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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
habe. Mit den aufgelegten Kompressen war er zu¬
frieden. "Lassen Sie noch etwas Bleiwasser holen
und Annie morgen zu Hause bleiben. Überhaupt
Ruhe." Dann frug er noch nach der gnädigen Frau
und wie die Nachrichten aus Ems seien; er werde
den andern Tag wieder kommen und nachsehen.


Als man von Tisch aufgestanden und in das
nebenan gelegene Zimmer -- dasselbe, wo man mit
so viel Eifer und doch vergebens nach dem Verband¬
stück gesucht hatte --, eingetreten war, wurde Annie
wieder auf das Sofa gebettet. Johanna kam und
setzte sich zu dem Kinde, während Innstetten die zahl¬
losen Dinge, die bunt durcheinander gewürfelt noch
auf dem Fensterbrett umherlagen, wieder in den
Nähtisch einzuräumen begann. Dann und wann
wußte er sich nicht recht Rat und mußte fragen.

"Wo haben die Briefe gelegen, Johanna?"

"Ganz zu unterst," sagte diese "hier in diesem Fach."

Und während so Frage und Antwort ging, be¬
trachtete Innstetten etwas aufmerksamer als vorher
das kleine, mit einem roten Faden zusammen¬
gebundene Paket, das mehr aus einer Anzahl zusammen¬
gelegter Zettel, als aus Briefen zu bestehen schien.
Er fuhr, als wäre es ein Spiel Karten, mit dem
Daumen und Zeigefinger an der Seite des Päckchens

Effi Brieſt
habe. Mit den aufgelegten Kompreſſen war er zu¬
frieden. „Laſſen Sie noch etwas Bleiwaſſer holen
und Annie morgen zu Hauſe bleiben. Überhaupt
Ruhe.“ Dann frug er noch nach der gnädigen Frau
und wie die Nachrichten aus Ems ſeien; er werde
den andern Tag wieder kommen und nachſehen.


Als man von Tiſch aufgeſtanden und in das
nebenan gelegene Zimmer — dasſelbe, wo man mit
ſo viel Eifer und doch vergebens nach dem Verband¬
ſtück geſucht hatte —, eingetreten war, wurde Annie
wieder auf das Sofa gebettet. Johanna kam und
ſetzte ſich zu dem Kinde, während Innſtetten die zahl¬
loſen Dinge, die bunt durcheinander gewürfelt noch
auf dem Fenſterbrett umherlagen, wieder in den
Nähtiſch einzuräumen begann. Dann und wann
wußte er ſich nicht recht Rat und mußte fragen.

„Wo haben die Briefe gelegen, Johanna?“

„Ganz zu unterſt,“ ſagte dieſe „hier in dieſem Fach.“

Und während ſo Frage und Antwort ging, be¬
trachtete Innſtetten etwas aufmerkſamer als vorher
das kleine, mit einem roten Faden zuſammen¬
gebundene Paket, das mehr aus einer Anzahl zuſammen¬
gelegter Zettel, als aus Briefen zu beſtehen ſchien.
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Daumen und Zeigefinger an der Seite des Päckchens

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[404/0413] Effi Brieſt habe. Mit den aufgelegten Kompreſſen war er zu¬ frieden. „Laſſen Sie noch etwas Bleiwaſſer holen und Annie morgen zu Hauſe bleiben. Überhaupt Ruhe.“ Dann frug er noch nach der gnädigen Frau und wie die Nachrichten aus Ems ſeien; er werde den andern Tag wieder kommen und nachſehen. Als man von Tiſch aufgeſtanden und in das nebenan gelegene Zimmer — dasſelbe, wo man mit ſo viel Eifer und doch vergebens nach dem Verband¬ ſtück geſucht hatte —, eingetreten war, wurde Annie wieder auf das Sofa gebettet. Johanna kam und ſetzte ſich zu dem Kinde, während Innſtetten die zahl¬ loſen Dinge, die bunt durcheinander gewürfelt noch auf dem Fenſterbrett umherlagen, wieder in den Nähtiſch einzuräumen begann. Dann und wann wußte er ſich nicht recht Rat und mußte fragen. „Wo haben die Briefe gelegen, Johanna?“ „Ganz zu unterſt,“ ſagte dieſe „hier in dieſem Fach.“ Und während ſo Frage und Antwort ging, be¬ trachtete Innſtetten etwas aufmerkſamer als vorher das kleine, mit einem roten Faden zuſammen¬ gebundene Paket, das mehr aus einer Anzahl zuſammen¬ gelegter Zettel, als aus Briefen zu beſtehen ſchien. Er fuhr, als wäre es ein Spiel Karten, mit dem Daumen und Zeigefinger an der Seite des Päckchens

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/413>, abgerufen am 26.04.2024.