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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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war der größte Theil des Luch's zu passiren; dann mähte man
das Gras, allein nur an wenigen Stellen konnte es mittels Wagen
herausgebracht werden; an den meisten mußte man es bis in den
Winter in Haufen stehen lassen, um bei gefrornem Boden es ein-
zufahren. Unter allen Umständen war das Gras schlecht und eine
kümmerliche Nahrung. So wenig nutzbar dieses Bruch für den
Menschen und sein Hausvieh war, so vortrefflich war es für das
Wild geeignet. In früheren Zeiten hausten hier selbst Thiere,
welche jetzt in der Mark nicht mehr vorkommen, wie Luchse, Bären
und Wölfe. Besonders aber waren es die Sumpfvögel, Kraniche und
Störche, welche hochbeinig in diesem Paradiese der Frösche einher-
stolzirten und mit ihnen bewohnte die Wasser ein unendliches
Heer von Enten aller Art, nebst einer Unzahl anderer Wasservögel.
Kibitze, Rohrsänger, Birkhähne, alles war da und in den Flüssen
fanden sich Schildkröten, wie allerhand Schlangen in dem mitten
im Luch gelegenen Zotzenwald."

Im Rhin-Luch änderten sich diese Dinge schon zu Anfang
des 16. Jahrhunderts; Gräben wurden gezogen, das Wasser floß
ab und die Herstellung eines Dammes quer durch's Luch hindurch
wurde möglich. Wo sonst die Fehrbelliner Fähre, über Sumpf
und See hin, auf- und abgefahren war, erstreckte sich jetzt der
Fehrbelliner Damm. Das Jahr genau zu bestimmen, wann dieser
Damm gebaut wurde, ist nicht mehr möglich; doch existirt schon
aus dem Jahre 1582 eine Verordnung, in der von Seiten des
Kurfürsten Johann Georg "dem Capitul zu Cölln an der Spree,
den von Bredows zu Kremmen und Friesack, den Bellins zu
Bellin und allen Zietens zu Dechtow und Brunne kund und zu
wissen gethan wird, daß der Bellin'sche Fährdamm sehr böse
sei und zu mehrerer Beständigkeit mit Steinen belegt
werden solle
."

Das große Havelländische Luch blieb in seinem Urzustand
bis 1718, wo unter Friedrich Wilhelm I. die Entwässerung
begann. Vorstellungen von Seiten der zunächst Betheiligten, die
ihren eigenen Vortheil, wie so oft, nicht einzusehen vermochten,

war der größte Theil des Luch’s zu paſſiren; dann mähte man
das Gras, allein nur an wenigen Stellen konnte es mittels Wagen
herausgebracht werden; an den meiſten mußte man es bis in den
Winter in Haufen ſtehen laſſen, um bei gefrornem Boden es ein-
zufahren. Unter allen Umſtänden war das Gras ſchlecht und eine
kümmerliche Nahrung. So wenig nutzbar dieſes Bruch für den
Menſchen und ſein Hausvieh war, ſo vortrefflich war es für das
Wild geeignet. In früheren Zeiten hauſten hier ſelbſt Thiere,
welche jetzt in der Mark nicht mehr vorkommen, wie Luchſe, Bären
und Wölfe. Beſonders aber waren es die Sumpfvögel, Kraniche und
Störche, welche hochbeinig in dieſem Paradieſe der Fröſche einher-
ſtolzirten und mit ihnen bewohnte die Waſſer ein unendliches
Heer von Enten aller Art, nebſt einer Unzahl anderer Waſſervögel.
Kibitze, Rohrſänger, Birkhähne, alles war da und in den Flüſſen
fanden ſich Schildkröten, wie allerhand Schlangen in dem mitten
im Luch gelegenen Zotzenwald.“

