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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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den Blicke maß. Was Wunder, wenn in unserem
Bruder Habenichts heute Prinz Gustels splendide
Soldatennatur wieder aufgewacht war! Er wieder¬
holte barsch seine Forderung, indem er mit der Miene
eines Crösus sein letztes Thalerstück auf den Tisch warf.

Vergebliche Herausforderung! Ein Achselzucken
des Wirths war die einzige Antwort; das goldhelle
Wörtchen Wein schien ein fremdartiger Klang in der
Schenke von Reckenburg.

Indessen hatte die auswärtige Dienerschaft den
seltsamen Wandersmann, der in Lumpen ging und
mit Thalern um sich warf, auf's Korn genommen.
Man näherte sich, man gab gefällig Bescheid und hatte
unser Freund vor einer Stunde kaum sich dreist an
die Magnatentafel des Grafenschlosses geträumt, so
saß er jetzt wohlgemuth im Kreise ihres gallonirten
Lakaienthums. Kümmel und Gerstensaft lösten die
Zunge so gut wie der versagte Rebensaft. Er plauderte
von alten kriegerischen Erinnerungen, aber er plauderte
noch lebhafter von den älteren friedlichen Erinnerungen,
welche die Wanderung durch die Reckenburger Flur
in ihm wach gerufen hatte und er fühlte sich ermuthigt,
als auch andere kluge Leute einen Vers daraus zu
bilden wußten, der auf den seinen reimte. Halb im

den Blicke maß. Was Wunder, wenn in unſerem
Bruder Habenichts heute Prinz Guſtels ſplendide
Soldatennatur wieder aufgewacht war! Er wieder¬
holte barſch ſeine Forderung, indem er mit der Miene
eines Cröſus ſein letztes Thalerſtück auf den Tiſch warf.

Vergebliche Herausforderung! Ein Achſelzucken
des Wirths war die einzige Antwort; das goldhelle
Wörtchen Wein ſchien ein fremdartiger Klang in der
Schenke von Reckenburg.

Indeſſen hatte die auswärtige Dienerſchaft den
ſeltſamen Wandersmann, der in Lumpen ging und
mit Thalern um ſich warf, auf's Korn genommen.
Man näherte ſich, man gab gefällig Beſcheid und hatte
unſer Freund vor einer Stunde kaum ſich dreiſt an
die Magnatentafel des Grafenſchloſſes geträumt, ſo
ſaß er jetzt wohlgemuth im Kreiſe ihres gallonirten
Lakaienthums. Kümmel und Gerſtenſaft löſten die
Zunge ſo gut wie der verſagte Rebenſaft. Er plauderte
von alten kriegeriſchen Erinnerungen, aber er plauderte
noch lebhafter von den älteren friedlichen Erinnerungen,
welche die Wanderung durch die Reckenburger Flur
in ihm wach gerufen hatte und er fühlte ſich ermuthigt,
als auch andere kluge Leute einen Vers daraus zu
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[68/0075] den Blicke maß. Was Wunder, wenn in unſerem Bruder Habenichts heute Prinz Guſtels ſplendide Soldatennatur wieder aufgewacht war! Er wieder¬ holte barſch ſeine Forderung, indem er mit der Miene eines Cröſus ſein letztes Thalerſtück auf den Tiſch warf. Vergebliche Herausforderung! Ein Achſelzucken des Wirths war die einzige Antwort; das goldhelle Wörtchen Wein ſchien ein fremdartiger Klang in der Schenke von Reckenburg. Indeſſen hatte die auswärtige Dienerſchaft den ſeltſamen Wandersmann, der in Lumpen ging und mit Thalern um ſich warf, auf's Korn genommen. Man näherte ſich, man gab gefällig Beſcheid und hatte unſer Freund vor einer Stunde kaum ſich dreiſt an die Magnatentafel des Grafenſchloſſes geträumt, ſo ſaß er jetzt wohlgemuth im Kreiſe ihres gallonirten Lakaienthums. Kümmel und Gerſtenſaft löſten die Zunge ſo gut wie der verſagte Rebenſaft. Er plauderte von alten kriegeriſchen Erinnerungen, aber er plauderte noch lebhafter von den älteren friedlichen Erinnerungen, welche die Wanderung durch die Reckenburger Flur in ihm wach gerufen hatte und er fühlte ſich ermuthigt, als auch andere kluge Leute einen Vers daraus zu bilden wußten, der auf den ſeinen reimte. Halb im

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/75>, abgerufen am 30.04.2024.