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Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.

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allein war. Ich habe Sie kleinlich und hochmütig,
eitel und bestimmbar gescholten, und habe Sie, was
das Schlimmste war, der Undankbarkeit und der la¬
chete
geziehen. All das beklag ich jetzt, und schäme
mich einer Stimmung, die mich unsre Vergangenheit
so vergessen lassen konnte."

Sie schwieg einen Augenblick. Aber als Schach
antworten wollte, litt sies nicht und sagte: "Nur ein
Wort noch. Alles was ich in jenen Tagen gesagt
und gedacht habe, bedrückte mich, und verlangte nach
dieser Beichte. Nun erst ist alles wieder klar zwischen
uns, und ich kann Ihnen wieder frei ins Auge sehen.
Aber nun genug. Kommen Sie. Man wird uns
ohnehin schon vermißt haben."

Und sie nahm seinen Arm und scherzte: "Nicht
wahr? On revient toujours a ses premiers amours.
Und ein Glück, daß ich es Ihnen lachend aussprechen
kann, und in einem Momente reiner und ganzer
Freude."

Victoire trat Schach und ihrer Mama von
dem Eckzimmer her entgegen, und sagte: "Nun, was
war es?"

"Eine Liebeserklärung."

"Ich dacht es. Und ein Glück, Schach, daß wir
morgen reisen. Nicht wahr? Ich möchte der Welt um
keinen Preis das Bild einer eifersüchtigen Tochter
geben."

allein war. Ich habe Sie kleinlich und hochmütig,
eitel und beſtimmbar geſcholten, und habe Sie, was
das Schlimmſte war, der Undankbarkeit und der la¬
cheté
geziehen. All das beklag ich jetzt, und ſchäme
mich einer Stimmung, die mich unſre Vergangenheit
ſo vergeſſen laſſen konnte.“

Sie ſchwieg einen Augenblick. Aber als Schach
antworten wollte, litt ſies nicht und ſagte: „Nur ein
Wort noch. Alles was ich in jenen Tagen geſagt
und gedacht habe, bedrückte mich, und verlangte nach
dieſer Beichte. Nun erſt iſt alles wieder klar zwiſchen
uns, und ich kann Ihnen wieder frei ins Auge ſehen.
Aber nun genug. Kommen Sie. Man wird uns
ohnehin ſchon vermißt haben.“

Und ſie nahm ſeinen Arm und ſcherzte: „Nicht
wahr? On revient toujours à ses premiers amours.
Und ein Glück, daß ich es Ihnen lachend ausſprechen
kann, und in einem Momente reiner und ganzer
Freude.“

Victoire trat Schach und ihrer Mama von
dem Eckzimmer her entgegen, und ſagte: „Nun, was
war es?“

„Eine Liebeserklärung.“

„Ich dacht es. Und ein Glück, Schach, daß wir
morgen reiſen. Nicht wahr? Ich möchte der Welt um
keinen Preis das Bild einer eiferſüchtigen Tochter
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[216/0228] allein war. Ich habe Sie kleinlich und hochmütig, eitel und beſtimmbar geſcholten, und habe Sie, was das Schlimmſte war, der Undankbarkeit und der la¬ cheté geziehen. All das beklag ich jetzt, und ſchäme mich einer Stimmung, die mich unſre Vergangenheit ſo vergeſſen laſſen konnte.“ Sie ſchwieg einen Augenblick. Aber als Schach antworten wollte, litt ſies nicht und ſagte: „Nur ein Wort noch. Alles was ich in jenen Tagen geſagt und gedacht habe, bedrückte mich, und verlangte nach dieſer Beichte. Nun erſt iſt alles wieder klar zwiſchen uns, und ich kann Ihnen wieder frei ins Auge ſehen. Aber nun genug. Kommen Sie. Man wird uns ohnehin ſchon vermißt haben.“ Und ſie nahm ſeinen Arm und ſcherzte: „Nicht wahr? On revient toujours à ses premiers amours. Und ein Glück, daß ich es Ihnen lachend ausſprechen kann, und in einem Momente reiner und ganzer Freude.“ Victoire trat Schach und ihrer Mama von dem Eckzimmer her entgegen, und ſagte: „Nun, was war es?“ „Eine Liebeserklärung.“ „Ich dacht es. Und ein Glück, Schach, daß wir morgen reiſen. Nicht wahr? Ich möchte der Welt um keinen Preis das Bild einer eiferſüchtigen Tochter geben.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_wuthenow_1883/228>, abgerufen am 29.04.2024.