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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber
einem schleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬
tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krause
geschlossen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein
runder Hut mit wallendem Federschmuck. Ich habe
die Gräfin späterhin, selbst in den vertraulichsten
Situationen niemals ohne ihren "spanischen" Hut
und Mantel, wie auch niemals ohne Handschuhe
gesehen und ihre Mode praktisch gefunden. Sie war
warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen
Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬
stört haben würde. Beim ersten Eindruck aber, im
Dämmerlicht des geisterstillen Palastes, wird man mir
ein gelindes Gruseln nicht übel nehmen.

Indessen war ich nicht dauernd auf apprehensive
Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin sich in ihrem
Lehnstuhle verschnauft, hatte ich meine natürliche Fas¬
sung wiedergewonnen. Ich schritt herzhaft auf sie zu
und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬
ten Style, der einer Reckenburgerin, fürstlichem An¬
sehen gegenüber, als Vorschrift galt.

Die Gräfin hatte nach einsamer und etwas hart¬
höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬
drücke oder Einfälle vor sich selber laut werden zu

auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber
einem ſchleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬
tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krauſe
geſchloſſen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein
runder Hut mit wallendem Federſchmuck. Ich habe
die Gräfin ſpäterhin, ſelbſt in den vertraulichſten
Situationen niemals ohne ihren „ſpaniſchen“ Hut
und Mantel, wie auch niemals ohne Handſchuhe
geſehen und ihre Mode praktiſch gefunden. Sie war
warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen
Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬
ſtört haben würde. Beim erſten Eindruck aber, im
Dämmerlicht des geiſterſtillen Palaſtes, wird man mir
ein gelindes Gruſeln nicht übel nehmen.

Indeſſen war ich nicht dauernd auf apprehenſive
Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin ſich in ihrem
Lehnſtuhle verſchnauft, hatte ich meine natürliche Faſ¬
ſung wiedergewonnen. Ich ſchritt herzhaft auf ſie zu
und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬
ten Style, der einer Reckenburgerin, fürſtlichem An¬
ſehen gegenüber, als Vorſchrift galt.

Die Gräfin hatte nach einſamer und etwas hart¬
höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬
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[184/0191] auf Maskenbällen einen Domino nennen. Ueber einem ſchleppenden Untergewande hing ein kurzer, fal¬ tiger Mantel, unter dem Kinn mit einer dichten Krauſe geſchloſſen. Ueber der Wittwenhaube thronte ein runder Hut mit wallendem Federſchmuck. Ich habe die Gräfin ſpäterhin, ſelbſt in den vertraulichſten Situationen niemals ohne ihren „ſpaniſchen“ Hut und Mantel, wie auch niemals ohne Handſchuhe geſehen und ihre Mode praktiſch gefunden. Sie war warm und bequem und verlieh ihr in ihren eigenen Augen eine Würde, die Schlafrock und Kapuze zer¬ ſtört haben würde. Beim erſten Eindruck aber, im Dämmerlicht des geiſterſtillen Palaſtes, wird man mir ein gelindes Gruſeln nicht übel nehmen. Indeſſen war ich nicht dauernd auf apprehenſive Stimmungen angelegt; bevor die Gräfin ſich in ihrem Lehnſtuhle verſchnauft, hatte ich meine natürliche Faſ¬ ſung wiedergewonnen. Ich ſchritt herzhaft auf ſie zu und Handkuß wie Reverenz gelangen in dem correc¬ ten Style, der einer Reckenburgerin, fürſtlichem An¬ ſehen gegenüber, als Vorſchrift galt. Die Gräfin hatte nach einſamer und etwas hart¬ höriger Leute Art, die Gewohnheit angenommen, Ein¬ drücke oder Einfälle vor ſich ſelber laut werden zu

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/191>, abgerufen am 30.04.2024.