Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

niedrigen Nachbargebüsche nistender Fink, Schwalben
fuhren hin und her und zuletzt kam eine schwarze
Henne mit einem langen Gefolge von Entenküken
an der Veranda vorüber und stolzirte gravitätisch
auf einen weit in den Fluß hineingebauten Wassersteg
zu. Mitten auf diesem Steg aber blieb die Henne
stehn, während sich die Küken ins Wasser stürzten
und fortschwammen.

"Lene sah eifrig dem allen zu. "Sieh nur, Botho,
wie der Strom durch die Pfähle schießt." Aber
eigentlich war es weder der Steg noch die durch¬
schießende Fluth, was sie fesselte, sondern die zwei
Boote, die vorn angekettet lagen. Sie liebäugelte
damit und erging sich in kleinen Fragen und An¬
spielungen und erst als Botho taub blieb und durchaus
nichts davon verstehen wollte, rückte sie klarer mit
der Sprache heraus und sagte rundweg, daß sie
gern Wasser fahren möchte.

"Weiber sind doch unverbesserlich. Unverbesserlich
in ihrem Leichtsinn. Denk' an den zweiten Ostertag.
Um ein Haar . . ."

"... Wär' ich ertrunken Gewiß. Aber das
war nur das Eine. Nebenher lief die Bekanntschaft
mit einem stattlichen Herrn, dessen Du Dich viel¬
leicht entsinnst. Er hieß Botho . . . Du wirst doch,
denk' ich, den zweiten Ostertag nicht als einen Un¬

niedrigen Nachbargebüſche niſtender Fink, Schwalben
fuhren hin und her und zuletzt kam eine ſchwarze
Henne mit einem langen Gefolge von Entenküken
an der Veranda vorüber und ſtolzirte gravitätiſch
auf einen weit in den Fluß hineingebauten Waſſerſteg
zu. Mitten auf dieſem Steg aber blieb die Henne
ſtehn, während ſich die Küken ins Waſſer ſtürzten
und fortſchwammen.

„Lene ſah eifrig dem allen zu. „Sieh nur, Botho,
wie der Strom durch die Pfähle ſchießt.“ Aber
eigentlich war es weder der Steg noch die durch¬
ſchießende Fluth, was ſie feſſelte, ſondern die zwei
Boote, die vorn angekettet lagen. Sie liebäugelte
damit und erging ſich in kleinen Fragen und An¬
ſpielungen und erſt als Botho taub blieb und durchaus
nichts davon verſtehen wollte, rückte ſie klarer mit
der Sprache heraus und ſagte rundweg, daß ſie
gern Waſſer fahren möchte.

„Weiber ſind doch unverbeſſerlich. Unverbeſſerlich
in ihrem Leichtſinn. Denk' an den zweiten Oſtertag.
Um ein Haar . . .“

„... Wär' ich ertrunken Gewiß. Aber das
war nur das Eine. Nebenher lief die Bekanntſchaft
mit einem ſtattlichen Herrn, deſſen Du Dich viel¬
leicht entſinnſt. Er hieß Botho . . . Du wirſt doch,
denk' ich, den zweiten Oſtertag nicht als einen Un¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0115" n="105"/>
niedrigen Nachbargebü&#x017F;che ni&#x017F;tender Fink, Schwalben<lb/>
fuhren hin und her und zuletzt kam eine &#x017F;chwarze<lb/>
Henne mit einem langen Gefolge von Entenküken<lb/>
an der Veranda vorüber und &#x017F;tolzirte gravitäti&#x017F;ch<lb/>
auf einen weit in den Fluß hineingebauten Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;teg<lb/>
zu. Mitten auf die&#x017F;em Steg aber blieb die Henne<lb/>
&#x017F;tehn, während &#x017F;ich die Küken ins Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;türzten<lb/>
und fort&#x017F;chwammen.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Lene &#x017F;ah eifrig dem allen zu. &#x201E;Sieh nur, Botho,<lb/>
wie der Strom durch die Pfähle &#x017F;chießt.&#x201C; Aber<lb/>
eigentlich war es weder der Steg noch die durch¬<lb/>
&#x017F;chießende Fluth, was &#x017F;ie fe&#x017F;&#x017F;elte, &#x017F;ondern die zwei<lb/>
Boote, die vorn angekettet lagen. Sie liebäugelte<lb/>
damit und erging &#x017F;ich in kleinen Fragen und An¬<lb/>
&#x017F;pielungen und er&#x017F;t als Botho taub blieb und durchaus<lb/>
nichts davon ver&#x017F;tehen wollte, rückte &#x017F;ie klarer mit<lb/>
der Sprache heraus und &#x017F;agte rundweg, daß &#x017F;ie<lb/>
gern Wa&#x017F;&#x017F;er fahren möchte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiber &#x017F;ind doch unverbe&#x017F;&#x017F;erlich. Unverbe&#x017F;&#x017F;erlich<lb/>
in ihrem Leicht&#x017F;inn. Denk' an den zweiten O&#x017F;tertag.<lb/>
Um ein Haar . . .&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;... Wär' ich ertrunken Gewiß. Aber das<lb/>
war nur das Eine. Nebenher lief die Bekannt&#x017F;chaft<lb/>
mit einem &#x017F;tattlichen Herrn, de&#x017F;&#x017F;en Du Dich viel¬<lb/>
leicht ent&#x017F;inn&#x017F;t. Er hieß Botho . . . Du wir&#x017F;t doch,<lb/>
denk' ich, den zweiten O&#x017F;tertag nicht als einen Un¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0115] niedrigen Nachbargebüſche niſtender Fink, Schwalben fuhren hin und her und zuletzt kam eine ſchwarze Henne mit einem langen Gefolge von Entenküken an der Veranda vorüber und ſtolzirte gravitätiſch auf einen weit in den Fluß hineingebauten Waſſerſteg zu. Mitten auf dieſem Steg aber blieb die Henne ſtehn, während ſich die Küken ins Waſſer ſtürzten und fortſchwammen. „Lene ſah eifrig dem allen zu. „Sieh nur, Botho, wie der Strom durch die Pfähle ſchießt.“ Aber eigentlich war es weder der Steg noch die durch¬ ſchießende Fluth, was ſie feſſelte, ſondern die zwei Boote, die vorn angekettet lagen. Sie liebäugelte damit und erging ſich in kleinen Fragen und An¬ ſpielungen und erſt als Botho taub blieb und durchaus nichts davon verſtehen wollte, rückte ſie klarer mit der Sprache heraus und ſagte rundweg, daß ſie gern Waſſer fahren möchte. „Weiber ſind doch unverbeſſerlich. Unverbeſſerlich in ihrem Leichtſinn. Denk' an den zweiten Oſtertag. Um ein Haar . . .“ „... Wär' ich ertrunken Gewiß. Aber das war nur das Eine. Nebenher lief die Bekanntſchaft mit einem ſtattlichen Herrn, deſſen Du Dich viel¬ leicht entſinnſt. Er hieß Botho . . . Du wirſt doch, denk' ich, den zweiten Oſtertag nicht als einen Un¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/115
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/115>, abgerufen am 06.05.2024.