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Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810.

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mehrte, fiel, wie von selbst, von dem vielen Guten und Erfreulichen ab, was sie wohlthuend zu der Welt zog und den Frieden mit ihr begründete. Selbst mit Werner war sie im Herzen versöhnt, seit sie ihm auf keine Weise scheuen durfte. Cesario allein ließ sie niemals frei von jener früher empfundnen Bangigkeit deren sie, mit aller Anstrengung, nicht Herr werden könnte.

Als sie sich einmal recht lebhaft dieser Schwäche schämte, da erinnerte sie sich, wie leicht ein geheim gehaltenes Gefühl dem schönsten Verhältniß Gefahr drohe, und wie wohl größeres Vertrauen ihr und Julius Glück gesichert hätte. Sie konnte nicht anstehn, in des Freundes treue Brust die letzte, kleine Sorge niederzulegen. Dennoch geschah es nicht ohne einige Verlegenheit, daß sie ihrer frühesten Bekanntschaft mit Cesario und des belauschten Selbstgesprächs im Gasthofe gegen den Obristen gedachte. Seitdem, fuhr sie mit gesenkten Augen fort, befällt mich eine Unruhe, so oft ich ihn sehe, die jene zurückruft, weiche lange das Unglück meines Lebens machte. Der Obrist hatte ihre Hand gefaßt, und sahe mit leutseligem Ernst in ihr anmuthig verschämtes Gesicht. Meine Luise, sagte er, es ist ja dies ihr eigenthümliches Wesen, daß Sie niemand in Ungewißheit über sich lassen können, als den, der sich selbst täuscht. Sie sagen mir daher

mehrte, fiel, wie von selbst, von dem vielen Guten und Erfreulichen ab, was sie wohlthuend zu der Welt zog und den Frieden mit ihr begründete. Selbst mit Werner war sie im Herzen versöhnt, seit sie ihm auf keine Weise scheuen durfte. Cesario allein ließ sie niemals frei von jener früher empfundnen Bangigkeit deren sie, mit aller Anstrengung, nicht Herr werden könnte.

Als sie sich einmal recht lebhaft dieser Schwäche schämte, da erinnerte sie sich, wie leicht ein geheim gehaltenes Gefühl dem schönsten Verhältniß Gefahr drohe, und wie wohl größeres Vertrauen ihr und Julius Glück gesichert hätte. Sie konnte nicht anstehn, in des Freundes treue Brust die letzte, kleine Sorge niederzulegen. Dennoch geschah es nicht ohne einige Verlegenheit, daß sie ihrer frühesten Bekanntschaft mit Cesario und des belauschten Selbstgesprächs im Gasthofe gegen den Obristen gedachte. Seitdem, fuhr sie mit gesenkten Augen fort, befällt mich eine Unruhe, so oft ich ihn sehe, die jene zurückruft, weiche lange das Unglück meines Lebens machte. Der Obrist hatte ihre Hand gefaßt, und sahe mit leutseligem Ernst in ihr anmuthig verschämtes Gesicht. Meine Luise, sagte er, es ist ja dies ihr eigenthümliches Wesen, daß Sie niemand in Ungewißheit über sich lassen können, als den, der sich selbst täuscht. Sie sagen mir daher

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[117/0119] mehrte, fiel, wie von selbst, von dem vielen Guten und Erfreulichen ab, was sie wohlthuend zu der Welt zog und den Frieden mit ihr begründete. Selbst mit Werner war sie im Herzen versöhnt, seit sie ihm auf keine Weise scheuen durfte. Cesario allein ließ sie niemals frei von jener früher empfundnen Bangigkeit deren sie, mit aller Anstrengung, nicht Herr werden könnte. Als sie sich einmal recht lebhaft dieser Schwäche schämte, da erinnerte sie sich, wie leicht ein geheim gehaltenes Gefühl dem schönsten Verhältniß Gefahr drohe, und wie wohl größeres Vertrauen ihr und Julius Glück gesichert hätte. Sie konnte nicht anstehn, in des Freundes treue Brust die letzte, kleine Sorge niederzulegen. Dennoch geschah es nicht ohne einige Verlegenheit, daß sie ihrer frühesten Bekanntschaft mit Cesario und des belauschten Selbstgesprächs im Gasthofe gegen den Obristen gedachte. Seitdem, fuhr sie mit gesenkten Augen fort, befällt mich eine Unruhe, so oft ich ihn sehe, die jene zurückruft, weiche lange das Unglück meines Lebens machte. Der Obrist hatte ihre Hand gefaßt, und sahe mit leutseligem Ernst in ihr anmuthig verschämtes Gesicht. Meine Luise, sagte er, es ist ja dies ihr eigenthümliches Wesen, daß Sie niemand in Ungewißheit über sich lassen können, als den, der sich selbst täuscht. Sie sagen mir daher

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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Die Frau des Falkensteins. Zweites Bändchen. Berlin, 1810, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_falkensteins02_1810/119>, abgerufen am 29.04.2024.