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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Marmor, das sich an dem dunkelfarbigen Aschenkruge des Denk-
mals befindet und außer einer Silhouette im Schloß selber, das
einzige Bildniß ist, das uns den immer en face abgebildeten Kopf
des Alten, auch 'mal in seinen Profillinien zeigt. Daß diese
Linien nicht schön sind, thut nichts zur Sache.

Das Marmor-Denkmal des alten Helden reicht an ihn selber
nicht heran; es entspricht ihm nicht. Da lob ich mir im Gegensatz
dazu das schlichte Grab, unter dem er draußen schläft. Das
Monument, das ihn ehren soll, steht wind- und wetter-geborgen
drinnen in der Kirche, der Alte selbst aber schläft draußen im
Freien, zugedeckt mit einem schlichten Sandstein, -- ein letztes
Bivouac, wie es sich für den alten Zieten geziemt. Dieser Begräb-
nißplatz befindet sich in einem der vier Winkel, die durch die
Kreuzform der Kirche gebildet werden. Der Raum, von einem
rostigen Eisengitter eingefaßt, war groß genug für vier Gräber.
Hier ruhen die beiden Eltern des alten Zieten, seine zweite Ge-
mahlin (eine geb. v. Platen) und er selbst. Das Aeußere der
vier Gräber ist wenig von einander verschieden. Ein Unterbau von
Backstein erhebt sich zwei Fuß hoch über den Rasen; auf dem
Ziegel-Fundament ruht die Sandsteinplatte. Noch nichts ist ver-
fallen; auch der gegenwärtige Besitzer empfindet, daß er eine histo-
rische Erbschaft angetreten hat und eifert getreulich dem schönen
Vorbild des letzten Zieten nach, dessen ganzes Leben eigentlich
nur ein Cultus seines berühmten Vaters war.

1786 starb Hans Joachim von Zieten; 68 Jahre später
folgte ihm sein Sohn, achtundachtzig Jahre alt. Wir treten jetzt
an sein Grab. Es befindet sich unter der schönen alten Linde,
die zwischen der Kirche und dem leis ansteigenden Kirchhof steht.
Hinter sich die langen Gräberreihen der Bauern und Büdner,
macht dies Grab den Eindruck, als habe der letzte Zieten noch im
Tode den Platz behaupten wollen, der ihm gebührte, den Platz
an der Front seiner Wustrauer. Aehnliche Gedanken beschäftigten
ihn sicherlich, als er zehn oder zwölf Jahre vor seinem Tode dies
Grab zu bauen begann. Ein Hünengrab. Der letzte Zieten, klein

Marmor, das ſich an dem dunkelfarbigen Aſchenkruge des Denk-
mals befindet und außer einer Silhouette im Schloß ſelber, das
einzige Bildniß iſt, das uns den immer en face abgebildeten Kopf
des Alten, auch ’mal in ſeinen Profillinien zeigt. Daß dieſe
Linien nicht ſchön ſind, thut nichts zur Sache.

Das Marmor-Denkmal des alten Helden reicht an ihn ſelber
nicht heran; es entſpricht ihm nicht. Da lob ich mir im Gegenſatz
dazu das ſchlichte Grab, unter dem er draußen ſchläft. Das
Monument, das ihn ehren ſoll, ſteht wind- und wetter-geborgen
drinnen in der Kirche, der Alte ſelbſt aber ſchläft draußen im
Freien, zugedeckt mit einem ſchlichten Sandſtein, — ein letztes
Bivouac, wie es ſich für den alten Zieten geziemt. Dieſer Begräb-
nißplatz befindet ſich in einem der vier Winkel, die durch die
Kreuzform der Kirche gebildet werden. Der Raum, von einem
roſtigen Eiſengitter eingefaßt, war groß genug für vier Gräber.
Hier ruhen die beiden Eltern des alten Zieten, ſeine zweite Ge-
mahlin (eine geb. v. Platen) und er ſelbſt. Das Aeußere der
vier Gräber iſt wenig von einander verſchieden. Ein Unterbau von
Backſtein erhebt ſich zwei Fuß hoch über den Raſen; auf dem
Ziegel-Fundament ruht die Sandſteinplatte. Noch nichts iſt ver-
fallen; auch der gegenwärtige Beſitzer empfindet, daß er eine hiſto-
riſche Erbſchaft angetreten hat und eifert getreulich dem ſchönen
Vorbild des letzten Zieten nach, deſſen ganzes Leben eigentlich
nur ein Cultus ſeines berühmten Vaters war.

