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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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wie er war, verlangte Raum im Tode. Er baute ein Grab nicht
für sich, sondern für das Geschlecht, das mit ihm schlafen ging.
Mit Vorliebe entwarf er den Plan und leitete er den Bau. Eine
Gruft wurde gegraben und ausgemauert und nun ein Riesen-
Feldstein (wie sich deren viele auf der Wustrauer Feldmark vor-
finden) auf das offene Grab gelegt. Am Fuß-Ende war die Aus-
mauerung nur halb erfolgt, so daß nun durch Zuschrägung und
Fortschaffung des Sandes eine Art Kellerfenster gewonnen war,
durch das der alte Herr in seine letzte Wohnung hineinblicken
konnte. Mit Hülfe dieser Zuschrägung wurde auch später der Sarg
versenkt. Als der König im Jahre 1844 den schon oben erwähnten
Besuch in Wustrau machte, führte ihn der Graf natürlich auch
an die Linde, um ihm das eben fertig gewordene Grab zu zeigen.
Der König wies auf eine Stelle des Riesenfeldsteins und sagte:
"Zieten, der Stein hat einen Fehler!" worauf der alte Herr
erwiederte: "Der drunter liegen wird, hat noch mehr."

Diese Antwort ist so ziemlich das Beste, was vom letzten
Zieten auf die Nachwelt gekommen ist. Einzelne andere Repliken
und Urtheile (z. B. über die Schadowsche Statue, so wie über
Bücher und Bilder, deren Held sein Vater war) sind unbedeutend,
oft ungerecht und fast immer schief. Er sah die Sachen zu ein-
seitig, zu sehr von dem bloß Zietenschen Standpunkt an, um
gerecht sein zu können, selbst wenn ihm ein feinerer ästhetischer
Sinn wenigstens die Möglichkeit gewährt hätte, es zu sein. Dieser
ästhetische Sinn fehlte ihm aber völlig. Selber eine Curiosität,
hatte er es über die Curiositäten-Krämerei nie hinausgebracht.
Sein Witz und Humor verstiegen sich nur bis zur Lust an der
Mystification. Den Alterthumsforschern einen Streich zu spielen,
war ihm ein besonderer Genuß. Er ließ von eigens engagirten
Steinmetzen große Feldsteine concav ausarbeiten, um seine
Wustrauer Feldmark zu einem heidnischen Begräbnißplatz avan-
ciren zu lassen. Am See-Ufer hing er in einem niedlichen Glocken-
häuschen eine irdene Glocke auf, der er zuvor einen Bronce-
Anstrich hatte geben lassen. Er wußte, daß die vorüberfahrenden
Schiffer sie innerhalb acht Tagen stehlen würden. Er hatte sich

wie er war, verlangte Raum im Tode. Er baute ein Grab nicht
für ſich, ſondern für das Geſchlecht, das mit ihm ſchlafen ging.
Mit Vorliebe entwarf er den Plan und leitete er den Bau. Eine
Gruft wurde gegraben und ausgemauert und nun ein Rieſen-
Feldſtein (wie ſich deren viele auf der Wuſtrauer Feldmark vor-
finden) auf das offene Grab gelegt. Am Fuß-Ende war die Aus-
mauerung nur halb erfolgt, ſo daß nun durch Zuſchrägung und
Fortſchaffung des Sandes eine Art Kellerfenſter gewonnen war,
durch das der alte Herr in ſeine letzte Wohnung hineinblicken
konnte. Mit Hülfe dieſer Zuſchrägung wurde auch ſpäter der Sarg
verſenkt. Als der König im Jahre 1844 den ſchon oben erwähnten
Beſuch in Wuſtrau machte, führte ihn der Graf natürlich auch
an die Linde, um ihm das eben fertig gewordene Grab zu zeigen.
Der König wies auf eine Stelle des Rieſenfeldſteins und ſagte:
„Zieten, der Stein hat einen Fehler!“ worauf der alte Herr
erwiederte: „Der drunter liegen wird, hat noch mehr.“

