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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Tante Kielmannsegge herstammenden Erbschaft über
ein Vermögen, dessen Zinsbetrag hinter dem Kapi¬
talsbetrag der Rienäcker'schen Haide sammt Muränen-
See nicht sehr erheblich zurückbleiben werde. Solche
junge Dame lasse man überhaupt nicht warten, am
wenigsten aber mit so viel Beharrlichkeit und Seelen¬
ruhe. Wenn es Herrn v. Rienäcker beliebe, das,
was früher darüber von Seiten der Familie geplant
und gesprochen sei, fallen zu lassen und stattgehabte
Verabredungen als bloßes Kinderspiel anzusehn, so
habe sie nichts dagegen. Herr v. Rienäcker sei frei
von dem Augenblick an, wo er frei sein wolle.
Wenn er aber umgekehrt vorhabe, von dieser unbe¬
dingten Rückzugs-Freiheit nicht Gebrauch machen zu
wollen, so sei es an der Zeit, auch das zu zeigen.
Sie wünsche nicht, daß ihre Tochter in das Gerede
der Leute komme.

Du wirst dem Tone, der hieraus spricht, un¬
schwer entnehmen, daß es durchaus nöthig ist, Ent¬
schlüsse zu fassen und zu handeln. Was ich wünsche,
weißt Du. Meine Wünsche sollen aber nicht ver¬
bindlich für Dich sein. Handle, wie Dir eigene
Klugheit es eingiebt, entscheide Dich so oder so, nur
handle überhaupt. Ein Rückzug ist ehrenvoller als
fernere Hinausschiebung. Säumst Du länger, so
verlieren wir nicht nur die Braut, sondern das
Sellenthiner Haus überhaupt und, was noch schlim¬

Tante Kielmannsegge herſtammenden Erbſchaft über
ein Vermögen, deſſen Zinsbetrag hinter dem Kapi¬
talsbetrag der Rienäcker'ſchen Haide ſammt Muränen-
See nicht ſehr erheblich zurückbleiben werde. Solche
junge Dame laſſe man überhaupt nicht warten, am
wenigſten aber mit ſo viel Beharrlichkeit und Seelen¬
ruhe. Wenn es Herrn v. Rienäcker beliebe, das,
was früher darüber von Seiten der Familie geplant
und geſprochen ſei, fallen zu laſſen und ſtattgehabte
Verabredungen als bloßes Kinderſpiel anzuſehn, ſo
habe ſie nichts dagegen. Herr v. Rienäcker ſei frei
von dem Augenblick an, wo er frei ſein wolle.
Wenn er aber umgekehrt vorhabe, von dieſer unbe¬
dingten Rückzugs-Freiheit nicht Gebrauch machen zu
wollen, ſo ſei es an der Zeit, auch das zu zeigen.
Sie wünſche nicht, daß ihre Tochter in das Gerede
der Leute komme.

Du wirſt dem Tone, der hieraus ſpricht, un¬
ſchwer entnehmen, daß es durchaus nöthig iſt, Ent¬
ſchlüſſe zu faſſen und zu handeln. Was ich wünſche,
weißt Du. Meine Wünſche ſollen aber nicht ver¬
bindlich für Dich ſein. Handle, wie Dir eigene
Klugheit es eingiebt, entſcheide Dich ſo oder ſo, nur
handle überhaupt. Ein Rückzug iſt ehrenvoller als
fernere Hinausſchiebung. Säumſt Du länger, ſo
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[151/0161] Tante Kielmannsegge herſtammenden Erbſchaft über ein Vermögen, deſſen Zinsbetrag hinter dem Kapi¬ talsbetrag der Rienäcker'ſchen Haide ſammt Muränen- See nicht ſehr erheblich zurückbleiben werde. Solche junge Dame laſſe man überhaupt nicht warten, am wenigſten aber mit ſo viel Beharrlichkeit und Seelen¬ ruhe. Wenn es Herrn v. Rienäcker beliebe, das, was früher darüber von Seiten der Familie geplant und geſprochen ſei, fallen zu laſſen und ſtattgehabte Verabredungen als bloßes Kinderſpiel anzuſehn, ſo habe ſie nichts dagegen. Herr v. Rienäcker ſei frei von dem Augenblick an, wo er frei ſein wolle. Wenn er aber umgekehrt vorhabe, von dieſer unbe¬ dingten Rückzugs-Freiheit nicht Gebrauch machen zu wollen, ſo ſei es an der Zeit, auch das zu zeigen. Sie wünſche nicht, daß ihre Tochter in das Gerede der Leute komme. Du wirſt dem Tone, der hieraus ſpricht, un¬ ſchwer entnehmen, daß es durchaus nöthig iſt, Ent¬ ſchlüſſe zu faſſen und zu handeln. Was ich wünſche, weißt Du. Meine Wünſche ſollen aber nicht ver¬ bindlich für Dich ſein. Handle, wie Dir eigene Klugheit es eingiebt, entſcheide Dich ſo oder ſo, nur handle überhaupt. Ein Rückzug iſt ehrenvoller als fernere Hinausſchiebung. Säumſt Du länger, ſo verlieren wir nicht nur die Braut, ſondern das Sellenthiner Haus überhaupt und, was noch ſchlim¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/161>, abgerufen am 30.04.2024.