1786 ſtarb Hans Joachim von Zieten; 68 Jahre ſpäter
folgte ihm ſein Sohn, achtundachtzig Jahre alt. Wir treten jetzt
an ſein Grab. Es befindet ſich unter der ſchönen alten Linde,
die zwiſchen der Kirche und dem leis anſteigenden Kirchhof ſteht.
Hinter ſich die langen Gräberreihen der Bauern und Büdner,
macht dies Grab den Eindruck, als habe der letzte Zieten noch im
Tode den Platz behaupten wollen, der ihm gebührte, den Platz
an der Front ſeiner Wuſtrauer. Aehnliche Gedanken beſchäftigten
ihn ſicherlich, als er zehn oder zwölf Jahre vor ſeinem Tode dies
Grab zu bauen begann. Ein Hünengrab. Der letzte Zieten, klein

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[11/0029] Marmor, das ſich an dem dunkelfarbigen Aſchenkruge des Denk- mals befindet und außer einer Silhouette im Schloß ſelber, das einzige Bildniß iſt, das uns den immer en face abgebildeten Kopf des Alten, auch ’mal in ſeinen Profillinien zeigt. Daß dieſe Linien nicht ſchön ſind, thut nichts zur Sache. Das Marmor-Denkmal des alten Helden reicht an ihn ſelber nicht heran; es entſpricht ihm nicht. Da lob ich mir im Gegenſatz dazu das ſchlichte Grab, unter dem er draußen ſchläft. Das Monument, das ihn ehren ſoll, ſteht wind- und wetter-geborgen drinnen in der Kirche, der Alte ſelbſt aber ſchläft draußen im Freien, zugedeckt mit einem ſchlichten Sandſtein, — ein letztes Bivouac, wie es ſich für den alten Zieten geziemt. Dieſer Begräb- nißplatz befindet ſich in einem der vier Winkel, die durch die Kreuzform der Kirche gebildet werden. Der Raum, von einem roſtigen Eiſengitter eingefaßt, war groß genug für vier Gräber. Hier ruhen die beiden Eltern des alten Zieten, ſeine zweite Ge- mahlin (eine geb. v. Platen) und er ſelbſt. Das Aeußere der vier Gräber iſt wenig von einander verſchieden. Ein Unterbau von Backſtein erhebt ſich zwei Fuß hoch über den Raſen; auf dem Ziegel-Fundament ruht die Sandſteinplatte. Noch nichts iſt ver- fallen; auch der gegenwärtige Beſitzer empfindet, daß er eine hiſto- riſche Erbſchaft angetreten hat und eifert getreulich dem ſchönen Vorbild des letzten Zieten nach, deſſen ganzes Leben eigentlich nur ein Cultus ſeines berühmten Vaters war. 1786 ſtarb Hans Joachim von Zieten; 68 Jahre ſpäter folgte ihm ſein Sohn, achtundachtzig Jahre alt. Wir treten jetzt an ſein Grab. Es befindet ſich unter der ſchönen alten Linde, die zwiſchen der Kirche und dem leis anſteigenden Kirchhof ſteht. Hinter ſich die langen Gräberreihen der Bauern und Büdner, macht dies Grab den Eindruck, als habe der letzte Zieten noch im Tode den Platz behaupten wollen, der ihm gebührte, den Platz an der Front ſeiner Wuſtrauer. Aehnliche Gedanken beſchäftigten ihn ſicherlich, als er zehn oder zwölf Jahre vor ſeinem Tode dies Grab zu bauen begann. Ein Hünengrab. Der letzte Zieten, klein

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/29>, abgerufen am 27.04.2024.