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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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drückt hat als auf diese. Was ich den einzigen Sommer
von 1813 hindurch, das erduldete diese Frau sieben
Jahre. Wo ich, aus dem Vollen schöpfen durfte,
sah sie den besten Theil ihrer Anlagen zerstört und
in einem Alter, wo Andere sich zur Ruhe neigen, fing
sie unverdrossen ihr Werk von Neuem an.

Und welchen Muth, welche Entschlossenheit hat
die alleinstehende Matrone gegenüber der Ungebühr
der Armeen von Freund und Feind an den Tag ge¬
legt; wie beherzt hat sie sich der Schaaren der Ma¬
rodeure und des einheimischen Raubgesindels, das noch
lange nach dem Friedensschlusse sich in unseren Wäl¬
dern eingenistet hatte, zu erwehren gewußt. Es ist
buchstäblich wahr, daß die schwarze Reckenburgerin,
ein geladenes Pistol in jeder Hand, ihre beiden riesigen
Heiducken bewaffnet hinter sich, die Schwelle ihres
Hauses gegen diesen wüsten Zudrang vertheidigte.

Diese Heldenthat kann als Keimsaat des abenteuer¬
lichen Spukwesens betrachtet werden, das allmälig über
die wunderliche Gräfin in Schwang gerieth. Die ge¬
spenstische Gestalt wuchs, als die leibhaftige Gestalt,
da wo sie bisher wenigstens gemuthmaßt worden war,
-- das heißt während ihrer Flurbesichtigungen in der
verhüllten, goldenen Kutsche, -- plötzlich verschwand.

drückt hat als auf dieſe. Was ich den einzigen Sommer
von 1813 hindurch, das erduldete dieſe Frau ſieben
Jahre. Wo ich, aus dem Vollen ſchöpfen durfte,
ſah ſie den beſten Theil ihrer Anlagen zerſtört und
in einem Alter, wo Andere ſich zur Ruhe neigen, fing
ſie unverdroſſen ihr Werk von Neuem an.

Und welchen Muth, welche Entſchloſſenheit hat
die alleinſtehende Matrone gegenüber der Ungebühr
der Armeen von Freund und Feind an den Tag ge¬
legt; wie beherzt hat ſie ſich der Schaaren der Ma¬
rodeure und des einheimiſchen Raubgeſindels, das noch
lange nach dem Friedensſchluſſe ſich in unſeren Wäl¬
dern eingeniſtet hatte, zu erwehren gewußt. Es iſt
buchſtäblich wahr, daß die ſchwarze Reckenburgerin,
ein geladenes Piſtol in jeder Hand, ihre beiden rieſigen
Heiducken bewaffnet hinter ſich, die Schwelle ihres
Hauſes gegen dieſen wüſten Zudrang vertheidigte.

Dieſe Heldenthat kann als Keimſaat des abenteuer¬
lichen Spukweſens betrachtet werden, das allmälig über
die wunderliche Gräfin in Schwang gerieth. Die ge¬
ſpenſtiſche Geſtalt wuchs, als die leibhaftige Geſtalt,
da wo ſie bisher wenigſtens gemuthmaßt worden war,
— das heißt während ihrer Flurbeſichtigungen in der
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[171/0178] drückt hat als auf dieſe. Was ich den einzigen Sommer von 1813 hindurch, das erduldete dieſe Frau ſieben Jahre. Wo ich, aus dem Vollen ſchöpfen durfte, ſah ſie den beſten Theil ihrer Anlagen zerſtört und in einem Alter, wo Andere ſich zur Ruhe neigen, fing ſie unverdroſſen ihr Werk von Neuem an. Und welchen Muth, welche Entſchloſſenheit hat die alleinſtehende Matrone gegenüber der Ungebühr der Armeen von Freund und Feind an den Tag ge¬ legt; wie beherzt hat ſie ſich der Schaaren der Ma¬ rodeure und des einheimiſchen Raubgeſindels, das noch lange nach dem Friedensſchluſſe ſich in unſeren Wäl¬ dern eingeniſtet hatte, zu erwehren gewußt. Es iſt buchſtäblich wahr, daß die ſchwarze Reckenburgerin, ein geladenes Piſtol in jeder Hand, ihre beiden rieſigen Heiducken bewaffnet hinter ſich, die Schwelle ihres Hauſes gegen dieſen wüſten Zudrang vertheidigte. Dieſe Heldenthat kann als Keimſaat des abenteuer¬ lichen Spukweſens betrachtet werden, das allmälig über die wunderliche Gräfin in Schwang gerieth. Die ge¬ ſpenſtiſche Geſtalt wuchs, als die leibhaftige Geſtalt, da wo ſie bisher wenigſtens gemuthmaßt worden war, — das heißt während ihrer Flurbeſichtigungen in der verhüllten, goldenen Kutſche, — plötzlich verſchwand.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/178>, abgerufen am 30.04.2024.