Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Birkenmaser-Holz, die rothen Steppdecken von allersimpelstem
Kattun, die Waschtoiletten mit dem Klappdeckel und die beinah
faltenlosen Zitzgardinen, als habe das Zeug in der Breite nicht
gereicht, Alles hat den schlichtbürgerlichsten Charakter von der Welt
und das eitle Herz wird angenehm von der Vorstellung berührt,
daß man in Schlössern schläft wie anderswo.

Doch vergessen wir über diesem stille Behagen nicht die eigent-
liche Aufgabe, die uns hergeführt, und wenden wir uns nunmehr
jenem kleinen Arbeitszimmer zu, das mit größerem Recht, als
der Concertsaal, den Namen des großen Königs führt.

Dies Arbeitszimmer liegt im rechten Flügel des Schlosses
und zwar in dem kleinen Rundthurm, der sich hart an den Flügel
lehnt. Wir passiren eine lange Reihe von Zimmern, bis wir endlich
in ein kleines halbdunkles Vorgemach treten, das sein Licht nur
durch die Glasthür eines unmittelbar vor ihm liegenden Zimmers
empfängt. Dies halbdunkle Vorgemach enthielt die kleine Biblio-
thek, die Friedrich der Große bald nach seiner Thronbesteigung
nach Potsdam schaffen ließ; das davor liegende Zimmer aber, von
dem uns nur noch die Glasthür trennt, ist das Arbeitszimmer
selbst. Es ist klein, höchstens 12 Fuß im Quadrat, hat aber nach
drei Seiten hin eine entzückend schöne Aussicht über Wald und
See. Vor 120 Jahren muß auch das Zimmer selbst einen durch-
aus heitern und angenehmen Eindruck gemacht haben. Es ist ein
Achteck, das mit drei Seiten nach hinten zu in der Mauer steckt,
während 5 Seiten frei und losgelöst nach vorn hin liegen. Das
ganze Zimmer setzt sich aus alternirenden Wand- und Glasflächen
regelrecht zusammen; vier Pannel-Wände, drei Nischenfenster und
eine Glasthür. Die Fensternischen sind sehr tief und haben Raum
genug zur Aufstellung von Polsterbänken, die sich an beiden Seiten
entlang ziehen. An den Pannel-Wänden stehen altmodische Lehn-
stühle mit versilberten Beinen und schlechten, dunklen Kattun-
Ueberzügen. Ueber den Lehnstühlen, in ziemlicher Höhe, sind Con-
solen angebracht, auf denen die Büsten Cicero's, Voltaire's, Dide-
rot's und Rousseau's stehen. Die Holzbekleidung, namentlich in

Birkenmaſer-Holz, die rothen Steppdecken von allerſimpelſtem
Kattun, die Waſchtoiletten mit dem Klappdeckel und die beinah
faltenloſen Zitzgardinen, als habe das Zeug in der Breite nicht
gereicht, Alles hat den ſchlichtbürgerlichſten Charakter von der Welt
und das eitle Herz wird angenehm von der Vorſtellung berührt,
daß man in Schlöſſern ſchläft wie anderswo.

Doch vergeſſen wir über dieſem ſtille Behagen nicht die eigent-
liche Aufgabe, die uns hergeführt, und wenden wir uns nunmehr
jenem kleinen Arbeitszimmer zu, das mit größerem Recht, als
der Concertſaal, den Namen des großen Königs führt.