Dieſe Antwort iſt ſo ziemlich das Beſte, was vom letzten
Zieten auf die Nachwelt gekommen iſt. Einzelne andere Repliken
und Urtheile (z. B. über die Schadowſche Statue, ſo wie über
Bücher und Bilder, deren Held ſein Vater war) ſind unbedeutend,
oft ungerecht und faſt immer ſchief. Er ſah die Sachen zu ein-
ſeitig, zu ſehr von dem bloß Zietenſchen Standpunkt an, um
gerecht ſein zu können, ſelbſt wenn ihm ein feinerer äſthetiſcher
Sinn wenigſtens die Möglichkeit gewährt hätte, es zu ſein. Dieſer
äſthetiſche Sinn fehlte ihm aber völlig. Selber eine Curioſität,
hatte er es über die Curioſitäten-Krämerei nie hinausgebracht.
Sein Witz und Humor verſtiegen ſich nur bis zur Luſt an der
Myſtification. Den Alterthumsforſchern einen Streich zu ſpielen,
war ihm ein beſonderer Genuß. Er ließ von eigens engagirten
Steinmetzen große Feldſteine concav ausarbeiten, um ſeine
Wuſtrauer Feldmark zu einem heidniſchen Begräbnißplatz avan-
ciren zu laſſen. Am See-Ufer hing er in einem niedlichen Glocken-
häuschen eine irdene Glocke auf, der er zuvor einen Bronce-
Anſtrich hatte geben laſſen. Er wußte, daß die vorüberfahrenden
Schiffer ſie innerhalb acht Tagen ſtehlen würden. Er hatte ſich

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[12/0030] wie er war, verlangte Raum im Tode. Er baute ein Grab nicht für ſich, ſondern für das Geſchlecht, das mit ihm ſchlafen ging. Mit Vorliebe entwarf er den Plan und leitete er den Bau. Eine Gruft wurde gegraben und ausgemauert und nun ein Rieſen- Feldſtein (wie ſich deren viele auf der Wuſtrauer Feldmark vor- finden) auf das offene Grab gelegt. Am Fuß-Ende war die Aus- mauerung nur halb erfolgt, ſo daß nun durch Zuſchrägung und Fortſchaffung des Sandes eine Art Kellerfenſter gewonnen war, durch das der alte Herr in ſeine letzte Wohnung hineinblicken konnte. Mit Hülfe dieſer Zuſchrägung wurde auch ſpäter der Sarg verſenkt. Als der König im Jahre 1844 den ſchon oben erwähnten Beſuch in Wuſtrau machte, führte ihn der Graf natürlich auch an die Linde, um ihm das eben fertig gewordene Grab zu zeigen. Der König wies auf eine Stelle des Rieſenfeldſteins und ſagte: „Zieten, der Stein hat einen Fehler!“ worauf der alte Herr erwiederte: „Der drunter liegen wird, hat noch mehr.“ Dieſe Antwort iſt ſo ziemlich das Beſte, was vom letzten Zieten auf die Nachwelt gekommen iſt. Einzelne andere Repliken und Urtheile (z. B. über die Schadowſche Statue, ſo wie über Bücher und Bilder, deren Held ſein Vater war) ſind unbedeutend, oft ungerecht und faſt immer ſchief. Er ſah die Sachen zu ein- ſeitig, zu ſehr von dem bloß Zietenſchen Standpunkt an, um gerecht ſein zu können, ſelbſt wenn ihm ein feinerer äſthetiſcher Sinn wenigſtens die Möglichkeit gewährt hätte, es zu ſein. Dieſer äſthetiſche Sinn fehlte ihm aber völlig. Selber eine Curioſität, hatte er es über die Curioſitäten-Krämerei nie hinausgebracht. Sein Witz und Humor verſtiegen ſich nur bis zur Luſt an der Myſtification. Den Alterthumsforſchern einen Streich zu ſpielen, war ihm ein beſonderer Genuß. Er ließ von eigens engagirten Steinmetzen große Feldſteine concav ausarbeiten, um ſeine Wuſtrauer Feldmark zu einem heidniſchen Begräbnißplatz avan- ciren zu laſſen. Am See-Ufer hing er in einem niedlichen Glocken- häuschen eine irdene Glocke auf, der er zuvor einen Bronce- Anſtrich hatte geben laſſen. Er wußte, daß die vorüberfahrenden Schiffer ſie innerhalb acht Tagen ſtehlen würden. Er hatte ſich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/30>, abgerufen am 28.04.2024.