Im Rhin-Luch änderten ſich dieſe Dinge ſchon zu Anfang
des 16. Jahrhunderts; Gräben wurden gezogen, das Waſſer floß
ab und die Herſtellung eines Dammes quer durch’s Luch hindurch
wurde möglich. Wo ſonſt die Fehrbelliner Fähre, über Sumpf
und See hin, auf- und abgefahren war, erſtreckte ſich jetzt der
Fehrbelliner Damm. Das Jahr genau zu beſtimmen, wann dieſer
Damm gebaut wurde, iſt nicht mehr möglich; doch exiſtirt ſchon
aus dem Jahre 1582 eine Verordnung, in der von Seiten des
Kurfürſten Johann Georg „dem Capitul zu Cölln an der Spree,
den von Bredows zu Kremmen und Frieſack, den Bellins zu
Bellin und allen Zietens zu Dechtow und Brunne kund und zu
wiſſen gethan wird, daß der Bellin’ſche Fährdamm ſehr böſe
ſei und zu mehrerer Beſtändigkeit mit Steinen belegt
werden ſolle
.“

Das große Havelländiſche Luch blieb in ſeinem Urzuſtand
bis 1718, wo unter Friedrich Wilhelm I. die Entwäſſerung
begann. Vorſtellungen von Seiten der zunächſt Betheiligten, die
ihren eigenen Vortheil, wie ſo oft, nicht einzuſehen vermochten,

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[175/0193] war der größte Theil des Luch’s zu paſſiren; dann mähte man das Gras, allein nur an wenigen Stellen konnte es mittels Wagen herausgebracht werden; an den meiſten mußte man es bis in den Winter in Haufen ſtehen laſſen, um bei gefrornem Boden es ein- zufahren. Unter allen Umſtänden war das Gras ſchlecht und eine kümmerliche Nahrung. So wenig nutzbar dieſes Bruch für den Menſchen und ſein Hausvieh war, ſo vortrefflich war es für das Wild geeignet. In früheren Zeiten hauſten hier ſelbſt Thiere, welche jetzt in der Mark nicht mehr vorkommen, wie Luchſe, Bären und Wölfe. Beſonders aber waren es die Sumpfvögel, Kraniche und Störche, welche hochbeinig in dieſem Paradieſe der Fröſche einher- ſtolzirten und mit ihnen bewohnte die Waſſer ein unendliches Heer von Enten aller Art, nebſt einer Unzahl anderer Waſſervögel. Kibitze, Rohrſänger, Birkhähne, alles war da und in den Flüſſen fanden ſich Schildkröten, wie allerhand Schlangen in dem mitten im Luch gelegenen Zotzenwald.“ Im Rhin-Luch änderten ſich dieſe Dinge ſchon zu Anfang des 16. Jahrhunderts; Gräben wurden gezogen, das Waſſer floß ab und die Herſtellung eines Dammes quer durch’s Luch hindurch wurde möglich. Wo ſonſt die Fehrbelliner Fähre, über Sumpf und See hin, auf- und abgefahren war, erſtreckte ſich jetzt der Fehrbelliner Damm. Das Jahr genau zu beſtimmen, wann dieſer Damm gebaut wurde, iſt nicht mehr möglich; doch exiſtirt ſchon aus dem Jahre 1582 eine Verordnung, in der von Seiten des Kurfürſten Johann Georg „dem Capitul zu Cölln an der Spree, den von Bredows zu Kremmen und Frieſack, den Bellins zu Bellin und allen Zietens zu Dechtow und Brunne kund und zu wiſſen gethan wird, daß der Bellin’ſche Fährdamm ſehr böſe ſei und zu mehrerer Beſtändigkeit mit Steinen belegt werden ſolle.“ Das große Havelländiſche Luch blieb in ſeinem Urzuſtand bis 1718, wo unter Friedrich Wilhelm I. die Entwäſſerung begann. Vorſtellungen von Seiten der zunächſt Betheiligten, die ihren eigenen Vortheil, wie ſo oft, nicht einzuſehen vermochten,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/193>, abgerufen am 12.05.2024.