Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

nimmt, dann is es so gut, als wär' es ganz heiß ge¬
wesen."

Engelke brachte, was gefordert, und eine Viertel¬
stunde danach ging Dubslav zu Bett.


Er schlief auch gleich ein. Aber bald war er
wieder wach und druste nur noch so hin. So kam
endlich der Morgen heran.

Als Engelke zu gewohnter Stunde das Frühstück
brachte, schleppte sich Dubslav mühsamlich von seinem
Schlafzimmer bis an den Frühstückstisch. Aber es
schmeckte ihm nicht. "Engelke, mir ist schlecht; der
Fuß ist geschwollen, und das mit dem Cognac gestern
abend war auch nicht richtig. Sage Martin, daß er
nach Gransee fährt und Doktor Sponholz mitbringt.
Und wenn Sponholz nicht da ist -- der arme Kerl
kutschiert in einem fort rum; ohne Landpraxis geht es
nicht -- dann soll er warten, bis er kommt."

Es traf sich so, wie Dubslav vermutet hatte;
Sponholz war wirklich auf Landpraxis und kam erst
nachmittags zurück. Er aß einen Bissen und stieg dann
auf den Stechliner Wagen.

"Na, Martin, was macht denn der gnäd'ge Herr?"

"Joa, Herr Doktor, ick möt doch seggen, he seiht
en beten verännert ut; em wihr schon nich so recht
letzten Sünndag un doa müßt' he joa nu grad nach
Berlin. Un ick weet schon, wenn ihrst een' nach Berlin
muß, denn is ok ümmer wat los. Ick weet nich, wat
se doa mit 'n ollen Minschen moaken."

"Ja, Martin, das ist die große Stadt. Da über¬
nehmen sie sich denn. Und dann war ja auch Hoch¬
zeit. Da werden sie wohl ein bißchen gepichelt haben.
Und vorher die kalte Kirche. Und dazu so viele feine
Damen. Daran ist der gnäd'ge Herr nicht mehr ge¬

nimmt, dann is es ſo gut, als wär' es ganz heiß ge¬
weſen.“

Engelke brachte, was gefordert, und eine Viertel¬
ſtunde danach ging Dubslav zu Bett.


Er ſchlief auch gleich ein. Aber bald war er
wieder wach und druſte nur noch ſo hin. So kam
endlich der Morgen heran.

Als Engelke zu gewohnter Stunde das Frühſtück
brachte, ſchleppte ſich Dubslav mühſamlich von ſeinem
Schlafzimmer bis an den Frühſtückstiſch. Aber es
ſchmeckte ihm nicht. „Engelke, mir iſt ſchlecht; der
Fuß iſt geſchwollen, und das mit dem Cognac geſtern
abend war auch nicht richtig. Sage Martin, daß er
nach Granſee fährt und Doktor Sponholz mitbringt.
Und wenn Sponholz nicht da iſt — der arme Kerl
kutſchiert in einem fort rum; ohne Landpraxis geht es
nicht — dann ſoll er warten, bis er kommt.“

Es traf ſich ſo, wie Dubslav vermutet hatte;
Sponholz war wirklich auf Landpraxis und kam erſt
nachmittags zurück. Er aß einen Biſſen und ſtieg dann
auf den Stechliner Wagen.

„Na, Martin, was macht denn der gnäd'ge Herr?“

„Joa, Herr Doktor, ick möt doch ſeggen, he ſeiht
en beten verännert ut; em wihr ſchon nich ſo recht
letzten Sünndag un doa müßt' he joa nu grad nach
Berlin. Un ick weet ſchon, wenn ihrſt een' nach Berlin
muß, denn is ok ümmer wat los. Ick weet nich, wat
ſe doa mit 'n ollen Minſchen moaken.“

