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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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allein. Und die Dörr, sie red't so viel un immer
von ihrem Mann. Und ich habe ja mein Feuer.
Und wenn der Stieglitz piept, das is mir genug.
Aber wenn Du mir eine Tüte mitbringst, ich habe
jetzt immer solch Kratzen und Malzbonbon löst so. . ."

"Schön Mutter."

Und damit hatte Lene die kleine stille Wohnung
verlassen und war erst die Kurfürsten- und dann die
lange Potsdamer Straße hinunter gegangen, auf
den Spittelmarkt zu, wo die Gebrüder Goldstein
ihr Geschäft hatten. Alles verlief nach Wunsch
und es war nahezu Mittag, als sie, heimkehrend,
diesmal anstatt der Kurfürsten- lieber die Lützow¬
straße passirte. Die Sonne that ihr wohl und das
Treiben auf dem Magdeburger Platze, wo gerade
Wochenmarkt war und alles eben wieder zum Auf¬
bruch rüstete, vergnügte sie so, daß sie stehen blieb
und sich das bunte Durcheinander mit ansah. Sie
war wie benommen davon und wurd' erst auf¬
gerüttelt, als die Feuerwehr mit ungeheurem Lärm
an ihr vorbeirasselte.

Lene horchte, bis das Gebimmel und Geklingel
in der Ferne verhallt war, dann aber sah sie links
hinunter nach der Thurmuhr der Zwölf-Apostel¬
kirche. "Gerade Zwölf," sagte sie. "Nun ist es
Zeit, daß ich mich eile; sie wird immer unruhig,
wenn ich später komme als sie denkt." Und so ging

allein. Und die Dörr, ſie red't ſo viel un immer
von ihrem Mann. Und ich habe ja mein Feuer.
Und wenn der Stieglitz piept, das is mir genug.
Aber wenn Du mir eine Tüte mitbringſt, ich habe
jetzt immer ſolch Kratzen und Malzbonbon löſt ſo. . .“

„Schön Mutter.“

Und damit hatte Lene die kleine ſtille Wohnung
verlaſſen und war erſt die Kurfürſten- und dann die
lange Potsdamer Straße hinunter gegangen, auf
den Spittelmarkt zu, wo die Gebrüder Goldſtein
ihr Geſchäft hatten. Alles verlief nach Wunſch
und es war nahezu Mittag, als ſie, heimkehrend,
diesmal anſtatt der Kurfürſten- lieber die Lützow¬
ſtraße paſſirte. Die Sonne that ihr wohl und das
Treiben auf dem Magdeburger Platze, wo gerade
Wochenmarkt war und alles eben wieder zum Auf¬
bruch rüſtete, vergnügte ſie ſo, daß ſie ſtehen blieb
und ſich das bunte Durcheinander mit anſah. Sie
war wie benommen davon und wurd' erſt auf¬
gerüttelt, als die Feuerwehr mit ungeheurem Lärm
an ihr vorbeiraſſelte.

Lene horchte, bis das Gebimmel und Geklingel
in der Ferne verhallt war, dann aber ſah ſie links
hinunter nach der Thurmuhr der Zwölf-Apoſtel¬
kirche. „Gerade Zwölf,“ ſagte ſie. „Nun iſt es
Zeit, daß ich mich eile; ſie wird immer unruhig,
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[174/0184] allein. Und die Dörr, ſie red't ſo viel un immer von ihrem Mann. Und ich habe ja mein Feuer. Und wenn der Stieglitz piept, das is mir genug. Aber wenn Du mir eine Tüte mitbringſt, ich habe jetzt immer ſolch Kratzen und Malzbonbon löſt ſo. . .“ „Schön Mutter.“ Und damit hatte Lene die kleine ſtille Wohnung verlaſſen und war erſt die Kurfürſten- und dann die lange Potsdamer Straße hinunter gegangen, auf den Spittelmarkt zu, wo die Gebrüder Goldſtein ihr Geſchäft hatten. Alles verlief nach Wunſch und es war nahezu Mittag, als ſie, heimkehrend, diesmal anſtatt der Kurfürſten- lieber die Lützow¬ ſtraße paſſirte. Die Sonne that ihr wohl und das Treiben auf dem Magdeburger Platze, wo gerade Wochenmarkt war und alles eben wieder zum Auf¬ bruch rüſtete, vergnügte ſie ſo, daß ſie ſtehen blieb und ſich das bunte Durcheinander mit anſah. Sie war wie benommen davon und wurd' erſt auf¬ gerüttelt, als die Feuerwehr mit ungeheurem Lärm an ihr vorbeiraſſelte. Lene horchte, bis das Gebimmel und Geklingel in der Ferne verhallt war, dann aber ſah ſie links hinunter nach der Thurmuhr der Zwölf-Apoſtel¬ kirche. „Gerade Zwölf,“ ſagte ſie. „Nun iſt es Zeit, daß ich mich eile; ſie wird immer unruhig, wenn ich ſpäter komme als ſie denkt.“ Und ſo ging

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/184>, abgerufen am 30.04.2024.