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Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802.

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dann freuete er sich, und stieß den Sohn an, um ihn aufmerksam darauf zu machen. Man sieht hieraus, daß er auch die Kunst Anderer schätzte.

Die Componisten, die er in seiner Jugend studirte, schätzte und liebte, sind schon genannt. In seinem spätern, völlig reisen Alter wurden sie aber verdrängt. Hingegen hielt er nun viel auf den ehemahligen Kaiserlichen Ober-Capellmeister Fux, auf Händel, auf Caldara, auf Reinh. Kayser, auf Hasse, beyde Graune, Telemann, Zelenka, Benda etc. überhaupt auf alles, was damahls in Dresden und Berlin am vorzüglichsten war. Die ersten vier, nehmlich Fux, Händel, Caldara und Kayser, kannte er nicht persönlich, die übrigen aber sämmtlich. Mit Telemann hatte er in seiner Jugend vielen Umgang. Händeln achtete er sehr hoch, und wünschte oft, ihn persönlich kennen zu lernen. Da Händel ebenfalls ein großer Clavier- und Orgelspieler war, so wünschten auch viele Musikfreunde in Leipzig und in der dortigen Gegend, beyde große Männer einmahl gegen einander zu hören. Aber Händel konnte nie die Zeit zu einer solchen Zusammenkunft finden. Er war dreymahl aus London zum Besuch nach Halle (seiner Vaterstadt) gekommen. Beym ersten Besuch, etwa im Jahr 1719, war Bach noch in Cöthen, nur 4 kleine Meilen von Halle entfernt. Er erfuhr Händels Ankunft sogleich, und säumte keinen Augenblick, ihm unverzüglich seinen Besuch abzustatten; aber gerade am Tage seiner Ankunft, reiste Händel wieder von Halle ab. Beym zweyten Händelschen Besuch in Halle (zwischen 1730-1740.) war Bach schon in Leipzig, aber krank. Er sandte aber, sobald er Händels Ankunft in Halle erfahren hatte, sogleich seinen ältesten Sohn, Wilh. Friedemann, dahin, und ließ Händeln aufs höflichste zu sich nach Leipzig einladen. Händel bedauerte aber, daß er nicht kommen könne. Beym dritten Händelschen Besuch, um das Jahr 1752 oder 1753 war Bach schon todt. Sein Wunsch, Händeln persönlich kennen zu lernen, wurde ihm also eben so wenig erfüllt, als der Wunsch vieler Musikfreunde, die ihn und Händel gern neben einander gesehen und gehört hätten.

In Dresden war die Capelle und die Oper, während Hasse Capellmeister dort war, sehr glänzend und vortrefflich. Bach hatte schon in frühern Jahren dort viele Bekannte, von welchen allen er sehr geehrt wurde. Auch Hasse nebst seiner Gattin, der berühmten Faustina, waren mehrere Mahle in Leipzig gewesen, und hatten seine

dann freuete er sich, und stieß den Sohn an, um ihn aufmerksam darauf zu machen. Man sieht hieraus, daß er auch die Kunst Anderer schätzte.

Die Componisten, die er in seiner Jugend studirte, schätzte und liebte, sind schon genannt. In seinem spätern, völlig reisen Alter wurden sie aber verdrängt. Hingegen hielt er nun viel auf den ehemahligen Kaiserlichen Ober-Capellmeister Fux, auf Händel, auf Caldara, auf Reinh. Kayser, auf Hasse, beyde Graune, Telemann, Zelenka, Benda etc. überhaupt auf alles, was damahls in Dresden und Berlin am vorzüglichsten war. Die ersten vier, nehmlich Fux, Händel, Caldara und Kayser, kannte er nicht persönlich, die übrigen aber sämmtlich. Mit Telemann hatte er in seiner Jugend vielen Umgang. Händeln achtete er sehr hoch, und wünschte oft, ihn persönlich kennen zu lernen. Da Händel ebenfalls ein großer Clavier- und Orgelspieler war, so wünschten auch viele Musikfreunde in Leipzig und in der dortigen Gegend, beyde große Männer einmahl gegen einander zu hören. Aber Händel konnte nie die Zeit zu einer solchen Zusammenkunft finden. Er war dreymahl aus London zum Besuch nach Halle (seiner Vaterstadt) gekommen. Beym ersten Besuch, etwa im Jahr 1719, war Bach noch in Cöthen, nur 4 kleine Meilen von Halle entfernt. Er erfuhr Händels Ankunft sogleich, und säumte keinen Augenblick, ihm unverzüglich seinen Besuch abzustatten; aber gerade am Tage seiner Ankunft, reiste Händel wieder von Halle ab. Beym zweyten Händelschen Besuch in Halle (zwischen 1730–1740.) war Bach schon in Leipzig, aber krank. Er sandte aber, sobald er Händels Ankunft in Halle erfahren hatte, sogleich seinen ältesten Sohn, Wilh. Friedemann, dahin, und ließ Händeln aufs höflichste zu sich nach Leipzig einladen. Händel bedauerte aber, daß er nicht kommen könne. Beym dritten Händelschen Besuch, um das Jahr 1752 oder 1753 war Bach schon todt. Sein Wunsch, Händeln persönlich kennen zu lernen, wurde ihm also eben so wenig erfüllt, als der Wunsch vieler Musikfreunde, die ihn und Händel gern neben einander gesehen und gehört hätten.

