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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Bildniß des alten Helden grüßte. Alles in allem gerechnet, befinden
sich wohl an 40 Zieten-Portraits im Schloß. Viele von diesen
Bildnissen, besonders die Stiche, sind allgemeiner gekannte Blätter;
nicht so die Oelbilder, deren wir (ohne für Vollständigkeit zu bür-
gen) zunächst acht zählen, sieben Portraits und das achte, ein
Genrebild aus der Sammlung des Markgrafen Karl von Schwedt.
Es stellt möglicherweise die Scene dar (vergl. Zietens Biographie
von Frau von Blumenthal S. 56), wie der damalige Major von
Zieten an den Oberstlieutenant von Wurmb herantritt, um die
Remontepferde, die ihm zukommen, für seine Schwadron zu for-
dern, eine Scene, die bekanntlich auf der Stelle zu einem wüthen-
den Zweikampf führte. Doch ist diese Auslegung nur eine muth-
maßliche, da die ganze Scenerie des Bildes anders ist als die
Lokalität, die Frau von Blumenthal beschreibt. Die sieben Por-
traits, mit Ausnahme eines einzigen, sind sämmtlich Bilder des
"alten Zieten" und deshalb, trotz einzelner Abweichungen in Uni-
form und Haltung, in ihren unterscheidenden Merkmalen schwer
zu charakterisiren. Nur das älteste Portrait, das bis ins Jahr
1726 zurückgeht und den "alten Zieten," den wir uns ohne Run-
zeln und Husaren-Uniform kaum denken können, als einen jungen
Offizier bei den von Wuthenow'schen Dragonern darstellt, zeichnet
sich schon dadurch vor allen andern Bildnissen aus. Zieten, damals
27 Jahr alt, trägt einen Stahlküraß, wie es scheint, und über
demselben eine graue Uniform (früher vielleicht weiß) mit schmalen
blauen Aufschlägen. Ob das Bild ächt ist, steht dahin; von Aehn-
lichkeit mit dem "alten Zieten" natürlich keine Spur.

Wir verlassen nun den Saal und das Haus, passiren die
andere, mehr dem Dorfe zu gelegene Hälfte des Parkes, über-
schreiten die hübsche Dorfstraße und stehen nun auf einem geräu-
migen Rasenplatze, in dessen Mitte sich die Dorfkirche erhebt. Das
Chor der Kirche liegt dem Herrenhause, der Thurm und die Giebel-
seite dem Kirchhofe zu. Zwischen Thurm und Friedhof steht eine
mächtige alte Linde. Die Kirche selbst, in Kreuzform aufgeführt,
ist ein Ideal von einer Dorfkirche: schlicht, sauber, einladend

Bildniß des alten Helden grüßte. Alles in allem gerechnet, befinden
ſich wohl an 40 Zieten-Portraits im Schloß. Viele von dieſen
Bildniſſen, beſonders die Stiche, ſind allgemeiner gekannte Blätter;
nicht ſo die Oelbilder, deren wir (ohne für Vollſtändigkeit zu bür-
gen) zunächſt acht zählen, ſieben Portraits und das achte, ein
Genrebild aus der Sammlung des Markgrafen Karl von Schwedt.
Es ſtellt möglicherweiſe die Scene dar (vergl. Zietens Biographie
von Frau von Blumenthal S. 56), wie der damalige Major von
Zieten an den Oberſtlieutenant von Wurmb herantritt, um die
Remontepferde, die ihm zukommen, für ſeine Schwadron zu for-
dern, eine Scene, die bekanntlich auf der Stelle zu einem wüthen-
den Zweikampf führte. Doch iſt dieſe Auslegung nur eine muth-
maßliche, da die ganze Scenerie des Bildes anders iſt als die
Lokalität, die Frau von Blumenthal beſchreibt. Die ſieben Por-
traits, mit Ausnahme eines einzigen, ſind ſämmtlich Bilder des
alten Zieten“ und deshalb, trotz einzelner Abweichungen in Uni-
form und Haltung, in ihren unterſcheidenden Merkmalen ſchwer
zu charakteriſiren. Nur das älteſte Portrait, das bis ins Jahr
1726 zurückgeht und den „alten Zieten,“ den wir uns ohne Run-
zeln und Huſaren-Uniform kaum denken können, als einen jungen
Offizier bei den von Wuthenow’ſchen Dragonern darſtellt, zeichnet
ſich ſchon dadurch vor allen andern Bildniſſen aus. Zieten, damals
27 Jahr alt, trägt einen Stahlküraß, wie es ſcheint, und über
demſelben eine graue Uniform (früher vielleicht weiß) mit ſchmalen
blauen Aufſchlägen. Ob das Bild ächt iſt, ſteht dahin; von Aehn-
lichkeit mit dem „alten Zieten“ natürlich keine Spur.

