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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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Das der wichtigen Leibwärterin im Seitenbau ange¬
wiesene Zimmer grenzte an das meine; es wurde er¬
leuchtet und geheizt; ich konnte mich in demselben,
nach Absperrung der gräflichen Zone, noch ein paar
Stunden ad libitum beschäftigen und brauchte nicht
mehr mit den Hühnern zu Bett zu gehen.

Das Menü des Diners beschränkte sich keines¬
wegs auf die abendliche Grütze. Heute zum Beispiel
gab es, nach einer trefflichen Brühe, ein Hühnchen,
das bis auf einen geringen Brustbissen, auf meinen
Antheil fiel. Zum Nachtisch Aepfel, für die Gräfin
gebraten, für mich roh. Es wurde auch Wein aufge¬
stellt. Die alte Dame vertrug aber keine Spirituosen,
und von der jungen setzte man voraus, daß sie sie nicht
vertrug. Die Flaschen wurden daher unentkorkt ab¬
getragen, um am anderen Tage unentkorkt wieder auf¬
getragen zu werden, und ist es immerhin möglich, daß
es die nämlichen gewesen sind, welche auf der ersten
und letzten gräflichen Tafel ihre Rolle spielten.

Auch die Zeit des Mahles wurde nicht so knapp
gemessen, wie die beim Souper; vielleicht weil es keine
Wachskerzen zu löschen galt. Wir saßen wohl noch
ein Stündchen uns beim Eichelkaffee gegenüber und

Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. I. 13

Das der wichtigen Leibwärterin im Seitenbau ange¬
wieſene Zimmer grenzte an das meine; es wurde er¬
leuchtet und geheizt; ich konnte mich in demſelben,
nach Abſperrung der gräflichen Zone, noch ein paar
Stunden ad libitum beſchäftigen und brauchte nicht
mehr mit den Hühnern zu Bett zu gehen.

Das Menü des Diners beſchränkte ſich keines¬
wegs auf die abendliche Grütze. Heute zum Beiſpiel
gab es, nach einer trefflichen Brühe, ein Hühnchen,
das bis auf einen geringen Bruſtbiſſen, auf meinen
Antheil fiel. Zum Nachtiſch Aepfel, für die Gräfin
gebraten, für mich roh. Es wurde auch Wein aufge¬
ſtellt. Die alte Dame vertrug aber keine Spirituoſen,
und von der jungen ſetzte man voraus, daß ſie ſie nicht
vertrug. Die Flaſchen wurden daher unentkorkt ab¬
getragen, um am anderen Tage unentkorkt wieder auf¬
getragen zu werden, und iſt es immerhin möglich, daß
es die nämlichen geweſen ſind, welche auf der erſten
und letzten gräflichen Tafel ihre Rolle ſpielten.

Auch die Zeit des Mahles wurde nicht ſo knapp
gemeſſen, wie die beim Souper; vielleicht weil es keine
Wachskerzen zu löſchen galt. Wir ſaßen wohl noch
ein Stündchen uns beim Eichelkaffee gegenüber und

Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 13
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[193/0200] Das der wichtigen Leibwärterin im Seitenbau ange¬ wieſene Zimmer grenzte an das meine; es wurde er¬ leuchtet und geheizt; ich konnte mich in demſelben, nach Abſperrung der gräflichen Zone, noch ein paar Stunden ad libitum beſchäftigen und brauchte nicht mehr mit den Hühnern zu Bett zu gehen. Das Menü des Diners beſchränkte ſich keines¬ wegs auf die abendliche Grütze. Heute zum Beiſpiel gab es, nach einer trefflichen Brühe, ein Hühnchen, das bis auf einen geringen Bruſtbiſſen, auf meinen Antheil fiel. Zum Nachtiſch Aepfel, für die Gräfin gebraten, für mich roh. Es wurde auch Wein aufge¬ ſtellt. Die alte Dame vertrug aber keine Spirituoſen, und von der jungen ſetzte man voraus, daß ſie ſie nicht vertrug. Die Flaſchen wurden daher unentkorkt ab¬ getragen, um am anderen Tage unentkorkt wieder auf¬ getragen zu werden, und iſt es immerhin möglich, daß es die nämlichen geweſen ſind, welche auf der erſten und letzten gräflichen Tafel ihre Rolle ſpielten. Auch die Zeit des Mahles wurde nicht ſo knapp gemeſſen, wie die beim Souper; vielleicht weil es keine Wachskerzen zu löſchen galt. Wir ſaßen wohl noch ein Stündchen uns beim Eichelkaffee gegenüber und Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 13

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/200>, abgerufen am 30.04.2024.