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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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da war es gleich wieder eine gute Botschaft, mit wel¬
cher Muhme Justine mir entgegentrat. "Hochgräf¬
liche Gnaden" waren in der Nacht von einem bösen
Gebresten heimgesucht worden und da die Gliedmaßen
hochdero Kammerfrau sich für die vorschriftsmäßigen
Manipulationen zu steif und zitterig erwiesen, waren
die der kunstfertigen Reiseduenna zu Hülfe gezogen
worden. Meister Fabers Schülerin hatte denn auch
im Setzen von Schröpfköpfen und anderweitigen we¬
niger schicklich auszusprechenden Ableitungen zum er¬
stenmale in einem Grafenschlosse eine glänzende Probe
abgelegt; und hohe Patientin, -- schneller denn je
von ihrer Bedrängniß erlöst, -- der Helferin den An¬
trag gestellt, gegen standesmäßiges Salair den Win¬
ter auf Reckenburg zuzubringen. -- Die treue Seele
opferte ohne Bedenken diesem zweifelhaften Anerbieten
ihre sichere heimische Kundschaft. Ihre Augen fun¬
kelten. Sie fühlte sich als die Mittelsperson, um ihre
stolzesten Traumgesichte zu verwirklichen. Denn un¬
ter solcherlei Proceduren kommt ein Mensch zur Rai¬
son und wird weich wie Wachs.

So sollte es mir denn auch an einem gemüth¬
lichen Austausch nicht fehlen, und noch ein anderer
wesentlicher Vortheil stellte sich bald genug heraus.

da war es gleich wieder eine gute Botſchaft, mit wel¬
cher Muhme Juſtine mir entgegentrat. „Hochgräf¬
liche Gnaden“ waren in der Nacht von einem böſen
Gebreſten heimgeſucht worden und da die Gliedmaßen
hochdero Kammerfrau ſich für die vorſchriftsmäßigen
Manipulationen zu ſteif und zitterig erwieſen, waren
die der kunſtfertigen Reiſeduenna zu Hülfe gezogen
worden. Meiſter Fabers Schülerin hatte denn auch
im Setzen von Schröpfköpfen und anderweitigen we¬
niger ſchicklich auszuſprechenden Ableitungen zum er¬
ſtenmale in einem Grafenſchloſſe eine glänzende Probe
abgelegt; und hohe Patientin, — ſchneller denn je
von ihrer Bedrängniß erlöſt, — der Helferin den An¬
trag geſtellt, gegen ſtandesmäßiges Salair den Win¬
ter auf Reckenburg zuzubringen. — Die treue Seele
opferte ohne Bedenken dieſem zweifelhaften Anerbieten
ihre ſichere heimiſche Kundſchaft. Ihre Augen fun¬
kelten. Sie fühlte ſich als die Mittelsperſon, um ihre
ſtolzeſten Traumgeſichte zu verwirklichen. Denn un¬
ter ſolcherlei Proceduren kommt ein Menſch zur Rai¬
ſon und wird weich wie Wachs.

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[192/0199] da war es gleich wieder eine gute Botſchaft, mit wel¬ cher Muhme Juſtine mir entgegentrat. „Hochgräf¬ liche Gnaden“ waren in der Nacht von einem böſen Gebreſten heimgeſucht worden und da die Gliedmaßen hochdero Kammerfrau ſich für die vorſchriftsmäßigen Manipulationen zu ſteif und zitterig erwieſen, waren die der kunſtfertigen Reiſeduenna zu Hülfe gezogen worden. Meiſter Fabers Schülerin hatte denn auch im Setzen von Schröpfköpfen und anderweitigen we¬ niger ſchicklich auszuſprechenden Ableitungen zum er¬ ſtenmale in einem Grafenſchloſſe eine glänzende Probe abgelegt; und hohe Patientin, — ſchneller denn je von ihrer Bedrängniß erlöſt, — der Helferin den An¬ trag geſtellt, gegen ſtandesmäßiges Salair den Win¬ ter auf Reckenburg zuzubringen. — Die treue Seele opferte ohne Bedenken dieſem zweifelhaften Anerbieten ihre ſichere heimiſche Kundſchaft. Ihre Augen fun¬ kelten. Sie fühlte ſich als die Mittelsperſon, um ihre ſtolzeſten Traumgeſichte zu verwirklichen. Denn un¬ ter ſolcherlei Proceduren kommt ein Menſch zur Rai¬ ſon und wird weich wie Wachs. So ſollte es mir denn auch an einem gemüth¬ lichen Auſtauſch nicht fehlen, und noch ein anderer weſentlicher Vortheil ſtellte ſich bald genug heraus.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/199>, abgerufen am 30.04.2024.