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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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man Gott dafür danken und darf nicht klagen, daß
der Traum aufhört und die Wirklichkeit wieder an¬
fängt. Jetzt ist es schwer, aber es vergißt sich alles
oder gewinnt wieder ein freundliches Gesicht. Und
eines Tages bist Du wieder glücklich und vielleicht
ich auch."

"Glaubst Du's? Und wenn nicht? was dann?"

"Dann lebt man ohne Glück."

"Ach, Lene, Du sagst das so hin, als ob Glück
nichts wäre. Aber es ist was und das quält mich
eben und ist mir doch, als ob ich Dir ein Unrecht
gethan hätte."

"Davon sprech' ich Dich frei. Du hast mir kein
Unrecht gethan, hast mich nicht auf Irrwege geführt
und hast mir nichts versprochen. Alles war mein
freier Entschluß. Ich habe Dich von Herzen lieb
gehabt, das war mein Schicksal, und wenn es eine
Schuld war, so war es meine Schuld. Und noch
dazu eine Schuld, deren ich mich, ich muß es Dir
immer wieder sagen, von ganzer Seele freue, denn
sie war mein Glück. Wenn ich nun dafür zahlen
muß, so zahle ich gern. Du hast nicht gekränkt,
nicht verletzt, nicht beleidigt, oder doch höchstens
das, was die Menschen Anstand nennen und gute
Sitte. Soll ich mich darum grämen? Nein. Es
rückt sich alles wieder zurecht, auch das. Und nun
komm und laß uns umkehren. Sieh nur wie die

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man Gott dafür danken und darf nicht klagen, daß
der Traum aufhört und die Wirklichkeit wieder an¬
fängt. Jetzt iſt es ſchwer, aber es vergißt ſich alles
oder gewinnt wieder ein freundliches Geſicht. Und
eines Tages biſt Du wieder glücklich und vielleicht
ich auch.“

„Glaubſt Du's? Und wenn nicht? was dann?“

„Dann lebt man ohne Glück.“

„Ach, Lene, Du ſagſt das ſo hin, als ob Glück
nichts wäre. Aber es iſt was und das quält mich
eben und iſt mir doch, als ob ich Dir ein Unrecht
gethan hätte.“

„Davon ſprech' ich Dich frei. Du haſt mir kein
Unrecht gethan, haſt mich nicht auf Irrwege geführt
und haſt mir nichts verſprochen. Alles war mein
freier Entſchluß. Ich habe Dich von Herzen lieb
gehabt, das war mein Schickſal, und wenn es eine
Schuld war, ſo war es meine Schuld. Und noch
dazu eine Schuld, deren ich mich, ich muß es Dir
immer wieder ſagen, von ganzer Seele freue, denn
ſie war mein Glück. Wenn ich nun dafür zahlen
muß, ſo zahle ich gern. Du haſt nicht gekränkt,
nicht verletzt, nicht beleidigt, oder doch höchſtens
das, was die Menſchen Anſtand nennen und gute
Sitte. Soll ich mich darum grämen? Nein. Es
rückt ſich alles wieder zurecht, auch das. Und nun
komm und laß uns umkehren. Sieh nur wie die

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[163/0173] man Gott dafür danken und darf nicht klagen, daß der Traum aufhört und die Wirklichkeit wieder an¬ fängt. Jetzt iſt es ſchwer, aber es vergißt ſich alles oder gewinnt wieder ein freundliches Geſicht. Und eines Tages biſt Du wieder glücklich und vielleicht ich auch.“ „Glaubſt Du's? Und wenn nicht? was dann?“ „Dann lebt man ohne Glück.“ „Ach, Lene, Du ſagſt das ſo hin, als ob Glück nichts wäre. Aber es iſt was und das quält mich eben und iſt mir doch, als ob ich Dir ein Unrecht gethan hätte.“ „Davon ſprech' ich Dich frei. Du haſt mir kein Unrecht gethan, haſt mich nicht auf Irrwege geführt und haſt mir nichts verſprochen. Alles war mein freier Entſchluß. Ich habe Dich von Herzen lieb gehabt, das war mein Schickſal, und wenn es eine Schuld war, ſo war es meine Schuld. Und noch dazu eine Schuld, deren ich mich, ich muß es Dir immer wieder ſagen, von ganzer Seele freue, denn ſie war mein Glück. Wenn ich nun dafür zahlen muß, ſo zahle ich gern. Du haſt nicht gekränkt, nicht verletzt, nicht beleidigt, oder doch höchſtens das, was die Menſchen Anſtand nennen und gute Sitte. Soll ich mich darum grämen? Nein. Es rückt ſich alles wieder zurecht, auch das. Und nun komm und laß uns umkehren. Sieh nur wie die 11*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/173>, abgerufen am 30.04.2024.