Wir verlaſſen nun den Saal und das Haus, paſſiren die
andere, mehr dem Dorfe zu gelegene Hälfte des Parkes, über-
ſchreiten die hübſche Dorfſtraße und ſtehen nun auf einem geräu-
migen Raſenplatze, in deſſen Mitte ſich die Dorfkirche erhebt. Das
Chor der Kirche liegt dem Herrenhauſe, der Thurm und die Giebel-
ſeite dem Kirchhofe zu. Zwiſchen Thurm und Friedhof ſteht eine
mächtige alte Linde. Die Kirche ſelbſt, in Kreuzform aufgeführt,
iſt ein Ideal von einer Dorfkirche: ſchlicht, ſauber, einladend

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[9/0027] Bildniß des alten Helden grüßte. Alles in allem gerechnet, befinden ſich wohl an 40 Zieten-Portraits im Schloß. Viele von dieſen Bildniſſen, beſonders die Stiche, ſind allgemeiner gekannte Blätter; nicht ſo die Oelbilder, deren wir (ohne für Vollſtändigkeit zu bür- gen) zunächſt acht zählen, ſieben Portraits und das achte, ein Genrebild aus der Sammlung des Markgrafen Karl von Schwedt. Es ſtellt möglicherweiſe die Scene dar (vergl. Zietens Biographie von Frau von Blumenthal S. 56), wie der damalige Major von Zieten an den Oberſtlieutenant von Wurmb herantritt, um die Remontepferde, die ihm zukommen, für ſeine Schwadron zu for- dern, eine Scene, die bekanntlich auf der Stelle zu einem wüthen- den Zweikampf führte. Doch iſt dieſe Auslegung nur eine muth- maßliche, da die ganze Scenerie des Bildes anders iſt als die Lokalität, die Frau von Blumenthal beſchreibt. Die ſieben Por- traits, mit Ausnahme eines einzigen, ſind ſämmtlich Bilder des „alten Zieten“ und deshalb, trotz einzelner Abweichungen in Uni- form und Haltung, in ihren unterſcheidenden Merkmalen ſchwer zu charakteriſiren. Nur das älteſte Portrait, das bis ins Jahr 1726 zurückgeht und den „alten Zieten,“ den wir uns ohne Run- zeln und Huſaren-Uniform kaum denken können, als einen jungen Offizier bei den von Wuthenow’ſchen Dragonern darſtellt, zeichnet ſich ſchon dadurch vor allen andern Bildniſſen aus. Zieten, damals 27 Jahr alt, trägt einen Stahlküraß, wie es ſcheint, und über demſelben eine graue Uniform (früher vielleicht weiß) mit ſchmalen blauen Aufſchlägen. Ob das Bild ächt iſt, ſteht dahin; von Aehn- lichkeit mit dem „alten Zieten“ natürlich keine Spur. Wir verlaſſen nun den Saal und das Haus, paſſiren die andere, mehr dem Dorfe zu gelegene Hälfte des Parkes, über- ſchreiten die hübſche Dorfſtraße und ſtehen nun auf einem geräu- migen Raſenplatze, in deſſen Mitte ſich die Dorfkirche erhebt. Das Chor der Kirche liegt dem Herrenhauſe, der Thurm und die Giebel- ſeite dem Kirchhofe zu. Zwiſchen Thurm und Friedhof ſteht eine mächtige alte Linde. Die Kirche ſelbſt, in Kreuzform aufgeführt, iſt ein Ideal von einer Dorfkirche: ſchlicht, ſauber, einladend

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/27>, abgerufen am 28.04.2024.