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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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spruches nichts, daß eine leise Bitterkeit oder ein Wort der Resig-
nation seine Sentenzen gelegentlich färbte:

Wie du gelebt, so geh zu Grabe,
Still, prunklos, wenig nur gekannt.
Was du für Welt, für Vaterland,
Für Andre hier gethan, sei stumme Gabe, --
Des Gebers Name werde nie genannt.

So schrieb er am Abend seines Lebens. Bis tief in die Nacht
hinein saß er an seinem Pult. Die schwarze Frau kam und ging,
aber das Knistern ihrer Seide störte ihn nicht, eben so wenig wie
das Knistern im Kamin; er, der dem großen Gespenst des Jahr-
hunderts mit siegreichem Gedanken entgegengetreten war, war schuß-
fest gegen die Geister. Ein Jahr vor seinem Tode ward er Feld-
marschall. Drei Jahre früher war ihm ein erster Enkel geboren
worden, zu dessen Taufe der König versprochen hatte, nach Carwe
zu kommen. Er kam nicht, aber statt seiner traf ein Entschuldi-
gungs-Brief ein, dessen Namenszug mit Hülfe eines angehängten
Schnörkels in ein Wickelkind auslief. Vor diesem Wickelkind, das
natürlich den kleinen Knesebeck repräsentiren soll, steht der König
selbst (ein wohlgelungenes Portrait von Königlicher Hand) und
macht dem Täufling seine Verbeugung; darunter die Worte: "Vivat
et crescat gens Knesebeckiana in aeternum."

Wir verließen das Empfangszimmer und traten wieder in den
Park. An einer der schönsten Stellen desselben hatte uns die
Gärtnersfrau ein Nachmittagsmahl servirt: saure Milch mit jener
chamoisfarbenen Sahnenschicht, die den Residenzler mit allem Zau-
ber der Neuheit berührt. Um uns her, als stumme Zeugen unsrer
Freude, standen 21 Edeltannen und neigten sich gravitätisch im
Abendwind. Diese 21 Tannen pflanzte der alte Feldmarschall im
Sommer 1821, als die Nachricht nach Carwe kam, daß Napoleon
auf St. Helena gestorben sei. Auch das Datum seines Todes
schuf noch eine letzte Berührung zwischen den alten Gegnern; der
5. Mai war der Geburtstag Knesebeck's, wie er der Todestag

ſpruches nichts, daß eine leiſe Bitterkeit oder ein Wort der Reſig-
nation ſeine Sentenzen gelegentlich färbte:

Wie du gelebt, ſo geh zu Grabe,
Still, prunklos, wenig nur gekannt.
Was du für Welt, für Vaterland,
Für Andre hier gethan, ſei ſtumme Gabe, —
Des Gebers Name werde nie genannt.

So ſchrieb er am Abend ſeines Lebens. Bis tief in die Nacht
hinein ſaß er an ſeinem Pult. Die ſchwarze Frau kam und ging,
aber das Kniſtern ihrer Seide ſtörte ihn nicht, eben ſo wenig wie
das Kniſtern im Kamin; er, der dem großen Geſpenſt des Jahr-
hunderts mit ſiegreichem Gedanken entgegengetreten war, war ſchuß-
feſt gegen die Geiſter. Ein Jahr vor ſeinem Tode ward er Feld-
marſchall. Drei Jahre früher war ihm ein erſter Enkel geboren
worden, zu deſſen Taufe der König verſprochen hatte, nach Carwe
zu kommen. Er kam nicht, aber ſtatt ſeiner traf ein Entſchuldi-
gungs-Brief ein, deſſen Namenszug mit Hülfe eines angehängten
Schnörkels in ein Wickelkind auslief. Vor dieſem Wickelkind, das
natürlich den kleinen Kneſebeck repräſentiren ſoll, ſteht der König
ſelbſt (ein wohlgelungenes Portrait von Königlicher Hand) und
macht dem Täufling ſeine Verbeugung; darunter die Worte: „Vivat
et crescat gens Knesebeckiana in aeternum.“

Wir verließen das Empfangszimmer und traten wieder in den
Park. An einer der ſchönſten Stellen deſſelben hatte uns die
Gärtnersfrau ein Nachmittagsmahl ſervirt: ſaure Milch mit jener
chamoisfarbenen Sahnenſchicht, die den Reſidenzler mit allem Zau-
ber der Neuheit berührt. Um uns her, als ſtumme Zeugen unſrer
Freude, ſtanden 21 Edeltannen und neigten ſich gravitätiſch im
Abendwind. Dieſe 21 Tannen pflanzte der alte Feldmarſchall im
Sommer 1821, als die Nachricht nach Carwe kam, daß Napoleon
auf St. Helena geſtorben ſei. Auch das Datum ſeines Todes
ſchuf noch eine letzte Berührung zwiſchen den alten Gegnern; der
5. Mai war der Geburtstag Kneſebeck’s, wie er der Todestag

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[25/0043] ſpruches nichts, daß eine leiſe Bitterkeit oder ein Wort der Reſig- nation ſeine Sentenzen gelegentlich färbte: Wie du gelebt, ſo geh zu Grabe, Still, prunklos, wenig nur gekannt. Was du für Welt, für Vaterland, Für Andre hier gethan, ſei ſtumme Gabe, — Des Gebers Name werde nie genannt. So ſchrieb er am Abend ſeines Lebens. Bis tief in die Nacht hinein ſaß er an ſeinem Pult. Die ſchwarze Frau kam und ging, aber das Kniſtern ihrer Seide ſtörte ihn nicht, eben ſo wenig wie das Kniſtern im Kamin; er, der dem großen Geſpenſt des Jahr- hunderts mit ſiegreichem Gedanken entgegengetreten war, war ſchuß- feſt gegen die Geiſter. Ein Jahr vor ſeinem Tode ward er Feld- marſchall. Drei Jahre früher war ihm ein erſter Enkel geboren worden, zu deſſen Taufe der König verſprochen hatte, nach Carwe zu kommen. Er kam nicht, aber ſtatt ſeiner traf ein Entſchuldi- gungs-Brief ein, deſſen Namenszug mit Hülfe eines angehängten Schnörkels in ein Wickelkind auslief. Vor dieſem Wickelkind, das natürlich den kleinen Kneſebeck repräſentiren ſoll, ſteht der König ſelbſt (ein wohlgelungenes Portrait von Königlicher Hand) und macht dem Täufling ſeine Verbeugung; darunter die Worte: „Vivat et crescat gens Knesebeckiana in aeternum.“ Wir verließen das Empfangszimmer und traten wieder in den Park. An einer der ſchönſten Stellen deſſelben hatte uns die Gärtnersfrau ein Nachmittagsmahl ſervirt: ſaure Milch mit jener chamoisfarbenen Sahnenſchicht, die den Reſidenzler mit allem Zau- ber der Neuheit berührt. Um uns her, als ſtumme Zeugen unſrer Freude, ſtanden 21 Edeltannen und neigten ſich gravitätiſch im Abendwind. Dieſe 21 Tannen pflanzte der alte Feldmarſchall im Sommer 1821, als die Nachricht nach Carwe kam, daß Napoleon auf St. Helena geſtorben ſei. Auch das Datum ſeines Todes ſchuf noch eine letzte Berührung zwiſchen den alten Gegnern; der 5. Mai war der Geburtstag Kneſebeck’s, wie er der Todestag

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/43>, abgerufen am 27.04.2024.