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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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welcher der Name voraussichtlich in Dunkelheit er¬
losch? Wer auch immer die Erben der wunderlichen
Greisin sein mochten, der bescheidene Rittmeister von
Reckenburg und sein dürftig erzogenes Fräulein, wir
wußten es, waren es nicht.

Groß, über allen Ausdruck groß war daher das
Wunder, als im Laufe des Spätsommers ein eigen¬
händiges Schreiben der Gräfin, das erste seiner Art,
die weiße Vetternsippe beehrte. Das Schreiben lau¬
tete, aus dem Französischen übersetzt:

"Wenn die Freifrau und der Freiherr von
Reckenburg geneigt sein sollten, ihre Tochter Eber¬
hardine der Gräfin von Reckenburg als Gast
während des nächsten Winters zu überlassen, so
wird die gräfliche Equipage die junge Dame --
(das Datum und der Stationsort waren genau
bezeichnet) -- zur Beförderung nach Schloß
Reckenburg erwarten."

So wenig einladend diese Gunstbezeugung gestellt
war, und so schwer den Eltern das, wenn auch nur
zeitweise Ueberlassen des einzigen, kaum erwachsenen
Kindes in völlig unbekannte Hand vorkommen mochte,
die Möglichkeit einer Ablehnung ist gar nicht in Be¬
tracht gezogen worden. Die Gräfin war, -- nun sie

welcher der Name vorausſichtlich in Dunkelheit er¬
loſch? Wer auch immer die Erben der wunderlichen
Greiſin ſein mochten, der beſcheidene Rittmeiſter von
Reckenburg und ſein dürftig erzogenes Fräulein, wir
wußten es, waren es nicht.

Groß, über allen Ausdruck groß war daher das
Wunder, als im Laufe des Spätſommers ein eigen¬
händiges Schreiben der Gräfin, das erſte ſeiner Art,
die weiße Vetternſippe beehrte. Das Schreiben lau¬
tete, aus dem Franzöſiſchen überſetzt:

„Wenn die Freifrau und der Freiherr von
Reckenburg geneigt ſein ſollten, ihre Tochter Eber¬
hardine der Gräfin von Reckenburg als Gaſt
während des nächſten Winters zu überlaſſen, ſo
wird die gräfliche Equipage die junge Dame —
(das Datum und der Stationsort waren genau
bezeichnet) — zur Beförderung nach Schloß
Reckenburg erwarten.“

So wenig einladend dieſe Gunſtbezeugung geſtellt
war, und ſo ſchwer den Eltern das, wenn auch nur
zeitweiſe Ueberlaſſen des einzigen, kaum erwachſenen
Kindes in völlig unbekannte Hand vorkommen mochte,
die Möglichkeit einer Ablehnung iſt gar nicht in Be¬
tracht gezogen worden. Die Gräfin war, — nun ſie

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[146/0153] welcher der Name vorausſichtlich in Dunkelheit er¬ loſch? Wer auch immer die Erben der wunderlichen Greiſin ſein mochten, der beſcheidene Rittmeiſter von Reckenburg und ſein dürftig erzogenes Fräulein, wir wußten es, waren es nicht. Groß, über allen Ausdruck groß war daher das Wunder, als im Laufe des Spätſommers ein eigen¬ händiges Schreiben der Gräfin, das erſte ſeiner Art, die weiße Vetternſippe beehrte. Das Schreiben lau¬ tete, aus dem Franzöſiſchen überſetzt: „Wenn die Freifrau und der Freiherr von Reckenburg geneigt ſein ſollten, ihre Tochter Eber¬ hardine der Gräfin von Reckenburg als Gaſt während des nächſten Winters zu überlaſſen, ſo wird die gräfliche Equipage die junge Dame — (das Datum und der Stationsort waren genau bezeichnet) — zur Beförderung nach Schloß Reckenburg erwarten.“ So wenig einladend dieſe Gunſtbezeugung geſtellt war, und ſo ſchwer den Eltern das, wenn auch nur zeitweiſe Ueberlaſſen des einzigen, kaum erwachſenen Kindes in völlig unbekannte Hand vorkommen mochte, die Möglichkeit einer Ablehnung iſt gar nicht in Be¬ tracht gezogen worden. Die Gräfin war, — nun ſie

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/153>, abgerufen am 30.04.2024.