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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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den. "Haben denn die Leute unter Fräulein Har¬
dinens Regiment keinen Durst?" fragte er verdrießlich.
"Oder saufen sie nur Wasser wie das liebe Vieh?"

Endlich im allerletzten Hause, da fand er, was
er suchte, wenn auch durch kein Schild oder Schen¬
kenzeichen, keine Kegelbahn, Laube oder Tanzlinde ein¬
ladend angekündigt. Nein, das war nicht der Platz,
wo ein Zögling des Bivouaks das wandernde Mar¬
ketenderzelt vergißt, wo Karten und Würfel fallen und
der Schoppen unter zechenden Kumpanen kreist. Noch
viel weniger war es eine Herberge, die dem müden
Bettler, dem irrenden Landstreicher Labsal und Ob¬
dach bot. Es war ein ruhiges, nüchternes Gehöft
wie alle anderen des Dorfes, nur die untergestellten
Equipagen der Schloßgäste und eine betreßte Diener¬
schaft vor dem Thor deuteten an, daß wohlbestelltes
Volk und Gethier, gegen sofortige Bezahlung, hier
gelegentlich eine Raststunde halten durften.

So wenig anheimelnd der Platz, unser Veteran
warf sich in die Brust, setzte sich auf eine Bank vor
der Thür und forderte Wein. Aber die Zornesader
auf seiner narbigen Stirne schwoll, als der Wirth,
ohne sich von der Stelle zu rühren, ihn von Oben
bis Unten mit einem nichts weniger als bewillkommnen¬

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den. „Haben denn die Leute unter Fräulein Har¬
dinens Regiment keinen Durſt?“ fragte er verdrießlich.
„Oder ſaufen ſie nur Waſſer wie das liebe Vieh?“

Endlich im allerletzten Hauſe, da fand er, was
er ſuchte, wenn auch durch kein Schild oder Schen¬
kenzeichen, keine Kegelbahn, Laube oder Tanzlinde ein¬
ladend angekündigt. Nein, das war nicht der Platz,
wo ein Zögling des Bivouaks das wandernde Mar¬
ketenderzelt vergißt, wo Karten und Würfel fallen und
der Schoppen unter zechenden Kumpanen kreiſt. Noch
viel weniger war es eine Herberge, die dem müden
Bettler, dem irrenden Landſtreicher Labſal und Ob¬
dach bot. Es war ein ruhiges, nüchternes Gehöft
wie alle anderen des Dorfes, nur die untergeſtellten
Equipagen der Schloßgäſte und eine betreßte Diener¬
ſchaft vor dem Thor deuteten an, daß wohlbeſtelltes
Volk und Gethier, gegen ſofortige Bezahlung, hier
gelegentlich eine Raſtſtunde halten durften.

So wenig anheimelnd der Platz, unſer Veteran
warf ſich in die Bruſt, ſetzte ſich auf eine Bank vor
der Thür und forderte Wein. Aber die Zornesader
auf ſeiner narbigen Stirne ſchwoll, als der Wirth,
ohne ſich von der Stelle zu rühren, ihn von Oben
bis Unten mit einem nichts weniger als bewillkommnen¬

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[67/0074] den. „Haben denn die Leute unter Fräulein Har¬ dinens Regiment keinen Durſt?“ fragte er verdrießlich. „Oder ſaufen ſie nur Waſſer wie das liebe Vieh?“ Endlich im allerletzten Hauſe, da fand er, was er ſuchte, wenn auch durch kein Schild oder Schen¬ kenzeichen, keine Kegelbahn, Laube oder Tanzlinde ein¬ ladend angekündigt. Nein, das war nicht der Platz, wo ein Zögling des Bivouaks das wandernde Mar¬ ketenderzelt vergißt, wo Karten und Würfel fallen und der Schoppen unter zechenden Kumpanen kreiſt. Noch viel weniger war es eine Herberge, die dem müden Bettler, dem irrenden Landſtreicher Labſal und Ob¬ dach bot. Es war ein ruhiges, nüchternes Gehöft wie alle anderen des Dorfes, nur die untergeſtellten Equipagen der Schloßgäſte und eine betreßte Diener¬ ſchaft vor dem Thor deuteten an, daß wohlbeſtelltes Volk und Gethier, gegen ſofortige Bezahlung, hier gelegentlich eine Raſtſtunde halten durften. So wenig anheimelnd der Platz, unſer Veteran warf ſich in die Bruſt, ſetzte ſich auf eine Bank vor der Thür und forderte Wein. Aber die Zornesader auf ſeiner narbigen Stirne ſchwoll, als der Wirth, ohne ſich von der Stelle zu rühren, ihn von Oben bis Unten mit einem nichts weniger als bewillkommnen¬ 5*

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/74>, abgerufen am 01.05.2024.