Dies Arbeitszimmer liegt im rechten Flügel des Schloſſes
und zwar in dem kleinen Rundthurm, der ſich hart an den Flügel
lehnt. Wir paſſiren eine lange Reihe von Zimmern, bis wir endlich
in ein kleines halbdunkles Vorgemach treten, das ſein Licht nur
durch die Glasthür eines unmittelbar vor ihm liegenden Zimmers
empfängt. Dies halbdunkle Vorgemach enthielt die kleine Biblio-
thek, die Friedrich der Große bald nach ſeiner Thronbeſteigung
nach Potsdam ſchaffen ließ; das davor liegende Zimmer aber, von
dem uns nur noch die Glasthür trennt, iſt das Arbeitszimmer
ſelbſt. Es iſt klein, höchſtens 12 Fuß im Quadrat, hat aber nach
drei Seiten hin eine entzückend ſchöne Ausſicht über Wald und
See. Vor 120 Jahren muß auch das Zimmer ſelbſt einen durch-
aus heitern und angenehmen Eindruck gemacht haben. Es iſt ein
Achteck, das mit drei Seiten nach hinten zu in der Mauer ſteckt,
während 5 Seiten frei und losgelöſt nach vorn hin liegen. Das
ganze Zimmer ſetzt ſich aus alternirenden Wand- und Glasflächen
regelrecht zuſammen; vier Pannel-Wände, drei Niſchenfenſter und
eine Glasthür. Die Fenſterniſchen ſind ſehr tief und haben Raum
genug zur Aufſtellung von Polſterbänken, die ſich an beiden Seiten
entlang ziehen. An den Pannel-Wänden ſtehen altmodiſche Lehn-
ſtühle mit verſilberten Beinen und ſchlechten, dunklen Kattun-
Ueberzügen. Ueber den Lehnſtühlen, in ziemlicher Höhe, ſind Con-
ſolen angebracht, auf denen die Büſten Cicero’s, Voltaire’s, Dide-
rot’s und Rouſſeau’s ſtehen. Die Holzbekleidung, namentlich in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0113" n="95"/>
Birkenma&#x017F;er-Holz, die rothen Steppdecken von aller&#x017F;impel&#x017F;tem<lb/>
Kattun, die Wa&#x017F;chtoiletten mit dem Klappdeckel und die beinah<lb/>
faltenlo&#x017F;en Zitzgardinen, als habe das Zeug in der Breite nicht<lb/>
gereicht, Alles hat den &#x017F;chlichtbürgerlich&#x017F;ten Charakter von der Welt<lb/>
und das eitle Herz wird angenehm von der Vor&#x017F;tellung berührt,<lb/>
daß man in Schlö&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;chläft wie anderswo.</p><lb/>
            <p>Doch verge&#x017F;&#x017F;en wir über die&#x017F;em &#x017F;tille Behagen nicht die eigent-<lb/>
liche Aufgabe, die uns hergeführt, und wenden wir uns nunmehr<lb/>
jenem <hi rendition="#g">kleinen Arbeitszimmer</hi> zu, das mit größerem Recht, als<lb/>
der Concert&#x017F;aal, den Namen des großen Königs führt.</p><lb/>
            <p>Dies Arbeitszimmer liegt im <hi rendition="#g">rechten</hi> Flügel des Schlo&#x017F;&#x017F;es<lb/>
und zwar in dem kleinen Rundthurm, der &#x017F;ich hart an den Flügel<lb/>
lehnt. Wir pa&#x017F;&#x017F;iren eine lange Reihe von Zimmern, bis wir endlich<lb/>
in ein kleines halbdunkles Vorgemach treten, das &#x017F;ein Licht nur<lb/>
durch die Glasthür eines unmittelbar vor ihm liegenden Zimmers<lb/>
empfängt. Dies halbdunkle Vorgemach enthielt die kleine Biblio-<lb/>
thek, die Friedrich der Große bald nach &#x017F;einer Thronbe&#x017F;teigung<lb/>
nach Potsdam &#x017F;chaffen ließ; das davor liegende Zimmer aber, von<lb/>
dem uns nur noch die Glasthür trennt, i&#x017F;t das Arbeitszimmer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Es i&#x017F;t klein, höch&#x017F;tens 12 Fuß im Quadrat, hat aber nach<lb/>
drei Seiten hin eine entzückend &#x017F;chöne Aus&#x017F;icht über Wald und<lb/>
See. Vor 120 Jahren muß auch das Zimmer &#x017F;elb&#x017F;t einen durch-<lb/>
