſtimmungen,
durch welche ſich ihre Perſönlichkeit realiſiren müßte, ſind durch
das Gebot des Monotheismus aufgehoben. Die Einheit
läugnet die Perſönlichkeit; die Selbſtſtändigkeit der Perſonen
geht unter in der Selbſtſtändigkeit der Einheit; ſie ſind bloße
Relationen
. Der Sohn iſt nicht ohne den Vater, der Vater
nicht ohne den Sohn, der heilige Geiſt, der überhaupt die
Symmetrie ſtört, drückt nichts aus als die Beziehung beider
auf einander, die aber hier im offenbarſten, auch dem Blind-
gläubigen augenfälligen Widerſpruch mit der Beſtimmung,
eine bloße Beziehung zu ſein, ſelbſt wieder zu einer ſelbſtſtän-
digen Perſon gemacht wird. Die göttlichen Perſonen unter-
ſcheiden ſich aber nur dadurch von einander, wodurch ſie ſich
gegenſeitig auf einander beziehen. Das Weſentliche des Va-
ters als Perſon iſt, daß er Vater, des Sohnes, daß er Sohn
iſt. Was der Vater noch außer ſeiner Vaterſchaft iſt, das
betrifft nicht ſeine Perſönlichkeit; darin iſt er Gott, und als
Gott identiſch mit dem Sohne als Gott. Darum heißt es:

*) Die Einheit hat nicht die Bedeutung des Genus, nicht des Unum
ſondern des Unus. (S. Augustin. und Petrus Lomb. l. I. dist. 19. c. 7. 8. 9.)
Hi ergo tres, qui unum sunt propter ineffabilem conjunctionem
deitatis, qua ineffabiliter copulantur, unus Deus est. (Petrus L.
l. c. c
. 6.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0336" n="318"/>
theismus &#x2014; &#x017F;ondern nur Einer, <hi rendition="#aq">Unus</hi>. Die Unität, Einheit<lb/>
hat hier nicht die Bedeutung des We&#x017F;ens nur, &#x017F;ondern zugleich<lb/>
der <hi rendition="#g">Exi&#x017F;tenz</hi>; die Einheit i&#x017F;t die Exi&#x017F;tenzialform Gottes.<lb/>
Drei i&#x017F;t Eins: der Plural ein Singular. Gott i&#x017F;t ein aus<lb/>
drei Per&#x017F;onen be&#x017F;tehendes per&#x017F;önliches We&#x017F;en <note place="foot" n="*)">Die Einheit hat nicht die Bedeutung des Genus, nicht des <hi rendition="#aq">Unum</hi><lb/>
&#x017F;ondern des <hi rendition="#aq">Unus</hi>. (S. <hi rendition="#aq">Augustin</hi>. und <hi rendition="#aq">Petrus Lomb. l. I. dist. 19. c. 7. 8. 9.)<lb/><hi rendition="#g">Hi ergo tres</hi>, qui unum sunt propter ineffabilem conjunctionem<lb/>
deitatis, qua ineffabiliter copulantur, <hi rendition="#g">unus Deus est</hi>. (Petrus L.<lb/>
l. c. c</hi>. 6.)</note>.</p><lb/>
          <p>Die drei Per&#x017F;onen &#x017F;ind al&#x017F;o nur Phantome in den Augen<lb/>
der Vernunft, denn die Bedingungen oder Be&#x017F;timmungen,<lb/>
durch welche &#x017F;ich ihre Per&#x017F;önlichkeit reali&#x017F;iren müßte, &#x017F;ind durch<lb/>
das Gebot des <hi rendition="#g">Monotheismus</hi> aufgehoben. Die Einheit<lb/>
läugnet die Per&#x017F;önlichkeit; die Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit der Per&#x017F;onen<lb/>
geht unter in der Selb&#x017F;t&#x017F;tändigkeit der Einheit; &#x017F;ie &#x017F;ind <hi rendition="#g">bloße<lb/>
Relationen</hi>. Der Sohn i&#x017F;t nicht ohne den Vater, der Vater<lb/>
nicht ohne den Sohn, der heilige Gei&#x017F;t, der überhaupt die<lb/>
Symmetrie &#x017F;tört, drückt nichts aus als die Beziehung beider<lb/>
auf einander, die aber hier im offenbar&#x017F;ten, auch dem Blind-<lb/>
gläubigen augenfälligen Wider&#x017F;pruch mit der Be&#x017F;timmung,<lb/>
eine bloße Beziehung zu &#x017F;ein, &#x017F;elb&#x017F;t wieder zu einer &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tän-<lb/>
digen Per&#x017F;on gemacht wird. Die göttlichen Per&#x017F;onen unter-<lb/>
&#x017F;cheiden &#x017F;ich aber nur dadurch von einander, wodurch &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gegen&#x017F;eitig auf einander beziehen. Das We&#x017F;entliche des Va-<lb/>
ters als Per&#x017F;on i&#x017F;t, daß er Vater, des Sohnes, daß er Sohn<lb/>
i&#x017F;t. Was der Vater noch außer &#x017F;einer Vater&#x017F;chaft i&#x017F;t, das<lb/>
betrifft nicht &#x017F;eine Per&#x017F;önlichkeit; darin i&#x017F;t er Gott, und als<lb/>
Gott identi&#x017F;ch mit dem Sohne als Gott. Darum heißt es:<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0336] theismus — ſondern nur Einer, Unus. Die Unität, Einheit hat hier nicht die Bedeutung des Weſens nur, ſondern zugleich der Exiſtenz; die Einheit iſt die Exiſtenzialform Gottes. Drei iſt Eins: der Plural ein Singular. Gott iſt ein aus drei Perſonen beſtehendes perſönliches Weſen *). Die drei Perſonen ſind alſo nur Phantome in den Augen der Vernunft, denn die Bedingungen oder Beſtimmungen, durch welche ſich ihre Perſönlichkeit realiſiren müßte, ſind durch das Gebot des Monotheismus aufgehoben. Die Einheit läugnet die Perſönlichkeit; die Selbſtſtändigkeit der Perſonen geht unter in der Selbſtſtändigkeit der Einheit; ſie ſind bloße Relationen. Der Sohn iſt nicht ohne den Vater, der Vater nicht ohne den Sohn, der heilige Geiſt, der überhaupt die Symmetrie ſtört, drückt nichts aus als die Beziehung beider auf einander, die aber hier im offenbarſten, auch dem Blind- gläubigen augenfälligen Widerſpruch mit der Beſtimmung, eine bloße Beziehung zu ſein, ſelbſt wieder zu einer ſelbſtſtän- digen Perſon gemacht wird. Die göttlichen Perſonen unter- ſcheiden ſich aber nur dadurch von einander, wodurch ſie ſich gegenſeitig auf einander beziehen. Das Weſentliche des Va- ters als Perſon iſt, daß er Vater, des Sohnes, daß er Sohn iſt. Was der Vater noch außer ſeiner Vaterſchaft iſt, das betrifft nicht ſeine Perſönlichkeit; darin iſt er Gott, und als Gott identiſch mit dem Sohne als Gott. Darum heißt es: *) Die Einheit hat nicht die Bedeutung des Genus, nicht des Unum ſondern des Unus. (S. Augustin. und Petrus Lomb. l. I. dist. 19. c. 7. 8. 9.) Hi ergo tres, qui unum sunt propter ineffabilem conjunctionem deitatis, qua ineffabiliter copulantur, unus Deus est. (Petrus L. l. c. c. 6.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/336
Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/336>, abgerufen am 01.05.2024.