„Ja, Martin, das iſt die große Stadt. Da über¬
nehmen ſie ſich denn. Und dann war ja auch Hoch¬
zeit. Da werden ſie wohl ein bißchen gepichelt haben.
Und vorher die kalte Kirche. Und dazu ſo viele feine
Damen. Daran iſt der gnäd'ge Herr nicht mehr ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0420" n="413"/>
nimmt, dann is es &#x017F;o gut, als wär' es ganz heiß ge¬<lb/>
we&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Engelke brachte, was gefordert, und eine Viertel¬<lb/>
&#x017F;tunde danach ging Dubslav zu Bett.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Er &#x017F;chlief auch gleich ein. Aber bald war er<lb/>
wieder wach und dru&#x017F;te nur noch &#x017F;o hin. So kam<lb/>
endlich der Morgen heran.</p><lb/>
          <p>Als Engelke zu gewohnter Stunde das Früh&#x017F;tück<lb/>
brachte, &#x017F;chleppte &#x017F;ich Dubslav müh&#x017F;amlich von &#x017F;einem<lb/>
Schlafzimmer bis an den Früh&#x017F;tücksti&#x017F;ch. Aber es<lb/>
&#x017F;chmeckte ihm nicht. &#x201E;Engelke, mir i&#x017F;t &#x017F;chlecht; der<lb/>
Fuß i&#x017F;t ge&#x017F;chwollen, und das mit dem Cognac ge&#x017F;tern<lb/>
abend war auch nicht richtig. Sage Martin, daß er<lb/>
nach Gran&#x017F;ee fährt und Doktor Sponholz mitbringt.<lb/>
Und wenn Sponholz nicht da i&#x017F;t &#x2014; der arme Kerl<lb/>
kut&#x017F;chiert in einem fort rum; ohne Landpraxis geht es<lb/>
nicht &#x2014; dann &#x017F;oll er warten, bis er kommt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Es traf &#x017F;ich &#x017F;o, wie Dubslav vermutet hatte;<lb/>
Sponholz war wirklich auf Landpraxis und kam er&#x017F;t<lb/>
nachmittags zurück. Er aß einen Bi&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;tieg dann<lb/>
auf den Stechliner Wagen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Na, Martin, was macht denn der gnäd'ge Herr?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Joa, Herr Doktor, ick möt doch &#x017F;eggen, he &#x017F;eiht<lb/>
en beten verännert ut; em wihr &#x017F;chon nich &#x017F;o recht<lb/>
letzten Sünndag un doa müßt' he joa nu grad nach<lb/>
Berlin. Un ick weet &#x017F;chon, wenn ihr&#x017F;t een' nach Berlin<lb/>
muß, denn is ok ümmer wat los. Ick weet nich, wat<lb/>
&#x017F;e doa mit 'n ollen Min&#x017F;chen moaken.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja, Martin, das i&#x017F;t die große Stadt. Da über¬<lb/>
nehmen &#x017F;ie &#x017F;ich denn. Und dann war ja auch Hoch¬<lb/>
zeit. Da werden &#x017F;ie wohl ein bißchen gepichelt haben.<lb/>
Und vorher die kalte Kirche. Und dazu &#x017F;o viele feine<lb/>
Damen. Daran i&#x017F;t der gnäd'ge Herr nicht mehr ge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[413/0420] nimmt, dann is es ſo gut, als wär' es ganz heiß ge¬ weſen.“ Engelke brachte, was gefordert, und eine Viertel¬ ſtunde danach ging Dubslav zu Bett. Er ſchlief auch gleich ein. Aber bald war er wieder wach und druſte nur noch ſo hin. So kam endlich der Morgen heran. Als Engelke zu gewohnter Stunde das Frühſtück brachte, ſchleppte ſich Dubslav mühſamlich von ſeinem Schlafzimmer bis an den Frühſtückstiſch. Aber es ſchmeckte ihm nicht. „Engelke, mir iſt ſchlecht; der Fuß iſt geſchwollen, und das mit dem Cognac geſtern abend war auch nicht richtig. Sage Martin, daß er nach Granſee fährt und Doktor Sponholz mitbringt. Und wenn Sponholz nicht da iſt — der arme Kerl kutſchiert in einem fort rum; ohne Landpraxis geht es nicht — dann ſoll er warten, bis er kommt.“ Es traf ſich ſo, wie Dubslav vermutet hatte; Sponholz war wirklich auf Landpraxis und kam erſt nachmittags zurück. Er aß einen Biſſen und ſtieg dann auf den Stechliner Wagen. „Na, Martin, was macht denn der gnäd'ge Herr?“ „Joa, Herr Doktor, ick möt doch ſeggen, he ſeiht en beten verännert ut; em wihr ſchon nich ſo recht letzten Sünndag un doa müßt' he joa nu grad nach Berlin. Un ick weet ſchon, wenn ihrſt een' nach Berlin muß, denn is ok ümmer wat los. Ick weet nich, wat ſe doa mit 'n ollen Minſchen moaken.“ „Ja, Martin, das iſt die große Stadt. Da über¬ nehmen ſie ſich denn. Und dann war ja auch Hoch¬ zeit. Da werden ſie wohl ein bißchen gepichelt haben. Und vorher die kalte Kirche. Und dazu ſo viele feine Damen. Daran iſt der gnäd'ge Herr nicht mehr ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/420
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/420>, abgerufen am 13.05.2024.