aus heitern und angenehmen Eindruck gemacht haben. Es i&#x017F;t ein<lb/>
Achteck, das mit drei Seiten nach hinten zu in der Mauer &#x017F;teckt,<lb/>
während 5 Seiten frei und losgelö&#x017F;t nach vorn hin liegen. Das<lb/>
ganze Zimmer &#x017F;etzt &#x017F;ich aus alternirenden Wand- und Glasflächen<lb/>
regelrecht zu&#x017F;ammen; vier Pannel-Wände, drei Ni&#x017F;chenfen&#x017F;ter und<lb/>
eine Glasthür. Die Fen&#x017F;terni&#x017F;chen &#x017F;ind &#x017F;ehr tief und haben Raum<lb/>
genug zur Auf&#x017F;tellung von Pol&#x017F;terbänken, die &#x017F;ich an beiden Seiten<lb/>
entlang ziehen. An den Pannel-Wänden &#x017F;tehen altmodi&#x017F;che Lehn-<lb/>
&#x017F;tühle mit <hi rendition="#g">ver&#x017F;ilberten</hi> Beinen und &#x017F;chlechten, dunklen Kattun-<lb/>
Ueberzügen. Ueber den Lehn&#x017F;tühlen, in ziemlicher Höhe, &#x017F;ind Con-<lb/>
&#x017F;olen angebracht, auf denen die Bü&#x017F;ten Cicero&#x2019;s, Voltaire&#x2019;s, Dide-<lb/>
rot&#x2019;s und Rou&#x017F;&#x017F;eau&#x2019;s &#x017F;tehen. Die Holzbekleidung, namentlich in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0113] Birkenmaſer-Holz, die rothen Steppdecken von allerſimpelſtem Kattun, die Waſchtoiletten mit dem Klappdeckel und die beinah faltenloſen Zitzgardinen, als habe das Zeug in der Breite nicht gereicht, Alles hat den ſchlichtbürgerlichſten Charakter von der Welt und das eitle Herz wird angenehm von der Vorſtellung berührt, daß man in Schlöſſern ſchläft wie anderswo. Doch vergeſſen wir über dieſem ſtille Behagen nicht die eigent- liche Aufgabe, die uns hergeführt, und wenden wir uns nunmehr jenem kleinen Arbeitszimmer zu, das mit größerem Recht, als der Concertſaal, den Namen des großen Königs führt. Dies Arbeitszimmer liegt im rechten Flügel des Schloſſes und zwar in dem kleinen Rundthurm, der ſich hart an den Flügel lehnt. Wir paſſiren eine lange Reihe von Zimmern, bis wir endlich in ein kleines halbdunkles Vorgemach treten, das ſein Licht nur durch die Glasthür eines unmittelbar vor ihm liegenden Zimmers empfängt. Dies halbdunkle Vorgemach enthielt die kleine Biblio- thek, die Friedrich der Große bald nach ſeiner Thronbeſteigung nach Potsdam ſchaffen ließ; das davor liegende Zimmer aber, von dem uns nur noch die Glasthür trennt, iſt das Arbeitszimmer ſelbſt. Es iſt klein, höchſtens 12 Fuß im Quadrat, hat aber nach drei Seiten hin eine entzückend ſchöne Ausſicht über Wald und See. Vor 120 Jahren muß auch das Zimmer ſelbſt einen durch- aus heitern und angenehmen Eindruck gemacht haben. Es iſt ein Achteck, das mit drei Seiten nach hinten zu in der Mauer ſteckt, während 5 Seiten frei und losgelöſt nach vorn hin liegen. Das ganze Zimmer ſetzt ſich aus alternirenden Wand- und Glasflächen regelrecht zuſammen; vier Pannel-Wände, drei Niſchenfenſter und eine Glasthür. Die Fenſterniſchen ſind ſehr tief und haben Raum genug zur Aufſtellung von Polſterbänken, die ſich an beiden Seiten entlang ziehen. An den Pannel-Wänden ſtehen altmodiſche Lehn- ſtühle mit verſilberten Beinen und ſchlechten, dunklen Kattun- Ueberzügen. Ueber den Lehnſtühlen, in ziemlicher Höhe, ſind Con- ſolen angebracht, auf denen die Büſten Cicero’s, Voltaire’s, Dide- rot’s und Rouſſeau’s ſtehen. Die Holzbekleidung, namentlich in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/113
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/113>, abgerufen am 11.05.2024.