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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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bequem sie dem Einen oder Andern sein mochte, damals wie
heute, sie sicherte, sie bildete, sie baute auf. So auch in
Werder.

Es war im Spätsommer genannten Jahres (1736), als
das eben damals in Brandenburg garnisonirende 3. Bataillon
Leibgarde Befehl erhielt, zur Revue nach Potsdam zu marschiren,
und zwar über Werder. Der Befehl lautete so bestimmt wie
möglich; so blieb nichts anders übrig, als dem Könige rund und
nett zu erklären, daß die Brücke zu Werder unfähig sei, das
3. Bataillon Leibgarde zu tragen. Die Gardemänner aber,
etwa im Gänsemarsch, einzeln in die Stadt einrücken zu lassen,
dieser Vorschlag wurde gar nicht gewagt; Friedrich Wilhelm I.
würde ihn als einen Affront geahndet haben. So gab es denn
nur einen Ausweg, eine -- neue Brücke. Der König ließ
sie aus Chatoullen-Geldern in kürzester Frist herstellen.

Eine neue Brücke war nun da; aber auch in der Stadt
selber sollte es anders werden. Ein Kommando des Leib-
Regiments, aus Gründen, die nicht ersichtlich, war in Werder
geblieben und im Spätherbst erschien Se. Majestät in der Insel-
stadt, um über seine 150 Blauen eine Spezial-Revue abzuhalten.
Es war die unglücklichste Jahreszeit: die Karosse des Königs
blieb mitten auf dem Markt im Moraste stecken, ein Parademarsch
wurde zu einem Unding und die Ungnade des Königs, wenn
dergleichen nicht wieder vorkommen sollte, wandelte sich von selbst
in eine Gnade um: Werder wurde gepflastert.

Die Kirche "zum heiligen Geist," auf der höchsten Stelle
der Insel malerisch gelegen, war schon 2 Jahre vorher einem
Neubau unterzogen worden; ob sie schönheitlich dadurch gewon-
nen hatte, wird zu bezweifeln sein; die Lehniner Mönche ver-
standen sich besser auf Kirchenbau als der Soldatenkönig.
Jedenfalls verbietet sich jetzt noch eine Entscheidung in dieser
Frage, da die Renovation von 1734 längst wieder einem
neuen Umbau gewichen ist, einer wiederhergestellten, spitzen-
reichen Gothik, die, in der Nähe vielleicht mannigfach zu
beanstanden, als Landschafts-Decoration aber, wie eingangs

bequem ſie dem Einen oder Andern ſein mochte, damals wie
heute, ſie ſicherte, ſie bildete, ſie baute auf. So auch in
Werder.

Es war im Spätſommer genannten Jahres (1736), als
das eben damals in Brandenburg garniſonirende 3. Bataillon
Leibgarde Befehl erhielt, zur Revue nach Potsdam zu marſchiren,
und zwar über Werder. Der Befehl lautete ſo beſtimmt wie
möglich; ſo blieb nichts anders übrig, als dem Könige rund und
nett zu erklären, daß die Brücke zu Werder unfähig ſei, das
3. Bataillon Leibgarde zu tragen. Die Gardemänner aber,
etwa im Gänſemarſch, einzeln in die Stadt einrücken zu laſſen,
dieſer Vorſchlag wurde gar nicht gewagt; Friedrich Wilhelm I.
würde ihn als einen Affront geahndet haben. So gab es denn
nur einen Ausweg, eine — neue Brücke. Der König ließ
ſie aus Chatoullen-Geldern in kürzeſter Friſt herſtellen.

Eine neue Brücke war nun da; aber auch in der Stadt
ſelber ſollte es anders werden. Ein Kommando des Leib-
Regiments, aus Gründen, die nicht erſichtlich, war in Werder
geblieben und im Spätherbſt erſchien Se. Majeſtät in der Inſel-
ſtadt, um über ſeine 150 Blauen eine Spezial-Revue abzuhalten.
Es war die unglücklichſte Jahreszeit: die Karoſſe des Königs
blieb mitten auf dem Markt im Moraſte ſtecken, ein Parademarſch
wurde zu einem Unding und die Ungnade des Königs, wenn
dergleichen nicht wieder vorkommen ſollte, wandelte ſich von ſelbſt
in eine Gnade um: Werder wurde gepflaſtert.

Die Kirche „zum heiligen Geiſt,“ auf der höchſten Stelle
der Inſel maleriſch gelegen, war ſchon 2 Jahre vorher einem
Neubau unterzogen worden; ob ſie ſchönheitlich dadurch gewon-
nen hatte, wird zu bezweifeln ſein; die Lehniner Mönche ver-
ſtanden ſich beſſer auf Kirchenbau als der Soldatenkönig.
Jedenfalls verbietet ſich jetzt noch eine Entſcheidung in dieſer
Frage, da die Renovation von 1734 längſt wieder einem
neuen Umbau gewichen iſt, einer wiederhergeſtellten, ſpitzen-
reichen Gothik, die, in der Nähe vielleicht mannigfach zu
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[222/0240] bequem ſie dem Einen oder Andern ſein mochte, damals wie heute, ſie ſicherte, ſie bildete, ſie baute auf. So auch in Werder. Es war im Spätſommer genannten Jahres (1736), als das eben damals in Brandenburg garniſonirende 3. Bataillon Leibgarde Befehl erhielt, zur Revue nach Potsdam zu marſchiren, und zwar über Werder. Der Befehl lautete ſo beſtimmt wie möglich; ſo blieb nichts anders übrig, als dem Könige rund und nett zu erklären, daß die Brücke zu Werder unfähig ſei, das 3. Bataillon Leibgarde zu tragen. Die Gardemänner aber, etwa im Gänſemarſch, einzeln in die Stadt einrücken zu laſſen, dieſer Vorſchlag wurde gar nicht gewagt; Friedrich Wilhelm I. würde ihn als einen Affront geahndet haben. So gab es denn nur einen Ausweg, eine — neue Brücke. Der König ließ ſie aus Chatoullen-Geldern in kürzeſter Friſt herſtellen. Eine neue Brücke war nun da; aber auch in der Stadt ſelber ſollte es anders werden. Ein Kommando des Leib- Regiments, aus Gründen, die nicht erſichtlich, war in Werder geblieben und im Spätherbſt erſchien Se. Majeſtät in der Inſel- ſtadt, um über ſeine 150 Blauen eine Spezial-Revue abzuhalten. Es war die unglücklichſte Jahreszeit: die Karoſſe des Königs blieb mitten auf dem Markt im Moraſte ſtecken, ein Parademarſch wurde zu einem Unding und die Ungnade des Königs, wenn dergleichen nicht wieder vorkommen ſollte, wandelte ſich von ſelbſt in eine Gnade um: Werder wurde gepflaſtert. Die Kirche „zum heiligen Geiſt,“ auf der höchſten Stelle der Inſel maleriſch gelegen, war ſchon 2 Jahre vorher einem Neubau unterzogen worden; ob ſie ſchönheitlich dadurch gewon- nen hatte, wird zu bezweifeln ſein; die Lehniner Mönche ver- ſtanden ſich beſſer auf Kirchenbau als der Soldatenkönig. Jedenfalls verbietet ſich jetzt noch eine Entſcheidung in dieſer Frage, da die Renovation von 1734 längſt wieder einem neuen Umbau gewichen iſt, einer wiederhergeſtellten, ſpitzen- reichen Gothik, die, in der Nähe vielleicht mannigfach zu beanſtanden, als Landſchafts-Decoration aber, wie eingangs

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/240>, abgerufen am 09.05.2024.