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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Immortellen," sagte Botho. "Die sind ja die
Passion der alten Frau Nimptsch. Natürlich, die
nehmen wir, die dürfen nicht fehlen. Und nun
binde nur das Sträußchen zusammen."

"Gut. Aber womit? Wir wollen es lassen, bis
wir eine Binse finden."

"Nein, so lange will ich nicht warten. Und ein
Binsenhalm ist mir auch nicht gut genug, ist zu
dick und zu grob. Ich will was Feines. Weißt Du,
Lene, Du hast so schönes langes Haar; reiß ein's
aus und flicht den Strauß damit zusammen."

"Nein," sagte sie bestimmt.

"Nein? warum nicht? warum nein?"

"Weil das Sprüchwort sagt: "Haar bindet.' Und
wenn ich es um den Strauß binde, so bist du mit¬
gebunden."

"Ach das ist Aberglauben. Das sagt Frau
Dörr."

"Nein, die alte Frau sagt es. Und was die
mir von Jugend auf gesagt hat, auch wenn es wie
Aberglauben aussah, das war immer richtig."

"Nun meinetwegen. Ich streite nicht. Aber ich
will kein ander Band um den Strauß, als ein Haar
von Dir. Und Du wirst doch nicht so eigensinnig
sein und mir's abschlagen."

Sie sah ihn an, zog ein Haar aus ihrem Scheitel
und wand es um den Strauß. Dann sagte sie:

„Immortellen,“ ſagte Botho. „Die ſind ja die
Paſſion der alten Frau Nimptſch. Natürlich, die
nehmen wir, die dürfen nicht fehlen. Und nun
binde nur das Sträußchen zuſammen.“

„Gut. Aber womit? Wir wollen es laſſen, bis
wir eine Binſe finden.“

„Nein, ſo lange will ich nicht warten. Und ein
Binſenhalm iſt mir auch nicht gut genug, iſt zu
dick und zu grob. Ich will was Feines. Weißt Du,
Lene, Du haſt ſo ſchönes langes Haar; reiß ein's
aus und flicht den Strauß damit zuſammen.“

„Nein,“ ſagte ſie beſtimmt.

„Nein? warum nicht? warum nein?“

„Weil das Sprüchwort ſagt: „Haar bindet.' Und
wenn ich es um den Strauß binde, ſo biſt du mit¬
gebunden.“

„Ach das iſt Aberglauben. Das ſagt Frau
Dörr.“

„Nein, die alte Frau ſagt es. Und was die
mir von Jugend auf geſagt hat, auch wenn es wie
Aberglauben ausſah, das war immer richtig.“

„Nun meinetwegen. Ich ſtreite nicht. Aber ich
will kein ander Band um den Strauß, als ein Haar
von Dir. Und Du wirſt doch nicht ſo eigenſinnig
ſein und mir's abſchlagen.“

Sie ſah ihn an, zog ein Haar aus ihrem Scheitel
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[110/0120] „Immortellen,“ ſagte Botho. „Die ſind ja die Paſſion der alten Frau Nimptſch. Natürlich, die nehmen wir, die dürfen nicht fehlen. Und nun binde nur das Sträußchen zuſammen.“ „Gut. Aber womit? Wir wollen es laſſen, bis wir eine Binſe finden.“ „Nein, ſo lange will ich nicht warten. Und ein Binſenhalm iſt mir auch nicht gut genug, iſt zu dick und zu grob. Ich will was Feines. Weißt Du, Lene, Du haſt ſo ſchönes langes Haar; reiß ein's aus und flicht den Strauß damit zuſammen.“ „Nein,“ ſagte ſie beſtimmt. „Nein? warum nicht? warum nein?“ „Weil das Sprüchwort ſagt: „Haar bindet.' Und wenn ich es um den Strauß binde, ſo biſt du mit¬ gebunden.“ „Ach das iſt Aberglauben. Das ſagt Frau Dörr.“ „Nein, die alte Frau ſagt es. Und was die mir von Jugend auf geſagt hat, auch wenn es wie Aberglauben ausſah, das war immer richtig.“ „Nun meinetwegen. Ich ſtreite nicht. Aber ich will kein ander Band um den Strauß, als ein Haar von Dir. Und Du wirſt doch nicht ſo eigenſinnig ſein und mir's abſchlagen.“ Sie ſah ihn an, zog ein Haar aus ihrem Scheitel und wand es um den Strauß. Dann ſagte ſie:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/120>, abgerufen am 05.05.2024.