In Dresden war die Capelle und die Oper, während Hasse Capellmeister dort war, sehr glänzend und vortrefflich. Bach hatte schon in frühern Jahren dort viele Bekannte, von welchen allen er sehr geehrt wurde. Auch Hasse nebst seiner Gattin, der berühmten Faustina, waren mehrere Mahle in Leipzig gewesen, und hatten seine

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[47/0057] dann freuete er sich, und stieß den Sohn an, um ihn aufmerksam darauf zu machen. Man sieht hieraus, daß er auch die Kunst Anderer schätzte. Die Componisten, die er in seiner Jugend studirte, schätzte und liebte, sind schon genannt. In seinem spätern, völlig reisen Alter wurden sie aber verdrängt. Hingegen hielt er nun viel auf den ehemahligen Kaiserlichen Ober-Capellmeister Fux, auf Händel, auf Caldara, auf Reinh. Kayser, auf Hasse, beyde Graune, Telemann, Zelenka, Benda etc. überhaupt auf alles, was damahls in Dresden und Berlin am vorzüglichsten war. Die ersten vier, nehmlich Fux, Händel, Caldara und Kayser, kannte er nicht persönlich, die übrigen aber sämmtlich. Mit Telemann hatte er in seiner Jugend vielen Umgang. Händeln achtete er sehr hoch, und wünschte oft, ihn persönlich kennen zu lernen. Da Händel ebenfalls ein großer Clavier- und Orgelspieler war, so wünschten auch viele Musikfreunde in Leipzig und in der dortigen Gegend, beyde große Männer einmahl gegen einander zu hören. Aber Händel konnte nie die Zeit zu einer solchen Zusammenkunft finden. Er war dreymahl aus London zum Besuch nach Halle (seiner Vaterstadt) gekommen. Beym ersten Besuch, etwa im Jahr 1719, war Bach noch in Cöthen, nur 4 kleine Meilen von Halle entfernt. Er erfuhr Händels Ankunft sogleich, und säumte keinen Augenblick, ihm unverzüglich seinen Besuch abzustatten; aber gerade am Tage seiner Ankunft, reiste Händel wieder von Halle ab. Beym zweyten Händelschen Besuch in Halle (zwischen 1730–1740.) war Bach schon in Leipzig, aber krank. Er sandte aber, sobald er Händels Ankunft in Halle erfahren hatte, sogleich seinen ältesten Sohn, Wilh. Friedemann, dahin, und ließ Händeln aufs höflichste zu sich nach Leipzig einladen. Händel bedauerte aber, daß er nicht kommen könne. Beym dritten Händelschen Besuch, um das Jahr 1752 oder 1753 war Bach schon todt. Sein Wunsch, Händeln persönlich kennen zu lernen, wurde ihm also eben so wenig erfüllt, als der Wunsch vieler Musikfreunde, die ihn und Händel gern neben einander gesehen und gehört hätten. In Dresden war die Capelle und die Oper, während Hasse Capellmeister dort war, sehr glänzend und vortrefflich. Bach hatte schon in frühern Jahren dort viele Bekannte, von welchen allen er sehr geehrt wurde. Auch Hasse nebst seiner Gattin, der berühmten Faustina, waren mehrere Mahle in Leipzig gewesen, und hatten seine

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Zitationshilfe: Forkel, Johann Nikolaus: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Leipzig, 1802, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/forkel_bach_1802/57>, abgerufen am 26.04.2024.