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Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812.

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Frankreich untergehn? Sollen wir Nahmen, Stand, Eigenthum, alles hinwerfen, und die Hände in den Schoos legen? Regt sichs nun? sagte der Herzog lachend, ja nun ist's zu spät! Ich habe meine Welt kennen gelernt! ich bin es müde, auf Worte zu bauen! In der Vendee da gab es Männer! und in Lyon! Was Menschen thun können, ist dort gethan! Ich habe lange unter den Vendeern gestritten. Es ist vorbei! Die Andern haben kein Mark, keinen Willen! Es ist unglaublich, wie sich Menschen über sich selbst täuschen! Auch die Guten! Bei unbezwinglicher Scheu vor dem Streit fühlen sie gleichwohl das Gebot der Ehre und peitschen sich mit Worten das Blut in den Adern hin und her, bis sie schon in Gedanken auf dem Schlachtfelde stehn, da träumen sie Thaten und schlagen uns ihr noch zu vergießendes Blut zu hohen Preisen an! Dabei bleibt es aber! Die abgenutzten Worte Freiheit und Ehre sind wie ein Feuerzeug ohne Stahl, sie geben kein Feuer und kein Mensch wärmt sich an einer Flamme, von der er nur reden hört! Der Marquis schwieg. Alle waren erschüttert, gestört. Antonie stand vor dem Herzog, jedes seiner Worte in sich hineinziehend. Die Baronin fühlte, daß niemand in diesem Augenblick gestellt sei, etwas Zweckmäßiges zu wollen, und für die Folge den Andern vorzuschlagen; sie

Frankreich untergehn? Sollen wir Nahmen, Stand, Eigenthum, alles hinwerfen, und die Hände in den Schoos legen? Regt sichs nun? sagte der Herzog lachend, ja nun ist's zu spät! Ich habe meine Welt kennen gelernt! ich bin es müde, auf Worte zu bauen! In der Vendée da gab es Männer! und in Lyon! Was Menschen thun können, ist dort gethan! Ich habe lange unter den Vendéern gestritten. Es ist vorbei! Die Andern haben kein Mark, keinen Willen! Es ist unglaublich, wie sich Menschen über sich selbst täuschen! Auch die Guten! Bei unbezwinglicher Scheu vor dem Streit fühlen sie gleichwohl das Gebot der Ehre und peitschen sich mit Worten das Blut in den Adern hin und her, bis sie schon in Gedanken auf dem Schlachtfelde stehn, da träumen sie Thaten und schlagen uns ihr noch zu vergießendes Blut zu hohen Preisen an! Dabei bleibt es aber! Die abgenutzten Worte Freiheit und Ehre sind wie ein Feuerzeug ohne Stahl, sie geben kein Feuer und kein Mensch wärmt sich an einer Flamme, von der er nur reden hört! Der Marquis schwieg. Alle waren erschüttert, gestört. Antonie stand vor dem Herzog, jedes seiner Worte in sich hineinziehend. Die Baronin fühlte, daß niemand in diesem Augenblick gestellt sei, etwas Zweckmäßiges zu wollen, und für die Folge den Andern vorzuschlagen; sie

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Frankreich untergehn? Sollen wir Nahmen, Stand, Eigenthum, alles hinwerfen, und die Hände in den Schoos legen? Regt sichs nun? sagte der Herzog lachend, ja nun ist's zu spät! Ich habe meine Welt kennen gelernt! ich bin es müde, auf Worte zu bauen! In der Vendée da gab es Männer! und in Lyon! Was Menschen thun können, ist dort gethan! Ich habe lange unter den Vendéern gestritten. Es ist vorbei! Die Andern haben kein Mark, keinen Willen! Es ist unglaublich, wie sich Menschen über sich selbst täuschen! Auch die Guten! Bei unbezwinglicher Scheu vor dem Streit fühlen sie gleichwohl das Gebot der Ehre und peitschen sich mit Worten das Blut in den Adern hin und her, bis sie schon in Gedanken auf dem Schlachtfelde stehn, da träumen sie Thaten und schlagen uns ihr noch zu vergießendes Blut zu hohen Preisen an! Dabei bleibt es aber! Die abgenutzten Worte Freiheit und Ehre sind wie ein Feuerzeug ohne Stahl, sie geben kein Feuer und kein Mensch wärmt sich an einer Flamme, von der er nur reden hört! Der Marquis schwieg. Alle waren erschüttert, gestört. Antonie stand vor dem Herzog, jedes seiner Worte in sich hineinziehend. Die Baronin fühlte, daß niemand in diesem Augenblick gestellt sei, etwas Zweckmäßiges zu wollen, und für die Folge den Andern vorzuschlagen; sie
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[103/0110] Frankreich untergehn? Sollen wir Nahmen, Stand, Eigenthum, alles hinwerfen, und die Hände in den Schoos legen? Regt sichs nun? sagte der Herzog lachend, ja nun ist's zu spät! Ich habe meine Welt kennen gelernt! ich bin es müde, auf Worte zu bauen! In der Vendée da gab es Männer! und in Lyon! Was Menschen thun können, ist dort gethan! Ich habe lange unter den Vendéern gestritten. Es ist vorbei! Die Andern haben kein Mark, keinen Willen! Es ist unglaublich, wie sich Menschen über sich selbst täuschen! Auch die Guten! Bei unbezwinglicher Scheu vor dem Streit fühlen sie gleichwohl das Gebot der Ehre und peitschen sich mit Worten das Blut in den Adern hin und her, bis sie schon in Gedanken auf dem Schlachtfelde stehn, da träumen sie Thaten und schlagen uns ihr noch zu vergießendes Blut zu hohen Preisen an! Dabei bleibt es aber! Die abgenutzten Worte Freiheit und Ehre sind wie ein Feuerzeug ohne Stahl, sie geben kein Feuer und kein Mensch wärmt sich an einer Flamme, von der er nur reden hört! Der Marquis schwieg. Alle waren erschüttert, gestört. Antonie stand vor dem Herzog, jedes seiner Worte in sich hineinziehend. Die Baronin fühlte, daß niemand in diesem Augenblick gestellt sei, etwas Zweckmäßiges zu wollen, und für die Folge den Andern vorzuschlagen; sie

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  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
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Zitationshilfe: Fouqué, Caroline de la Motte-: Magie der Natur. In: Kleine Romanenbibliothek von und für Damen. Berlin, 1812, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_magie_1812/110>, abgerufen am 03.05.2024.