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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Und nun kam er. Lene stand am Gitter und
empfing ihn wie sonst; nicht der kleinste Zug von
Vorwurf oder auch nur von schmerzlicher Entsagung
lag in ihrem Gesicht. Sie nahm seinen Arm und
so gingen sie den Vorgartensteig hinauf.

"Es ist recht, daß Du kommst. . . Ich freue mich,
daß Du da bist. Und Du mußt Dich auch freuen."

Unter diesen Worten hatten sie das Haus erreicht
und Botho machte Miene, wie gewöhnlich vom Flur her
in das große Vorderzimmer einzutreten. Aber Lene zog
ihn weiter fort und sagte: "Nein, Frau Dörr ist drin .."

"Und ist uns noch bös?"

"Das nicht. Ich habe sie beruhigt. Aber was
sollen wir heut mit ihr? Komm, es ist ein so
schöner Abend und wir wollen allein sein."

Er war einverstanden, und so gingen sie denn
den Flur hinunter und über den Hof auf den
Garten zu. Sultan regte sich nicht und blinzelte
nur Beiden nach, als sie den großen Mittelsteig
hinauf und dann auf die zwischen den Himbeer¬
büschen stehende Bank zuschritten.

Als sie hier ankamen, setzten sie sich. Es war
still, nur vom Felde her hörte man ein Gezirp und
der Mond stand über ihnen.

Sie lehnte sich an ihn und sagte ruhig und
herzlich: "Und das ist nun also das letzte Mal, daß
ich Deine Hand in meiner halte?"

Und nun kam er. Lene ſtand am Gitter und
empfing ihn wie ſonſt; nicht der kleinſte Zug von
Vorwurf oder auch nur von ſchmerzlicher Entſagung
lag in ihrem Geſicht. Sie nahm ſeinen Arm und
ſo gingen ſie den Vorgartenſteig hinauf.

„Es iſt recht, daß Du kommſt. . . Ich freue mich,
daß Du da biſt. Und Du mußt Dich auch freuen.“

Unter dieſen Worten hatten ſie das Haus erreicht
und Botho machte Miene, wie gewöhnlich vom Flur her
in das große Vorderzimmer einzutreten. Aber Lene zog
ihn weiter fort und ſagte: „Nein, Frau Dörr iſt drin ..“

„Und iſt uns noch bös?“

„Das nicht. Ich habe ſie beruhigt. Aber was
ſollen wir heut mit ihr? Komm, es iſt ein ſo
ſchöner Abend und wir wollen allein ſein.“

Er war einverſtanden, und ſo gingen ſie denn
den Flur hinunter und über den Hof auf den
Garten zu. Sultan regte ſich nicht und blinzelte
nur Beiden nach, als ſie den großen Mittelſteig
hinauf und dann auf die zwiſchen den Himbeer¬
büſchen ſtehende Bank zuſchritten.

Als ſie hier ankamen, ſetzten ſie ſich. Es war
ſtill, nur vom Felde her hörte man ein Gezirp und
der Mond ſtand über ihnen.

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[160/0170] Und nun kam er. Lene ſtand am Gitter und empfing ihn wie ſonſt; nicht der kleinſte Zug von Vorwurf oder auch nur von ſchmerzlicher Entſagung lag in ihrem Geſicht. Sie nahm ſeinen Arm und ſo gingen ſie den Vorgartenſteig hinauf. „Es iſt recht, daß Du kommſt. . . Ich freue mich, daß Du da biſt. Und Du mußt Dich auch freuen.“ Unter dieſen Worten hatten ſie das Haus erreicht und Botho machte Miene, wie gewöhnlich vom Flur her in das große Vorderzimmer einzutreten. Aber Lene zog ihn weiter fort und ſagte: „Nein, Frau Dörr iſt drin ..“ „Und iſt uns noch bös?“ „Das nicht. Ich habe ſie beruhigt. Aber was ſollen wir heut mit ihr? Komm, es iſt ein ſo ſchöner Abend und wir wollen allein ſein.“ Er war einverſtanden, und ſo gingen ſie denn den Flur hinunter und über den Hof auf den Garten zu. Sultan regte ſich nicht und blinzelte nur Beiden nach, als ſie den großen Mittelſteig hinauf und dann auf die zwiſchen den Himbeer¬ büſchen ſtehende Bank zuſchritten. Als ſie hier ankamen, ſetzten ſie ſich. Es war ſtill, nur vom Felde her hörte man ein Gezirp und der Mond ſtand über ihnen. Sie lehnte ſich an ihn und ſagte ruhig und herzlich: „Und das iſt nun alſo das letzte Mal, daß ich Deine Hand in meiner halte?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/170>, abgerufen am 29.04.2024.